CFL im Krisenmodus

Geisterbahn

d'Lëtzebuerger Land vom 27.03.2020

„Einfach einsteigen und mitfahren!“, sagte Mobilitätsminister François Bausch (Grüne) am Bahnhof Pfaffenthal-Kirchberg zu Politikern, Journalisten und Schaulustigen am 29. Februar. Es war der Tag, an dem die Regierung den fahrkartenfreien bzw. gratis öffentlichen Transport in Luxemburg einführte. Die Episode ist noch keine vier Wochen her, wirkt aber bereits ungeheuer fremd – wie eine Erinnerung an die Welt von gestern. Denn anders als geplant, fahren gerade Geisterzüge durchs Land. Die Auswirkungen des Coronavirus machen nicht vor der nationalen Bahngesellschaft CFL halt. Sie hat vergangene Woche entsprechend reagiert, die Taktung des Verkehrs bereits deutlich gedrosselt. Dennoch lassen sich in Zügen, in denen bis zu 500 Personen Platz finden, derzeit die Passagiere an einer, maximal zwei Händen abzählen.

„Die Nachfrage ist dramatisch eingebrochen“, sagte Alessandra Nonneweiler, Pressesprecherin der CFL, Anfang der Woche. „Wir haben auf die neue Situation reagiert und die Anzahl der Züge stark reduziert.“ Aktuell sei das Netz in etwa so belastet wie an Sonn- und Feiertagen, nur zu den Spitzenstunden würden noch mehr Züge fahren, rund 80 Prozent des Normalbetriebs. „Aber es stimmt“, so Nonneweiler, „vielen Passagieren werden Sie im Zug nicht begegnen.“ Damit stellt auch die Maßnahme des Social Distancing von zwei Metern Abstand die Bahn nicht vor Probleme, wie man anfangs noch hätte annehmen können. In den Zügen gibt es Platz im Überfluss.

Die Bahn wird den Verkehr jedoch trotz geringer Belastung und wenig Passagiere weiterhin aufrechterhalten. „Wir sind vertraglich dazu verpflichtet“, betonte Nonneweiler. Auch der Fernverkehr in die drei Nachbarländer ist weiterhin möglich, einige Verbindungen, wie der TGV nach Paris, sind allerdings bereits eingestellt worden. Grenzkontrollen wie an den Autobahngrenzen gab es hingegen zwischen Igel und Wasserbillig bis jetzt noch nicht. „Wir wissen aktuell von keinen Kontrollen in unseren Zügen“, so Nonneweiler. Pendler aus Deutschland können demnach problemlos die Bahn nutzen, ohne lange Kontrollwartezeiten an der Grenze in Kauf nehmen zu müssen. Und noch ein Vorteil hat die Bahn aktuell: Sie ist pünktlich.

Für die CFL birgt die Ausnahmesituation jedoch andere Probleme. Der generelle Baustellenstopp betrifft auch den Ausbau der Gleise und des Streckennetzes. Notwendige Wartungsarbeiten an Weichen und Bahnübergängen werden weiterhin durchgeführt. Aber das Ziel, bis 2023 die Bahninfrastruktur modernisiert und erweitert zu haben, gerät dadurch in Gefahr. Ein Baustopp von mehreren Wochen bringt Infrastrukturprojekte in große Planungsschwierigkeiten. Es sei falsch anzunehmen, vier Wochen Baustopp würden lediglich zu einer Verlängerung von vier Wochen führen, so Nonneweiler. Diese Milchmädchenrechnung ziehe nicht in Betracht, dass Bauprojekte komplexe Unterfangen mit langfristiger Organisation seien. Corona wirft die Planung nun über den Haufen. Und noch ist überhaupt nicht abzusehen, wann die Gesellschaft wieder zur Normalität zurückkehren kann. Laut Land-Informationen betrifft das auch die Tram-Baustelle, bei der ebenfalls mit deutlichen Verzögerungen gerechnet werden muss.

Der Güterverkehr ist laut Angaben von Barbara Chevalier, Leiterin der Unternehmensentwicklung von CFL-Multimodal, weiterhin vorerst stabil. Die Abladestationen in Bettemburg und Düdelingen sind in Betrieb, das Unternehmen arbeitet eng zusammen mit dem Krisenstab der Regierung, um Lieferketten zu garantieren. Allerdings wird die Ankündigung von Arcelor Mittal (einem der größten Kunden von CFL-Multimodal), die Produktion einzustellen, auch Rückkopplungseffekt auf den Güterverkehr haben. Laut Chevalier plant das Unternehmen deshalb auf Kurzarbeit zurückzugreifen. Es sei allerdings noch zu früh, die Kosten der Krise abzuschätzen.

Pol Schock
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