Sparmaßnahmen

Das hässliche A-Wort

d'Lëtzebuerger Land du 05.09.2014

Bis zum Ende des Monats will die Regierung Gewerkschafts- und Unternehmervertreter zusammenrufen, um die sozialpolitische Temperatur zu fühlen und sie auf die noch nicht alle im Detail beschlossenen Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen des Staatshaushalts für 2015 einzustimmen. Bevor der Haushaltsentwurf dann nächsten Monat mit möglicherweise einigen kleinen Kurskorrekturen im Parlament hinterlegt wird, will Premierminister Xavier Bettel (DP) die Sozialpartner dann ein zweites Mal anhören, wie er am Mittwoch ankündigte.

Die Regierung scheint sich einig, dass sie einige hundert Millionen Euro an Steuererhöhungen und Einsparungen aufbringen will. Sie scheint sich auch weitgehend, aber eben noch nicht endgültig einig, auf wessen Kosten, das heißt auch auf Kosten wessen Wahlklientel, sie es tun will. Aus diesem Grund ist sie sich vor allem uneinig, wer den Kopf dafür hinhalten soll.

Der zuständige Ressortminister, Finanz- und Haushaltsminister Pierre Gramegna (DP), der zum Jahresbeginn von der kopernikanischen Wende eines Staatshauhalts der neuen Generation geschwärmt hatte, gab am Dienstag zu verstehen, dass er sich nicht für die politisch unangenehmere Seite der Haushaltspolitik zuständig fühlt und die Verantwortung dafür an den Premierminister abtritt. Das sieht DP-Familienministerin Corinne Cahen nicht viel anders, deren Ressort für einen Großteil der Kürzungen vorgemerkt ist; sie lässt lieber ihren Kindheitsfreund Bettel die Kastanien aus dem Feuer holen. Welcher seinerseits seit Monaten das tut, was er am liebsten tut: Ankündigungen anzukündigen.

Die Grünen überließen von Anfang an die ganze unangenehme Haushaltsdiskus­sion den beiden Koalitionspartnern. Denn ihrer gehobenen Mittelschichten-Wählerschaft rund um den öffentlichen Dienst sind Geldsorgen sowieso eher fremd. So wollen sie sich lieber gesellschaftspolitischen und ökologischen Reformen widmen, mit denen sie höchstens Wähler verärgern, die sowieso nicht im Traum daran gedacht hätten, grün zu wählen.

Die Sozialisten befürchten dagegen, dass sie die Zeche für die Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen zahlen müssen, wenn einmal der Lack von ihrem neuen Star Etienne Schneider ab sein wird. Und die Krise bei den französischen Kollegen steigert ihr mulmiges Gefühl. Deshalb begannen sie in den vergangenen Tagen einen merkwürdigen Eiertanz.

Der sozialistische Wirtschaftsminister brachte es beispielsweise vergangene Woche fertig, dienstags dem geschassten französischen Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg in einem Interview Recht zu geben: „Il faut laisser du pouvoir d’achat aux gens. J’espère que toute cette politique d’austérité menée par la Commission européenne fera partie du passé.“ Und 48 Stunden später im Ton des Armeeministers anzudrohen: „Nous ouvrons des fronts un peu partout. [...] Il s’agit d’une centaine de mesures prévues pour soulager le budget de l’État.“

Worauf fünf Tage später dann LSAP-Außenminister Jean Asselborn zufrieden vom Treffen der Sozialdemokraten in Paris berichtete: „Was wir in Europa brauchen, um die Wirtschaft wieder langfristig anzukurbeln, sind keine einseitigen Sparpläne, sondern Perspektiven in Form von Investitionen.“ Der sozialistische Wähler muss also lernen: Wenn es im Ausland wie Austerität aussieht, nach Austerität riecht und wie Austerität schmeckt – dann ist es hierzulande selbstverständlich etwas völlig anderes.

Romain Hilgert
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