Meist war ich froh, wenn der Frauentag endlich vorbei war. Dieses Hochamt des Feminismus, unvermeidbar wie Weihnachten. Frauenlaufen, Frauenfrühstücken, Frauenfreundinnenfrühstücken, Frauen die einander Rosen schenken und ihrer Kämpfe gedenken. Frau! Frau! Das Frauenfreuen und das Frauenleiden. Davon gibt es so viel, die weibliche Leidensgeschichte füllte endlose TV-Sendungen, das Leiden der arbeitenden Frauen und das der arbeitslosen Frauen, die es zwar gar nicht gibt, es gibt nur die unbezahlten Frauen, das Leiden der in den Kinderzimmern verschollenen Frauen und der auf der Karriereleiter hangelnden abgehängten Frauen. Das Leiden der zahllosen ermordeten Frauen, die dann gezählt werden, auch wenn sie vorher gar nicht besonders zählten und deren Ermordetwerden einen neuen appetitlichen Namen bekam, der nach Insektenvernichtungsmittel klingt. Und natürlich die gläserne Decke, jedes Jahr die gläserne Decke.
Die letzten Jahre wurde es noch herausfordernder mit dem Frauentag, weil die Frauen plötzlich nicht mehr so sicher waren, wer überhaupt eine solche ist, es gab unterschiedliche Definitionen und dann auch schon Positionen und Stellungskriege, die Biolog/innen und Genderwissenschaftler/innen zerbrachen sich die Köpfe, wer auf welches Klo durfte oder musste, und Alice Weidel schrie, dass sie die Genderprofessor/innen von den Unis verjagen würde. Genderwissenschaftler/innen, so tobt es in den rechten Fieberblasen, am besten gleich auf den Scheiterhaufen! Am besten gleich nach Palästina, am wutentbranntesten schnaubt es gegen die Jüdinnen unter ihnen.
Dann wird es auch wieder gut sein, denkt Fräulein, Frauentag wieder absolviert, die Frauen verdienen weiter weniger als die Männer, aber der nächste Frauentag kommt bestimmt und dann werden wir wieder ein bisschen auf die Pauke hauen und ein paar Umzüge veranstalten und uns Rosen schenken und uns gegenseitig toll finden. Die Männer werden uns auch toll finden, und sich selber deswegen noch viel mehr. Viele sind ja auch sehr bemüht und verstehen trotzdem die Welt nicht mehr und die Frau, das unbekannte Wesen trotz Nachhilfe noch immer nicht. Zum Beispiel weil sie auf den Frauentagsdemos nicht an vorderster Front marschieren dürfen. Ein Mann berichtet gar erschüttert von einer Frau mit einem großen Nasenring, die ihn von den Trans-Personen und Mitgliedern diskriminierter Minderheiten, unter die er sich gerade unbefangen mischen wollte, zu seinesgleichen verwies, den hundsgewöhnlichen Cis-Männern. Sie nannte mich Cis-Mann! klagt er.
Und dann merke ich, dass dieses Jahr alles anders ist. Haben die Frauen ihre Tage nicht in diesem März? Wo ist eigentlich das ihnen jährlich zugestandene Zeit- und Raum-Reservat, zu welch kläglichem Rest ist es 2025 geschrumpft? Wo die Klageweiber und die mit der Wut und dem Mut? Überall Männer, überall ragen Männer auf, hervorragende Männer, sie haben das Feld übernommen, Schlachtfeld, schreibe ich reflexmäßig. Es sind solche ohne Sternchen, die Wesen, die unsere Bildschirme derzeit besetzen, sind Großteils leicht zu definieren, die meisten schauen nicht aus, als würden sie sich täglich den Kopf zerbrechen, welchem Geschlecht sie sich gerade zuordnen. Sie haben eher was Eindeutiges. Manche tragen Uniformen. Es geht ja auch um so was Eindeutiges, Krieg, Krieg, Krieg, grollt es durch die Medienlandschaft, wir können gar nicht genug davon kriegen.
Fünf Verteidigungsminister treffen sich, gendern überflüssig. Europa ist wieder bemannt, die Jungs sind wieder unter sich, wo sind die jungen Frauen geblieben, die vor einigen Jahren in Europa so präsent waren? Meloni ist noch da und von der Leyen hält die Stellung und Kallas, ansonsten Riegen von Typen. Diese alten divers pigmentierten Männer haben die Welt fest im Würgegriff, sie balgen sich um die Beute, sie spielen das alte Spiel, es ist so 19. Jahrhundert, aber mit Atombomben. Alles scheint einfach und regressiv und repressiv, wie einfach wird wieder alles, der Gender-Blödsinn und der Klima-Blödsinn fliegen raus, der hinderliche Werteblödsinn fliegt raus und Joschka Fischer, der auch ein alter weißer Mann ist, schaut so unendlich traurig.