Vorratsdatenspeicherung

Die wahren Piraten

d'Lëtzebuerger Land du 10.10.2014

Als der Justizminister vor zwei Wochen die weitere Vorgehensweise seiner Regierung bei der Vorratsdatenspeicherung erläuterte, gab es keine Überraschung. Dass sie das Urteil des Europäischen Gerichtshofs begrüßt, der die enstprechende EU-Richtlinie wegen Unverhältnismäßigkeit kippte, hatte Felix Braz bereits Anfang Mai betont. Auch dass die Regierung das Luxemburger Gesetz, das auf der Richtlinie beruht, an die Anforderungen der Richter anpassen wolle und eine europäische Lösung anstrebe. In Luxemburg kann die Polizei schon bei Verdacht auf eine Straftat, die mit einer Haftstrafe von nur einem Jahr belegt ist, persönliche Telefon- und Internetverbindungsdaten einsehen. Nun soll per Straftatenkatalog der Anwendungsbereich enger gefasst werden.

Aufhorchen ließ etwas anderes: Dadurch, dass die Regierung die Sicherheit bei der Speicherung verbessern will, gibt sie zu, dass die bisherige Archivierung durch private Telefondienstleister, die die Daten laut Gesetz sechs Monate speichern müssen, verbesserungswürdig ist. Das gibt angesichts der Sensibilität der persönlichen Daten Anlass zur Sorge.

Der weit größere Knackpunkt aber ist, dass trotz des EuGH-Urteils jeden Tag in Luxemburg weiter zehntausende Verbindungsdaten pauschal gespeichert werden und die Regierung grundsätzlich daran festhält. Hatten zuvor Juristen die Folgen des EuGH-Urteils für Luxemburg geprüft, konnte man, für die Prüfphase, Verständnis für den Status quo haben. Es stimmt ja, die europäischen Richter auf dem Kirchberg haben die Luxemburger Vorratsdatenspeicherung nicht untersucht. Aber alle, auch die Datenschutzkommission und die Generalstaatsanwaltschaft, sind sich spätestens seit Mai im Klaren darüber, dass das Luxemburger Gesetz nicht mit EU-Recht konform ist. Die EuGH-Richter haben hohe Maßstäbe gesetzt: Die Speicherung muss auf „das Notwendigste beschränkt“ bleiben und darf nicht pauschal erfolgen.

Statt nun wie Deutschland, wo das Bundesverfassungsgericht einen Entwurf zur Vorratsdatenspeicherung als unverhältnismäßig zurückgewiesen hatte, die Regelung so lange auszusetzen, bis ein konformes Gesetz vorliegt, erteilt ausgerechnet ein grüner Justizminister grünes Licht, trotz wackeliger Rechtsgrundlage weiterhin massenhaft persönliche Daten zu sammeln. Das sei ehrlicher, findet die Grüne Viviane Loschetter, Vorsitzende des Justizausschusses. Sollte sie damit meinen, dass sich die Polizei die Daten auch ohne Rechtsgrundlage besorgen würde, würde dies von einem hochproblematischen Rechtsverständnis zeugen. Ein Unrecht macht ein anderes Unrecht nicht rechtens.

Ausgerechnet die Grünen, die in der Opposition und weit weg in Brüssel den Datenschutz mit markigen Worten verteidigen, drücken jetzt ein Auge zu und spekulieren darauf, dass im behäbigen Luxemburg schon niemand gerichtlich beanstanden wird, dass seine höchstrichterlich bekräftigten Grundrechte weiter mit den Füßen getreten werden. Die Menschenrechtskommission schweigt, der Datenschutzbeauftragte findet offenbar ebenfalls nichts dabei. Dass Braz sich in Brüssel für eine europäische Lösung einsetzt, entschuldigt den Murks daheim in keiner Weise. Ein mutiger Justizminister hätte hier auf (Grund)Rechtskonformität pochen, die Speicherung so lange wie nötig aussetzen und damit ein wichtiges Signal senden können und müssen. Das Regierungsprogramm hätte den Spielraum dazu gegeben. Dort steht lediglich, dass sich die Dreierkoalition in Brüssel für eine europäische Lösung mit sechs Monaten Speicherfrist einsetzen wolle. Aber Regierungsräson und Interessen der Strafverfolgung scheinen der Regierung wichtiger zu sein als der Schutz der Bürger vor unverhältnismäßiger Überwachung.

Auch die anderen Parteien müssen sich Fragen zu ihrem Rechtsverständnis gefallen lassen. Sie alle trugen die Vorgehensweise im Justiz- und Medienausschuss mit. Selbst déi Lénk hat offenbar vergessen, was auf dem Spiel steht. Nur die Piratepartei, hat, allein auf hoher See, durch ihr Fernrohr die Interessenkollision kommen sehen – und deutliche Worte der Kritik gefunden. Die Partei ist nicht im Parlament vertreten. Piraten gelten historisch nicht grad als Freunde des Rechts, im Gegenteil. Doch die wahren Piraten sitzen dieses Mal woanders.

Ines Kurschat
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