Die Parteien und ihre Parteien

Beamter, Süd., männl., 45 J., Lux., sucht Arbeit als Parlamentarier

d'Lëtzebuerger Land du 16.08.2013

Bis nächsten Mittwoch können Kandidatenlisten für die vorgezogenen Kammerwahlen vom 20. Oktober eingebracht werden. Am Donnerstag sollen dann die Listennummern verlost werden. Bisher haben neun Parteien vollständige Listen in allen Bezirken veröffentlicht.

Im Vergleich zu den vergangenen Wahlgängen bleibt der statistische Durchschnitt der bisher 540 gemeldeten Anwärter auf eines der 60 Abgeordnetenmandate weitgehend konstant, nur der Altersdurchschnitt ist dank Piratenpartei und Pid um zwei Jahre gesunken. Der ideelle Gesamtkandidat ist männlich, 45 Jahre alt, arbeitet im öffentlichen Dienst, vielleicht sogar im Unterrichts­wesen. Er wohnt im Südbezirk und ist selbstverständlich Luxemburger Staatsbürger. Im Gegensatz dazu ist die Landesbevölkerung, welche die Kandidaten am Krautmarkt vertreten sollen, leicht mehrheitlich weiblich, einige Jahre jünger und überwiegend in der Privatwirtschaft beschäftigt.

Recht konstant bleiben aber auch die Unterschiede zwischen den Kandidaten der verschiedenen Parteien. Denn unabhängig von den „Promi“-Kandidaten aus der Unterhaltungsbranche spiegeln sie die unterschiedliche Zusammensetzung der Wählerbasis und die programmatischen Unterschiede der Parteien wider.

ADR: Misstrauische Doppelspitzen

In ihrer Glanzzeit war die ADR eine Koalition von NGL-Arbeitern, FLB-Landwirten, kleinen Angestellten und Geschäftsleuten, die Renten wie im Staatsdienst wollten. Von dieser Glanzzeit ist nach der einen oder anderen Rentenreform nicht mehr viel übrig geblieben. Aber die Ursprünge der Rentenpartei spiegeln sich noch immer in ihren Kandidatenlisten wider – nicht nur beim Altersdurchschnitt der Kandidaten, der mit 49 Jahren höher als derjenige der meisten anderen Parteien ist. Ein Drittel der ADR-Kandidaten sind Selbstständige, ein weiteres Drittel Angestellte. Dafür arbeitet nur ein halbes Dutzend ADR-Kandidaten im einst verhassten öffentlichen Dienst, bei anderen Parteien sind es viermal so viele.

Ähnlich wie die Grünen hat die ADR in jedem Bezirk zwei Spitzenkandidaten. Die Ursache ist aber nicht das Bemühen um Geschlechterparität, denn unter den acht befindet sich nur eine Spitzenkandidatin, sondern eher Rivalitäten zwischen der populären Gründergeneration und einer mittelständischen Nachfolgegeneration. So ist im Südbezirk neben dem Abgeordneten Gast Gibéryen auch der kurzzeitige Parteipräsident Fernand Kartheiser, der vorübergehend dem hauptstädtischen Gemeinderat angehörte, Spitzenkandidat. Im Osten sind der ehemalige Parteipräsident Roby Mehlen und der amtierende Parteipräsident Jean Schoos Spitzenkandidaten; im Norden das aufstrebende Parteimitglied Robert Thill-Heusbourg und der langjährige Bezirksvorsitzende Jeff Engelen; im Zentrum Gemeinderätin Marceline Goergen und der kurzzeitige Generalsekretär Roy Reding. Im Südbezirk zählt die ADR auffälligerweise keinen einzigen Kandidaten, der vor vier Jahren auf der dissidenten Biergerlëscht des ehemaligen ADR-Abgeordneten Aly Jaerling war.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Parteien ist es der ADR als nationale Renten- und Protestpartei nie gelungen, sich eine kommunalpolitische Basis aufzubauen. Wie bei den vorigen Wahlgängen zählt die kleine konservative Partei mit 23 Kandidatinnen mehr Frauen auf ihren Listen als die angeblich aufgeschlosseneren CSV, LSAP und DP.

CSV: Eine Firma von Berufspolitikern
Durch den Rücktritt der Regierung und den Ruf der anderen Parteien nach Erneuerung geriet die CSV in die Defensive. Deshalb setzte sie auch bei der Aufstellung ihrer Listen auf Erfahrung und Beständigkeit. Fast die Hälfte der Kandidaten sind Berufspolitiker, gestandene Minister, hauptamtliche Abgeordnete und Députés-maires, die versichern sollen, dass sie die Geschicke des Landes professionell in die Hand nehmen und die Wähler für fünf Jahre unbesorgt schlafen können. Auch wenn dadurch ein Bild entsteht, das eigentlich vermieden werden sollte: dasjenige des sich selbst genügenden und reproduzierenden CSV-Staats.

Am Wahlabend werden selbstverständlich alle nach dem persönlichen Abschneiden von Spitzenkandidat Jean-Claude Juncker schauen. In den Meinungsumfragen hat ihm inzwischen der hauptstädtische DP-Bürgermeister Xavier Bettel den Rang des beliebtesten Politikers abgelaufen, und der Sturz über den Geheimdienstskandal trug wohl nicht zu seiner weiteren Beliebtheit bei.

Im Norden, wo die Aufstellung der Kandidatenliste nicht ganz konfliktfrei erfolgte, ist nun der delegierte Nachhaltigkeitsminister Marco Schank Spitzenkandidat, im Osten hat es Mittelstandsministerin Françoise Hetto-Gaasch geschafft, auf Kosten der weniger populären Kulturministerin Octavie Modert Spitzenkandidatin zu werden.

Einige Kandidaten, die noch 2009 viele persönliche Stimmen erhielten, fehlen diesmal: im Süden der Zweitgewählte, der ehemalige Justizminister François Biltgen; im Zentrum der Drittgewählte, der ehemalige Armeeminister und Fraktionssprecher Jean-Louis Schiltz, sowie die während der Legislaturperiode verstorbenen Abgeordneten Lucien Thiel und Mill Majerus; im Norden die Erstgewählte und langjährige Familienministerin Marie-Josée Jacobs sowie der ehemalige Fraktionssprecher ­Lucien Weiler, den nun Sohn Charles beerben soll; im Osten drei der fünf Erstgewählten, der langjährige Agrar­minister Fernand Boden sowie die Abgeordneten Marie-Josée Frank und Lucien Clement.
Zu den bekannteren Erstkandidaten zählen der Fernsehjournalist Frank Kuffer und der bis vor kurzem noch eine Kolumne im DP-nahen Journal unterhaltende ehemalige Luxemburger Wort-Chefredakteur Marc Glesener.

Mit Ach und Krach erreicht die CSV ihre Geschlechterquote, aber im Gegensatz zu LSAP und DP hat sie immerhin eine: Zwei Drittel der Kandidaten sind Männer. Der Altersdurchschnitt liegt, wie bei der LSAP und DP, bei 47 Jahren.

déi Lénk: Linke Studenten
Ähnlich wie bei der Kommunistischen Partei ist auch bei der Lénk die größte Berufsgruppe unter den Kandidaten diejenige der Erwerbslosen, sie machen fast ein Viertel aus. Während es aber bei der KPL vor allem Ruheständler sind, sind es bei der Lénk hauptsächlich Studenten. Fast ein Drittel der Kandidaten arbeitet im öffentlichen Dienst. Déi Lénk, die den alten DP-Slogan „Elo déi Blo“ in „Elo déi Lénk“ umgedichtet hat, kann nach dem Achtungserfolg bei den Gemeindewahlen vor zwei Jahren immerhin sieben Gemeinderäte aufstellen.

Mit einem Altersdurchschnitt von 44 Jahren sind die Kandidaten kaum jünger als diejenigen der meisten anderen Parteien. Déi Lénk, der bisher in Meinungsumfragen wenigstens ein zweites Abgeordnetenmandat in Aussicht gestellt wurde, verzichtet auf Spitzenkandidaten. Selbst ihr einziger Abgeordneter, Serge Urbany, rangiert als zweitletzter auf der Südliste. 29 Frauen machen fast die Geschlechterparität aus.

DP: Zögerlicher Publikumsliebling
Die DP ist traditionell die liberale Mittelstandspartei, und tatsächlich sind ein Drittel ihren Kandidaten Selbständige: Anwälte, Ärzte, Geschäftsleute... Ein weiteres Drittel der Kandidaten arbeitet im öffentlichen Dienst, sie vertreten die bei den vergangenen Wahlen heftig umworbenen Mittelschichten.

Wenn die DP die Wahlen gewinnen sollte, wäre es vielleicht nicht wegen, sondern trotz ihrer Kandidatenlisten. Auch wenn die Partei den laut Meinungsumfragen landesweit beliebtesten Politiker aufstellen konnte, den hauptstädtischen Bürgermeister Xavier Bettel. Allerdings sind die Partei und vielleicht auch die Wähler dadurch verunsichert, dass sie diesen Trumpf nicht richtig ausspielen kann, weil Bettel sich nicht zuzutrauen scheint, den nationalen Spitzenkandidaten abzugeben, und sich bisher ziert, gegebenenfalls Minister zu werden.

Doch den Erfolg der sich immer ideologiefeindlich gebenden Partei machte in der Vergangenheit die Kandidatur prominenter Notabeln aus. Diesmal tritt fast die Hälfte, 27 von 60, der DP-Kandidaten zum ersten Mal an. In der liberalen Hochburg Zentrumsbezirk fehlt der Viertgewählte, der nach den Gemeindewahlen etwas brutal abgesetzte hauptstädtische  Bürgermeister Paul Helminger. Im Osten fehlt der einzige liberale Abgeordnete, der ehemalige Gesundheitsminister Carlo Wagner, dem schon bei den vergangenen Wahlen der Erneuerungskurs der Partei missfiel.

Dafür gelang es der DP, den in der Öffentlichkeit noch immer sehr geschätzten Europaabgeordneten Charles Goerens als Spitzenkandidat im Norden zu reaktivieren, nachdem sie ihn schon zweimal unter demütigenden Umständen aus der nationalen Politik verabschiedet hatte. Doch Goerens stellte seine Bedingungen: Er kandidiert für das Parlament, will aber sein Mandat gar nicht annehmen, sondern höchstens Minister werden. Auf Nachfrage beteuerte Parteipräsident Xavier Bettel am Freitag aber, dass er und ­Goerens die einzigen der 60 DP-Kandidaten seien, die nur unter Vorbehalten kandidierten.

Zu den bekannteren Erstkandidaten zählen der Unternehmer und 5-vir-12-Aktivist Jacques Lanners, der Direktor der Automobilclubs, Daniel Tesch, die Fernsehjournalistin Joëlle Hengen, die Tänzerin ­Sylvia ­Camarda und die hauptstädtische Geschäftsfrau Corinne Cahen. Aus ihrer Leistungsideologie heraus lehnt die DP Geschlechterquoten ab, was dazu führt, dass sie mit drei Vierteln männlichen Kandidaten ziemlich rückständig aussieht. Der Altersdurchschnitt liegt, wie bei der CSV und LSAP, bei 47 Jahren.

Gréng: Vom Biobauer bis 5 vir 12
Hält man sich an die deutlich überstrapazierte Theorie vom „Postmaterialismus“, dann setzen die Grünen sich für die Lebensqualität von Mittelschichtwählern ein, die materiellen Sorgen um den Arbeitsplatz und die Kaufkraft weitgehend enthoben sind. Das trifft auch für viele grüne Kandidaten zu, denn die Hälfte von ihnen arbeitet im öffentlichen Dienst, viele traditionell in sozialen und erzieherischen Berufen.

Wie andere etablierte Parteien bedienen diesmal auch die Grünen die liberalen Unternehmerlobbys: Im Norden musste die Hausfrau Marthy Thull als einzige Spitzenkandidatin von 2009 ihren Platz räumen, um ihn der bei 5 vir 12 engagierten Unternehmerin Christiane Wickler zu überlassen. In dem Ökologie nicht gerade zu seinen Prioritäten zählenden Verein 5 vir 12 militiert auch die im Zentrum kandidierende Architektin Françoise Folmer und hilft so, die Grünen für eher der DP nahe Mittelständler attraktiv zu machen und ihnen für den Fall einer Regierungsbeteiligung liberale Wirtschaftskompetenz zu bescheinigen.

Die Kandidatenlisten der Grünen spiegeln die nunmehr zur Regel gewordene Politik der Partei wider, Nationalpolitiker geduldig über die Kommunalpolitik aufzubauen. Deshalb fehlt es auch an den bei anderen Parteien beliebten Neuzugängen aus der Unterhaltungsbranche. Der Versuch, einen RTL-Journalisten aufzustellen, hatte sich schon 2009 im Zentrum als Flop erwiesen.

Um der Geschlechterparität Rechnung zu tragen, haben die Grünen zwei Spitzenkandidaten pro Bezirk; allerdings rangieren die Frauen immer hinter den männlichen Spitzenkandidaten auf den Listen. Die Grünen haben sich zudem eine strenge Quotenregelung gegeben, so dass die Hälfte ihrer Kandidaten Frauen sind. Mit 46 Jahren sind die Kandidaten der ehemaligen Jugendpartei inzwischen nur ein Jahr jünger als diejenigen von CSV, LSAP und DP.

KPL: Kommunisten in Rente
Der nach eigener Darstellung, wenn schon nicht mehr revolutionäre, so doch kämpferischste Teil der organisierten Luxemburger Arbeiterklasse ist müde geworden: Fast die Hälfte der Kandidaten der Kommunistischen Partei Luxemburgs ist im Ruhestand oder sonstwie erwerbslos. Daneben arbeitet aber auch ein Viertel im öffentlichen Dienst, ein weiteres in der Privatwirtschaft. Mit 50 Jahren haben die kommunistischen Kandidaten den höchsten Altersdurchschnitt aller Parteien, knapp vor der ehemaligen Rentenpartei ADR. Doch immerhin verfügt die wiederholt totgesagte Partei auch über Nachwuchs: Ein Viertel der Kandidaten ist unter 35 Jahren.

Vor zehn Jahren hat die traditionsreiche, aber in Splendid Isolation in den Wahlkampf ziehende Partei ihren letzten Parlamentssitz verloren. Immerhin hat sie wieder in allen Bezirken vollständige Listen aufstellen können, auch wenn die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen dem einen oder anderen Kandidaten nicht zu leugnen sind. Aber außerhalb des industriellen Südbezirks sind es ohnehin bloß Zählkandidaten, und selbst dort bescheinigten die Meinungsumfragen der KPL bisher lediglich die Hälfte der Stimmen, die nötig sind, um ein Mandat zu erlangen.

In Erinnerung an den Demokratischen Zentralismus hat die KPL nur einen Spitzenkandidaten landesweit, ihren Vorsitzenden Ali Ruckert. Mit 19 Frauen hat sie etwa den gleichen Frauenanteil wie die CSV.

LSAP: Der Mann für den Neuanfang
Ihren Kandidaten nach zu urteilen, ist aus der ehemaligen sozialistischen Arbeiterpartei inzwischen eine Partei von im öffentlichen Dienst beschäftigten Kommunalpolitikern geworden. Immerhin sind noch ein Viertel der Kandidaten Angestellte, doch den traditionellen Bezug zur Arbeiterklasse stellen nach der Einführung des Einheitsstatuts einige hauptamtliche Gewerkschaftssekretäre auf den LSAP-Listen her.

Bemerkenswert ist vor allem, wie es der oft als zögerlich geltenden Partei gelang, die Flucht nach vorn zu ergreifen und die Koalition mit der CSV zu sprengen, um mit Etienne Schneider einen Spitzenkandidaten aus dem Hut zu zaubern, der mit seinem „Neiufank fir Lëtzebuerg“ vor allem einen Neuanfang für die LSAP versuchen muss. Ob es dem liberalen bisherigen Wirtschaftsminister gelingen wird, die sozial bewegte Wählerbasis im wichtigen Südbezirk von seinen lauteren Absichten zu überzeugen, muss sich noch zeigen. Die Erneuerung durch einen liberalen Wirtschaftsminister aus dem Zentrumsbezirk war schon einmal 1999 mit Robert Goebbels als Spitzenkandidat der „LS@P“ misslungen.

Der Kraft seines Amtes „natürliche“ Spitzenkandidat, der bisherige Außenminister Jean Asselborn, bleibt Spitzenkandidat im Süden, wo der ins Zentrum umgezogene Fraktionssprecher Lucien Lux sowie die ehemaligen Abgeordneten Lydie Err und Vera Spautz nicht mehr antreten. Im Zentrum muss die Partei ohne ihre vier Bestgewählten von 2009 auskommen: den ehemaligen Wirtschaftsminister Jeannot Krecké, die bisherige Erziehungsministerin Mady Delvaux-Stehres, den Abgeordneten Ben Fayot, den nun Sohn Franz beerben soll, sowie den Abgeordneten und Steinseler Bürgermeister Jean-Pierre Klein. Im Norden fehlt der Zweitgewählte, der Ettelbrücker Schöffe Claude Halsdorf.
Zu den bekannteren der Erstkandidaten zählen der bei der Unternehmerlobby 5 vir 12 engagierte Jean-Claude Bintz und die Fernsehjournalistin Francine Closener.
Bisher konnte eine Mehrheit wohl um ihre Listenplätze bangender Männer in der LSAP eine Geschlechterquote verhindern. Das Ergebnis ist, dass die Partei sich gerne fortschrittlicher als andere gibt, aber weiterhin drei Viertel der Kandidaten Männer sind. Mit 47 Jahren ist der Altersdurchschnitt der gleiche wie bei CSV und DP.

Pid: Holistischer Wahlverein
Mehr noch als die Piratenpartei ist die Partei fir integral Demokratie das Ufo der nächsten Wahlen. Der aus der ADR ausgetretene Abgeordnete Jean Colombera hatte seinen holistischen Wahlverein hastig vor zwei Monaten gegründet, nachdem er sich wahlweise als Kommunist und Grüner ausgab, ohne aber von einer anderen Partei aufgenommen zu werden. Dafür stellte er vollständige Kandidatenlisten in allen Bezirken vor. Das scheint jedoch nicht so einfach gewesen zu sein, da in einzelnen Bezirken Kandidaten aus anderen Landesteilen importiert werden mussten. Dafür fehlen aber auf der Süd-Liste die verschiedentlich erwarteten Veteranen von Aly Jaerlings Biergerlëscht. Der ebenfalls aus der ADR ausgetretene Abgeordnete Jacques-Yves Henckes hat es abgelehnt, die Zentrumsliste der Pid anzuführen.

Ein Drittel der Kandidaten sind Erwerbslose, Rentner, Hausfrauen, Studenten, ein weiteres Drittel Angestellte. Spitzenkandidat im Süden ist der Düdelinger Versicherungsagent Germain Delagardelle, im Zentrum der CRP-Santé-Verwalter Alphonse Conrardy, im Osten der Remicher Immobilienhändler Daniel Frères und im Norden selbstverständlich Jean Colombera selbst. Mit 42 Jahren sind die Kandidaten drei Jahre jünger als der Durchschnitt.

Piratenpartei: Die Informatikerpartei
Dass es der erst im Oktober 2009 gegründeten Piratenpartei gelungen ist, zu den kurzfristig vorgezogenen Wahlen vollständige Listen in allen Bezirken zu präsentieren, ist eine Leistung an sich. Sie zeigt, dass es ein wohl vor allem vom vorübergehenden Erfolg der Piratenpartei in Deutschland beeinflusstes Umfeld von Sympathisanten hierzulande gibt.
Die Listen der Piratenpartei sind auch Programm: Ein Viertel der Kandidaten sind Informatiker, ein Drittel Schüler und Studenten. Fünf Sechstel der Kandidaten sind Männer, der Altersdurchschnitt liegt ein Dutzend Jahre unter demjenigen der anderen Parteien. Der Piratenkandidat ist seine eigene Karikatur, diejenige des nächtelang vor seinem Bildschirm hockenden jungen Mannes, der das Internet für die Welt hält.

Wenn eine neue Partei Listen aufstellt, kann sie nicht allzu wählerisch sein. So hat Libor Chmelik auf Aly Jaerlings Biergerlëscht kandidiert, ­Camille Liesch bei der Gréng-Alternativ Lëscht, Andy Maar kommt von der ADR, und Georges Dessouroux nahm 1987 mit einer nationalistischen Lëscht fir de Lëtzebuerger an den Gemeindewahlen teil. Nachdem Dessouroux’ Vergangenheit ruchbar wurde, distanzierte sich die Piratenpartei von ihm. Es zeugt aber von ihrem hemmungslosen Synkretismus, dass sich auch sehr rechte Leute mit ihr identifizieren können.

Romain Hilgert
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