Postliberalisierung

"Das ist nun mal so"

d'Lëtzebuerger Land du 25.11.1999
„Die Arbeitsbedigungen der Briefträger sind haarsträubend“. Seit Wochen schon veröfffentlicht die Briefträgergewerkschaft FSFL Pressemitteilungen diesen Inhalts. Mit der wachsenden Zahl der Postsendungen nehme die Arbeitsbelastung immer weiter zu. Längst könne von unaufhörlicher Überbelastung gesprochen werden – und das nicht nur bei den Briefträgern, sondern in der gesamten Abfertigung und beim Transport: „Die Motivation der Mitarbeiter“, sagt FSFL-Präsident Jos Nickts zum Land, „nimmt immer weiter ab. Durch den chronischen Stress ist der Krankenstand enorm.“

Die Post befindet sich im Wandel: Aus dem Amt mit staatlichem Versorgungsauftrag ist 1992 ein wirtschaftlich selbständiges öffentliches Unternehmen geworden, das sich am Markt behaupten muss. Aus diesem Blickwinkel sieht Paul Kihn, Direktor der Postdivision, die Klagen der Gewerkschaft: Dass die Arbeit im Postdienst zugenommen hat, will er nicht bestreiten. „Das ist aber in anderen Betrieben genauso der Fall und ein Phänomen der Globalisierung. Da können wir gar nichts machen.“

Für Postgewerkschafter Nickts ist das „kapitalistisches Denken in Reinkultur": „Die Produktivität im Postdienst ist seit 1992 um 40 Prozent gestiegen, es wird Gewinn erwirtschaftet. Allerdings zunehmend auf Kosten der Beamten und Angestellten.“

Die Zuwächse in den Beförderungsleistungen sind in der Tat beachtlich: Auch im Zeitalter von Internet und E-Mail steigt die Zahl der beförderten Briefe. In den letzten beiden Jahren betrug die Zunahme 3,2 bzw. 3,7 Prozent, die Zahl der Pakete legte um 8,9 bzw. 26,2 Prozent zu. Unübertroffen aber ist das Wachstum der Reklamesendungen: Seit drei Jahren wächst die Zahl der von den Briefträgern zugestellten Gratis-Blätter konstant um 16 bis 18 Prozent – und das von einem hohen Niveau aus: Zwischen 1994 und 1995 hatte es bei der Reklame einen einzigartigen Wachstumssprung um 105,6 Prozent gegeben.

Der zunehmenden Reklame- und Paketbeförderung verdankt die Post auch ihr in der Jahresbilanz 1998 ausgewiesenes Umsatzplus um 7,8 Prozent. „Doch trotz der guten Geschäftslage gibt es weder Neueinstellungen noch Investitionen in die zum Großteil schon Jahrzehnte alte Infrastruktur der Postbüros“, beklagt FSFL-Präsident Nickts – das müsse letzten Endes auch auf Kosten der Qualität gehen.

Noch ist das anscheinend nicht der Fall. Weder Direktion noch Gewerkschaft registrieren nach eigenem Bekunden einen Anstieg der Reklamationen. Auch laut ILReS, die kontinuierlich ermittelt, welcher Anteil der Postsendungen innerhalb Luxemburgs binnen 24 Stunden seinen Bestimmungsort erreicht, hält die Post sich stabil bei 97 Prozent.

„Das entspricht unserem Ziel“, erklärt Direktor Kihn, der das Unternehmen für den liberalisierten europäischen Postdienst vorbereiten will. Die Beförderungsmonopole fallen, in Luxemburg demnächst das für Briefsendungen ab 350 Gramm. „Wir müssen uns auf mehr Konkurrenz einstellen, da wären Neueinstellungen nicht klug.“ Außerdem geht man davon aus, dass die Zahl der Postsendungen in Zukunft stagniert. „Die alten Zeiten", so der Postdirektor, „sind vorüber. Unsere Leute müssen sich an den Gedanken gewöhnen, dass wir nur noch ein Distributions-Unternehmen sind.“

Die Arbeitsbelastung im  Postdient glaubt Paul Kihn durch Umorganisationen innerhalb der Zustellbezirke abbauen zu können. Die Briefträgergewerkschaft glaubt daran nicht mehr. Auf ihren Druck hin wird zurzeit ein externes Gutachten über die Arbeitsbelastung im Postdienst erstellt. Das Ergebnis wird im Januar 2000 erwartet.
Peter Feist
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