Der Name wie der Mann

Frank, Walter, Stein, Meier

d'Lëtzebuerger Land vom 17.02.2017

Wahrscheinlich der richtige Name in so bewegten Zeiten. Die Fabrikarbeiterinmutter rief über die Gasse mit den spielenden Kindern nach dem Söhnchen, bevor der Ruf verhallt, war die Suppe kalt, die Mutter alt. Die Mitschüler freuten sich, wenn Stein, Meier, Frank, Walter dran kam, schon war die halbe Unterrichtsstunde vorbei. Sämtliche Katastrophen und Weltkriege nicht ausgebrochen, bevor der Name ausgesprochen. Alles rund herum tief im Dornröschenschlaf, außer vielleicht Donald und Kim, die sind so leicht genervt.

Frank Stein wäre zwar ein guter Name für einen Stararchitekten oder einen Direktor in einem Museum für zeitgenössische Kunst. Für einen Mann, der die nächsten Jahre damit verbringt, Abituraufsätze vorzutragen, eindeutig zu cool. Walter Meier wäre okay für einen Kleiner-Mann-Roman der Dreißigerjahre, aber das gewisse Etwas fehlt eindeutig. Geradezu marketingtechnisch genial die von den Elternteilen ausgeheckte Kombi, das Traditionelle mit dem Schüsschen von Verwegenheit!

Vor allem der Sound: behäbig, beruhigend, besonnen, der Name ein Anti-Aggressionsprogramm. Ein Narkotikum, eher ein Schlummertrunk. Zugleich ein Anti-Kummertrunk, keineswegs depressiv, mit so viel a und ei, lauter positive Signale. Ohne unnötige Ups and Downs, man bleibt auf dem Boden, freundliche Siedlungen, gut beschilderte Straßen. Wer möchte nicht jemand heiraten mit so einem Eigenheimnamen? Eigenheim ohne Schickimicki, versteht sich.

Frank, Walter, Stein, Meier. Der Name wie der Mann. Statisch, stabil, in Stein gemeißelt. Ein Steinbock im Horoskop, wen wundert es? Aber nicht grabsteinern, keineswegs. Ein Klotz in der Brandung. Ist auch wichtig, vor allem, wenn er Deutschland einen Anker der Hoffnung nennt – nicht alle wollen so ein Anker sein. Er ist auf das tolle Wort Mut gekommen, dafür wird er sehr gelobt, dieses Wort wird ein Renner, vor allem auch weil es sich mit einem anderen Wort reimt, das derzeit in aller Munde ist und eine negative Emotion ausdrückt.

Und dann der Kitt in der Gesellschaft, den er anspricht, das klingt pragmatisch, lasst uns anpacken! Er ist ja auch ein Tischlersohn. Zwar hat er Abitur, sogar einen Doktor, aber das wird ihm vom Volk wohl nachgesehen. Seine Mutter war eine heimatvertriebene Fabrikarbeiterin. Seine Frau ist eine Tischlertochter. Und wenn er nachts von einer Auslandsreise kommt, baut er Ikea-Regale für die Tochter. Das sagt seine Frau, um die ewige langweilige Anspielung zu entkräften, sie habe einen Langweiler an ihrer Seite. So what, was gibt es Besseres, Langeweile dauert wenigstens lange, wen wünscht man sich in diesen Zeiten an seiner Seite, an der Spitze eines Staates? Einen hyperaktiven Hooligan oder doch eher einen Meister der Entschleunigung? Es wird ihm sogar zugejubelt, anscheinend fliegen ihm Herzen zu.

Das Tollste an ihm ist, er kann reden, ohne den Mund zu öffnen. Ohne ihn auch nur zu bemühen. Ein Mund wie ein Sparschlitz, ins wuchtige Antlitz gemeißelt, nur sparsam dosiert und äußerst reflektiert dringen Äußerungen an die Außenwelt. Er ist kein Dampfplauderer, keine Plaudertasche, kein Preacher Man. Aber doch gut in Besinnungsaufsätzen, darauf kommt es bei deutschen Bundespräsidenten schließlich an. Für das Salbungsvolle wäre dann Martin Schmalz zuständig, für Pathos, Empathie, die große Geste gegenüber dem kleinen Mann, den es trotz vieler Jahre Sozialdemokratie noch gibt. Von Frauen und Kindern ganz zu schweigen. So mini, dass sie viele Jahre übersehen wurden.

Zu zweit wären sie dann also das Dream Team, der trockene Frank Walter und Martin Schweiß, Schmalz und Tränen. Das Frank-Walter-Mutti-Gespann würde hingegen vielleicht etwas leidenschaftslos rüberkommen. Andererseits, sie müssen ja nicht zusammen Tango tanzen. Und welches deutsche Volk will schon einen Latin Lover als Bundespräsidenten?

Nichts überstürzen und nicht zu scharf würzen! Wohltuende Entschleunigung breitet sich aus, ein soziales Sedativ, Wellness für alle. Aber trotzdem hoch seriös, mit Akten und einer Parole, die die meisten gut finden. Also, im Moment.

Michèle Thoma
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