Script-Reform

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d'Lëtzebuerger Land du 20.03.2008

Man dürfte meinen, Unterrichtsministerin Mady Delvaux-Stehres(LSAP) und ihre Beamten hätten mit den Reformen Grundschulgesetz, Sprachenaktionsplan und Berufsausbildung alle Hände voll zu tun. Das verhindert offenbar nicht, einige Verbesserungen im eigenen Haus vorzunehmen. Damit sind nicht die Umbauarbeiten gemeint, die seit gut zwei Jahren die Kulisse in der Rue Aldringen prägen, sondern die geplante Umstrukturierung des Script.

Der Abkürzung steht für Service de Coordination de la recherche et de l’innovation pédagogique et technologiques. Als der Dienst im Jahr 1993 unter Leitung des damaligen Direktors Dominique Portante (heute Uni Luxemburg) entstand, kümmerte er sich, neben Arbeiten im Bereich der Datenerfassung und der Forschung, vor allem um die Lehrerweiterbildung. Einem breiteren nicht-schulischen Publikum wurde der Script erst durch seinen Einsatz bei Pisa bekannt: Luxemburgs erste Teilnahme an der OECD-Bildungsstudie im Jahr 2000 wurde vom jetzigen Direktor Michel Lanners unter großen Mühen und mit wenig Personal in Angriff genommen. Bis Pisa 2003 hatte sich das Team aus Statistikern, Psychologen und Lehrern so weit in die Materie eingefuchst, dass die luxemburgische Beteiligung an der  internationalen Studie heute als einer der größten Erfolge des Dienstes gewertet werden kann. Inzwischen hat Lanners den inoffiziellen Titel des Mr. Pisa an denBildungsforscher derUniLuxemburg, Romain Martin und sein Team abgetreten, um „mehr Unabhängigkeit zu gewährleisten“, wie er selbst sagt.

Die Arbeit geht dem Script gleichwohl nicht aus. Die Aufgaben sind so umfangreich geworden, dass der Dienst jetzt neu strukturiert werden soll. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hat der Regierungsrat vor rund einem Monat gutgeheißen, nun liegt er der Abgeordnetenkammer zur Prüfung vor. Demzufolge wäre der Script für drei Aufgabenfelder zuständig, für die er in drei Unterabteilungen gegliedert würde: die pädagogische Innovation, die Qualitätskontrolle an den Schulen und die Lehrer-Weiterbildung. Eine „cellule de compétence pour l’innovation pédagogique“ soll sich um die Umsetzung von Schulreformen kümmern und kann dafür Machbarkeitsstudien oder ähnliches in Auftrag geben. Auch Pilotprojekte würden unter ihrer Ägide betreut. Das gab es auch schon in der Vergangenheit, der Script übernahm zum Beispieldie Décharges von Proci-Helfern. 

Wirklich neu ist dagegen die Qualitätsagentur, die Luxemburgs Schulen bei der Evaluation helfen soll. Das Schulevaluationsverfahren Protocole d’action qualité scolaire (Paqs), an dem sämtliche Sekundarschulen des Landes teilnehmen, läuft seit Herbst 2005 und sieht einen jährlichen, auf die Einzelschule zugeschnittenen Qualitätsbericht vor. Dieser spiegeltdie Position der jeweiligen Schule zu einem nationalen Durchschnitt wider und soll ihr erlauben, einen eigenen Entwicklungsplan aufzustellen.

In diesem Kontext sollen auch die Projets d’établissements der Schulen besser konzeptualisiert und ausgewertet werden. Weil aber  insbesondere die Schuldirektionen darauf gehalten hatten, dass die Evaluation von unabhängigen Experten außerhalb von Schule und Ministerium gemacht werden sollen, wird in Zukunft die Uni Luxemburg für die Messungen zuständig sein. Dem Script obläge dann die Kommunikation der Ergebnisse und Schlussfolgerungen an die Schulen, eine Arbeitsteilung, die auch schon bei Pisa 2006 zum Tragen kam.

Damit wären, zumindest formal, wichtige Gleise für die Umstellung von einer Input- zu einer Output-orientierten Schulsteuerung gestellt, mit einer Einschränkung: Laut Exposé des motifs bleiben die Lehrer von der Bewertung ausgenommen.

Verbesserte Strukturen helfen aber wenig, wenn nicht genügend Personal vorhanden ist und es an der nötigen Expertise mangelt. Derzeit sind für die Agentur fünf, für die pädagogische Innovation drei und für die Weiterbildung ebenfalls drei Mitarbeiter vorgesehen. Zu wenig, wenn man bedenkt, dass mit dem 1912-er-Gesetz die externe Evaluation auf die Primärschulen ausgedehnt werden soll – und Messung allein ja noch keinen besseren Unterricht oder bessere Schulen bringt. Darüber hinaus stellt sich die Frage, wer dort die Verbindung zwischen Ministerium respektive Script gewährleisten soll. In den Sekundarschulen sollen schulinterne Koordinatoren die Kommunikation mit dem Ministerium sicherstellen. Weil die Ministerin Mady Delvaux-Stehres anders als ihr Koalitionspartner in den Primärschulen keine Direktionen einführen will, wird dort den Inspektoren eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung und Kontrolle der Schulentwicklungsansätze zukommen. Wie diese genau aussieht, ist aber noch unklar. 

Geradezu als Durchbruch gewertet werden muss eine andere Neuerung – vorausgesetzt, sie geht wegen der Einflussnahme unterschiedlicher pressure groups auf dem Instanzenweg nicht verloren: Der Text erlaubt dem Script neben Beamte auch Angestellte als Mitarbeiter einzustellen. Schon jetzt hat ein Teil der dort Beschäftigten nicht den klassischen Weg über Schule und Lehrerlaufbahn ins Ministerium genommen. Es sind Psychologen, Statistiker, Inspektoren und Lehrer. Script-Direktor Lanners selbst hat Sportwissenschaften studiert und eine Management-Weiterbildung absolviert. Allmählich gelangt so mehr Fachwissen von außerhalb der Schulen ins Ministerium – eine wichtige Ergänzung zu den vielen Lehrern und eine Voraussetzung dafür, den in Luxemburg vergleichsweise großen Einfluss von bildungswissenschaftlich und didaktisch oftmals eher unbeleckten Praktikern auf die Schulpolitik zurückzudrängen.

Wie ernst es dem Ministerium damit ist, die eigene Arbeit zu professionalisieren und zu reflektieren, zeigt sich auch an der Neufassung der ursprünglich im 1993-er-Gesetz vorgesehenen, aber nie eingesetzten Commission d’innovation et de recherche en éducation: An ihre Stelle soll künftig ein Wissenschaftsrat aus fünf Mitgliedern treten, „connus pour leur compétence dans un des domaines des missions du Script“ (zwei von ihnen wählt die Uni Luxemburg, drei das Ministerium). „Das können inländische ebenso wie ausländische Experten sein“, präzisiert Michel Lanners. Die Fachleute sollen dem Ministerium beratend zur Seite stehen, sie prüfen die programmatische Ausrichtung und Arbeit des Script und wären darüber hinaus befugt, aus Eigeninitiative Empfehlungen zu geben.

Bei so viel Öffnung nach außen darf man gespannt sein, was insbesondere die Berufskammern und die Lehrer-Gewerkschaften zu dem Vorhaben sagen werden. Ihre Stellungnahmen werden ein weiterer Gradmesser dafür sein, inwieweit pädagogisch und empirisch fundierte Reformen sowie Expertise von „außen“ wirklich erwünscht sind. 

Ines Kurschat
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