Landesplanung 2011

Terrainspolitik

d'Lëtzebuerger Land vom 29.07.2011

Heute wird der Regierungsrat Leudelingen zu einer IVL-Gemeinde erklären. IVL-Gemeinden sollen über einen Pacte logement mit dem Staat bevorzugt an Bevölkerung zulegen. Dafür erhalten sie pro Kopf der Neubürger wesentlich höhere Staatszuschüsse als solche Gemeinden, die zwar gleichfalls einen Pakt auf Wachstum mit dem Staat abgeschlossen haben, aber keine IVL-Gemeinden sind.

Das Leudelinger Beispiel ist bemerkenswert, weil hiermit der IVL-Status erstmals nachträglich verliehen wird. Das ist vielleicht ganz gut so: Die kleine Gemeinde im Speckgürtel der Hauptstadt verfügt über viele noch nutzbare Gewerbeflächen. Die Ansiedlung von Unternehmen geht voran. Da könnte es sinnvoll sein, wenn auch viel neuer Wohnraum entstünde: Die Mitarbeiter der Betriebe könnten vor Ort ihren Wohnsitz nehmen, und kurze Wege zum Arbeitsplatz würden Wirklichkeit.

Die Frage ist allerdings, ob das so funktionieren wird. Schon deshalb, weil Wohnen in Leudelingen ähnlich teuer ist wie in den anderen Gemeinden am Südwestrand der Hauptstadt und in der Hauptstadt selbst. Das Gros der in Leudelingen Arbeitenden könnte auch weiterhin aus Pendlern bestehen, und wer zuzieht, arbeitet sonstwo in der Agglomeration Luxemburg-Stadt plus Umland.

Es stellt sich aber noch eine prinzipielle Frage: Verfügt die Regierung wirklich über einen Plan, wie mit dem Raum umzugehen wäre, der ziemlich knapp ist im kleinen Land? Denn eigentlich sollte man an der Sinnhaftigkeit eines Beschlusses über eine IVL-Gemeinde gar keine Zweifel hegen müssen. Das Integrierte Verkehrs- und Landesentwicklungskonzept, das die damalige CSV-DP-Regierung bis 2004 ausarbeiten ließ und auf das der Begriff IVL-Gemeinde sich bezieht, beschrieb recht deutlich, wo am besten Wohnorte und Arbeitsplätze ausgebaut und Verkehrswege verstärkt werden sollten, damit sich selbst in einem 700 000-Einwohnerstaat Staus möglichst vermeiden und Naturräume so gut es geht erhalten lassen würden.

Doch schon in der nächsten Legislaturperiode galt das IVL-Konzept nicht mehr viel. Der damalige Ressortminister Jean-Marie Halsdorf (CSV) ließ wissen, nicht nur sei ganz Luxemburg stärker gewachsen, als die IVL-Autoren sich vorstellten. Überdies hätten sie die grenznahen Nachbarregionen mitzubetrachten versäumt. Deshalb sollte das IVL ganz neu geschrieben werden. Das schien plausibel. Schon angesichts wachsender Grenzpendlerzahlen und da immer mehr Luxemburger vor den hohen Baulandpreisen daheim ins nahe Ausland Reißaus nahmen. Unterdessen hatte am Forschungsinstitut Ceps/Instead ein ganzes Wissenschaftler-Team begonnen, Luxemburg als grenzübergreifende Metropole mit 900 000 Einwohnern und Luxemburg-Stadt als Kern zu untersuchen.

Eine weitere Legislaturperiode später liegt nicht nur kein neues IVL-Konzept vor und Betrachtungen zur Metropole erscheinen weiterhin nur in Wissenschaftsjournalen. Vonseiten der aktuellen Regierung wird Landesplanung als etwas beschrieben, das man derzeit leider nicht machen könne, da der Staatsrat noch immer kein Gutachten zur Reform des Landesplanungsgesetzes abgegeben hat. Doch gleichzeitig wächst die Liste der Projekte, die die Regierung im Namen des Masterplaners Staat für Promoteure „an d’Rei mécht“, obwohl sie gegen bisherige landesplanerische Prinzipien verstoßen. So lange das so ist, kann man nicht nur an Beschlüssen zu IVL-Gemeinden Zweifel hegen, sondern feststellen, dass die Regierung keinen Plan zum Umgang mit dem knappen Raum hat und eine rein opportunistische Terrainspolitik betreibt.

Peter Feist
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