Gottesfürchtige Magistratur

Auf dem Gottesacker

d'Lëtzebuerger Land vom 20.07.2012

Heute loben wir die gottesfürchtige Magistratur. Es ist ganz einfach unerhört, was irgend eine obskure Instanz mit unseren obersten Gesetzeshütern angestellt hat. Die dritte Gewalt im Staat sollte beim Te Deum, dieser monotheistischen Happy-few-Belustigung am Nationalfeiertag, aus dem strahlenden Mittelpunkt an die finstere Peripherie des Gotteshauses versetzt werden. Wie kann man nur so respektlos mit unseren besten Richtern umspringen? Wenn wir recht verstanden haben, wurden die hohen Herrschaften aufgefordert, sich hinter einer Säule im Seitenschiff zusammenzurotten, ohne Blickkontakt mit dem Comedian Sushimaki, ohne die geringste Sicht auf unsere frömmelnde Monarchie, und vor allem ohne direkten Draht zum Heiligen Geist. Das ist ein waschechter Skandal.

Unsere Justiz ist nicht nur organisch und substanziell auf den Heiligen Geist angewiesen, sie hat sich längst auch topografisch zur Himmelsmacht bekannt. Wie konnte es dem Te-Deum-Protokollchef entgehen, dass unsere hervorragenden Rechtsverteidiger seit Jahr und Tag auf dem Heilig-Geist-Plateau agieren? Wer so überdeutlich seine weltanschauliche Präferenz im Grundriss der Stadt verankert, der hat auch im erzbischöflichen Heilig-Geist-Häusle namens Kathedrale einen Logenplatz verdient. Wieso wird versucht, die Magistratur vom Heiligen Geist fernzuhalten? Warum soll hier urplötzlich eine innige Beziehung gekappt werden? Auf dem Schoß des Heiligen Geistes sollten die Magistraten sitzen, das wäre ihrem Amt und ihrer Würde angemessen.

Natürlich ist dieser Vorschlag leicht anrüchig, das ist uns nicht entgangen. Das Wort „Schoß“  sollte man in Kirchenkreisen am besten gar nicht mehr erwähnen. Sonst sind bald wieder Opferentschädigungen fällig. Wir möchten ja nicht dazu beitragen, das überaus magere Kirchenbudget über Gebühr zu belasten. Die Kirchenfabriken hierzulande, vor allem jene aus Stadtgrund, kämpfen ja offenbar gegen die völlige Auszehrung. Obwohl diese Fabrikanten, die streng genommen überhaupt nichts
fabrizieren, munter Grundstücke verkaufen, um ihre chronisch leeren Kassen mit ein paar Milliönchen notdürftig zu tapezieren, kommen sie einfach nicht über die Runden und müssen leider immer wieder die gottlosen Steuerzahler anzapfen.

Zu ihren Grundstücken kommen die Kirchenfabriken vermutlich wie die Jungfrau zum Kind. Der Staat darf seine Nase ja nicht in diese Gesellschaften mit Ku-Klux-Clan-Verfassung hineinstecken. Das wäre eine unerlaubte Einmischung in die Religionsfreiheit. Wir haben uns mit eigenen Augen überzeugt: in der Kirche von Stadtgrund stehen unglaublich zahlreiche Kerzenleuchter, wir haben es hier wohl mit einem weltweit einmaligen Kerzenleuchter­panoptikum zu tun, da nimmt es nicht wunder, dass die schlappen Milliönchen dahin schmelzen wie Schnee unter der Sonne. Die Kirche braucht also noch viel mehr Grundstücke. Verraten wir schon mal ihren ureigenen Immobilientrick. Im Kirchenlatein heißt die Strategie offiziell „Schenkungen, Stiftungen, Opfergaben, Ablassgelder, Oblationen“. Wir müssen jetzt gleich übersetzen, für sprachlich weniger versierte Laien: Wenn du auf dem Sterbebett liegst, lieber Christ, machen wir dir mächtig Dampf. Wir drohen dir ein bisschen mit den ewigen Höllenqualen, und schon lässt du ein paar Grundstücke springen, du feiger Sack. Es ist natürlich ein gottgewollter Glücksfall, wenn solche Grundstücke ausgerechnet auf dem Ban de Gasperich liegen.

Verlieren wir unsere gepeinigte Magistratur nicht aus den Augen. Es fällt doch auf, dass die Gerechtigkeitskoryphäen mit ihren Verkleidungskünsten mindestens dem pfäffischen Fastnachtsrummel ebenbürtig sind. Mit ihren koketten Roben könnten die Richter auf jedem Feuerwehrball den ersten Preis gewinnen. Das kann man vom Erzbischof nicht unbedingt behaupten. Zuviel barocker Schwulst, zu wenig Stil in der kitschigen Garderobe. Wenn also die Richter schon mit ihrer Kostümierung dem Heiligen Geist weit stärker imponieren als das eigentliche Gottespersonal, wo könnte dann der Grund liegen, sie beim Te Deum von der schönen Zweisamkeit mit der Himmelsmacht fernzuhalten?

Gewiss, wir kennen Querulanten, die ganz ungeniert fragen, wieso der Staat sich überhaupt noch pompös mit dem Kinderschänderverein namens katholische Kirche zeigt? Wäre hier nicht ein wenig demonstrative Enthaltsamkeit angesagt? Oder soll unser Nationalfeiertag endgültig nur mehr eine Reverenz an den himmlischen Zuhälter sein? Von solch heimtückischen Fragen distanzieren wir uns selbstverständlich mit aller Entschiedenheit. Denn unser Streitpunkt ist ein ganz anderer. Es geht nur darum, wie in Zukunft die Platzierung der Nomenklatura gegenüber dem Heiligen Geist geregelt wird. Sonst droht uns noch so mancher Boykott aus elend falschen Gründen.

Vielleicht wurde die Magistratur auch nur ins Abseits verbannt, weil der Heilige Geist in der Bommeleeër-Affäre der wichtigste Informant ist. Diesen Geist muss man dringend taktisch isolieren. Er weiß zuviel. Er sollte christlich schweigen.

Guy Rewenig
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