Theater

Das Kasemattentheater spielt süßer den Tod

d'Lëtzebuerger Land vom 02.10.2015

Die Pest, das Mittelalter, ja sogar Ingmar Bergman, alles Erinnerungen an eine ferne und, wie es scheint, längst vergangene Zeit. Aber haben nicht vor wenigen Wochen Wissenschaftler Viren entdeckt, die seit Millionen Jahren im Polareis „überwintern“ und jetzt, mit der Klimaerwärmung, zu einem gefährlichen Wiedererwachen gelangt sind? Hatte der junge Regisseur Thierry Mousset diese Hiobsbotschaft vor Augen oder dachte er an das mexikanische Fest des Dia de Muertos, als er Bergmans Einakter Trämalning, den genannten Viren gleich, zu neuem Leben erweckte? Oder dachte er gar an das Melodrama, das das Kasemattentheater eben jetzt heimsucht und das das Team fast so zerrissen hätte wie es Strindberg in seinem Ehedrama Totentanz darstellte?

Der Tod ist ein Meister, nicht nur aus Deutschland, und bei Bergman ist er sogar ein Großmeister, ein Großmeister im Schach, der seine Opfer trotz vermessener Gegenwehr Schachmatt setzt, und „er befiehlt uns spielt auf nun zum Tanz“. Und so vermischten sich in dieser ersten Saisonaufführung des Kasemattentheaters Mittelalter, Barock und Gegenwart zu einem Spiel, das zwischen Lust- und Trauerspiel hin- und hertanzte. Und wenn manche Kritiker der Truppe auch vorwarfen, sich nicht zwischen diesen beiden Polen zu entscheiden, so sehen wir in genau diesem Hin und Her zwischen Komik und Tragik die gelungene Inszenierung der menschlichen Ambivalenz gegenüber dem Tod.

Ein Ritter und sein Knappe, eine Frau aus dem Volke, eine Hexe, ein Schauspieler, sie alle und noch einige mehr flüchten vor dem Tod, dem sie als einzige Waffen ihren Galgenhumor und ihren Trotz entgegenhalten. Sie verbünden sich, sie bekämpfen sich, sie lieben sich, sie fürchten sich, sie begegnen sich und sie meiden sich auf der immerwährenden Flucht vor dem Gesellen mit der Sense, der doch immer das letzte Wort behält – und dessen bester Verbündeter der Mensch selbst ist, der die Hexen, also die Frauen, also das Leben, auf dem Scheiterhaufen verbrennt. Wir werden noch lange das großartige Bild dieses Holocaust vor Augen haben, wo „dein flammendes goldenes Haar Margarete (…) dein aschenes Haar Sulamith“ wurde.

Drei Generationen von Schauspielern standen auf der Bühne, um mit dem Tod das Tanzbein zu schwingen. Die souveräne Erfahrung der Älteren walzte mit der Frische der Jüngeren und der Jüngsten und bescherte uns einen Abend, an dem wir uns nicht zu Tode langweilten, sondern gierig diese „schwarze Milch“ tranken.

Totentänze wird noch heute Abend, Freitag den 2., sowie am 3. 6. und 8. Oktober im Kasemattentheater gespielt; www.kasemattentheater.lu.
Paul Rauchs
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