ZUFALLSGESPRÄCH MIT DEM MANN IN DER EISENBAHN

ReArm Europe

d'Lëtzebuerger Land du 14.03.2025

In der Ukraine zeichnet sich die Möglichkeit eines Waffenstillstands ab. 2 500 Kilometer weit vom Feuer können Ministerinnen, Abgeordnete, Leitartiklerinnen ihre Enttäuschung kaum verbergen. Sie wollen, dass der Krieg weitergeht. Mehr als einen Sieg der Ukraine wünschen sie sich ein Debakel Russlands.

Ein Ende des Kriegs soll nicht zu Entspannung, Vertrauensbildung, Abrüstung führen. Sondergipfel und Krisensitzungen in Paris, London, Brüssel haben andere Ziele: Ein Ende des Kriegs soll Anlass zu neuer Aufrüstung geben. Weil weder auf die USA, noch Russland Verlass sei.

2023 betrugen die russischen Militärausgaben 109 Milliarden Dollar. Diejenigen West- und Mitteleuropas 407 Milliarden (Sipri Fact Sheet, April 2024, S. 6). Das Vierfache reicht nicht. Die deutsche Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte ein neues Programm an: „ReArm Europe could mobilise close to EUR 800 billion“ (4.3.25). Nur die Finanzierung bleibt unklar. „The race to re-arm could be a much-needed boost for German manufacturing, which has been hit by the crisis in carmaking, looming trade wars, and growing competition from cheap Chinese steel and car imports“ (FT, 8.3.25).

Die Militärausgaben der Nato beliefen sich auf 1 341 Milliarden Dollar. Der Nato-Gipfel am 24. Juni soll eine Erhöhung von zwei auf 3,1 bis 3,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts beschließen. Die Regierung will die Ausgaben „héchstwahrscheinlech och op éischter bei dräi Prozent“ des Bruttonationaleinkommens festlegen. So Premier Luc Frieden (14.2.25). Nun müsse entschieden werden, „wou kommen déi Suen hier [...]. Duerfir musse mer Choixe maachen“. Dazu wolle er „déi eenzel Parteie gesinn“. Sie können den Gleichschritt üben. „Bis zur Lag vun der Natioun [13. Mai], voire bis zum Sommet vun der Nato wäerte mer eis Politik do adaptéieren“ (RTL, 7.3.25).

Die Globalisierung wird ein Stück zurückgerollt. Neufaschisten jubeln. Die Zentren des Imperialismus schwören auf Autarkie. Wollen sich mit Wirtschaftssanktionen, Schutzzöllen gegen die Konkurrenz abschirmen. Notfalls mit Militärgewalt. Das europäische Kapital möchte mehr Feuerkraft im Handelskrieg. Es verlangt Hochrüstung, ähnlich dem US-amerikanischen, chinesischen.

Regierung, Parlament wollen mitmarschieren. Sie wollen eine Benachteiligung verhindern des hierzulande verwerteten und durchgeschleusten Kapitals. Doch in Zwergstaaten sind Säbelrasseln, Waffengeklirr bloß Lärm. Die Regierung laviert. Bald meint sie: Die USA, die Nato zwingen uns unsinnige Militärausgaben auf. Bald: Die seien nötig wegen der Bösartigkeit des russischen Ennemi.

Seit drei Jahren kommt die russische Armee in der Ukraine nicht vom Fleck. Der Krieg hat sie geschwächt. Bedroht Wladimir Putin das Großherzogtum? CSV, DP, LSAP, Grüne behaupten es. Sie geben die patriotische Front. Die ADR spielt den inneren Feind, die neue Hand Moskaus.

Außenminister Xavier Bettel beruhigt, die Milliarden seien nicht ganz verloren: „Mir hunn am Moment duerch d’Satelliten, duerch d’Kommunikatioun, duerch d’Cybersécherheet d’Méiglechkeet gehat, och Suen hei zu Lëtzebuerg z’investéieren“ (RTL, 7.3.25). Hastig päppeln Regierung und Handelskammer die lokale Rüstungsindustrie auf.

„Kanonen statt Butter“ heißt nun: Austerität oder Krieg. Die Staaten kaufen Panzer, Drohnen. Die Aktien der Rüstungsindustrie steigen. Die Staaten machen Schulden, um Panzer und Drohnen zu bezahlen. Die Renditen der Anleihen steigen. Die Sieger stehen schon fest. Die Verlierer zahlen die Zinsen.

Alles Weitere steht in den Svendborgern Gedichten. Noch kann der Finanzminister die Kriegsvorbereitungen sozialstaatlich auspolstern. Denn die Fongenindustrie versagt sich keine Rüstungsaktien.

Romain Hilgert
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