Asphaltmischwerk um Monkeler

Zweierlei Maß?

d'Lëtzebuerger Land du 13.09.2013

Montagmorgen 7.30 Uhr. Die Rentrée bei RTL beginnt unter anderem mit der Nachricht, dass die Entbürokratisierung nicht von der Stelle kommt. Als Beispiel für den Behördenwahnsinn erklärt der Monnericher Bürgermeister Dan Kersch (LSAP) im Interview, dass die Gemeinde für jede öffentliche Veranstaltung im Freien eine Genehmigung vom Innenminister braucht, um einen Lautsprecher zu benutzen. Ohne ministerielle Genehmigung könnte das Zollamt vorbeischauen und der Veranstaltung ein verfrühtes Ende bereiten.

Kersch hat sicher Recht, wenn er in diesem Zusammenhang von „Amtsschimmel“ spricht. Dass ausgerechnet er das tut, dürfte in den Ohren von Marco Lisé, Geschäftsführer der Firma Lisé&Fils aber wie blanker Hohn klingen. Denn ausgerechnet der Monnericher Schöffenrat hatte in seinem Gutachten zum Kommodoverfahren der Asphaltanlage, die Lisé in der Industriezone um Monkeler errichten und betreiben will, nicht nur ein negatives Gutachten, sondern einen „Avis purement négatif“ abgegeben (d’Land, 23.08.2013). Marco Lisé hatte sich eigentlich nicht öffentlich äußern wollen, bevor der delegierte Umweltminister Marco Schank (CSV) eine Entscheidung über die Genehmigung des Werks getroffen hat. Er hat seine Meinung geändert. Ursache dafür sind die Erklärungen und Kommentare Kerschs unter anderem im Forum von rtl.lu, wo Kersch den Genehmigungsantrag als „nicht seriös“ bezeichnet hatte, weil keine Gesamtbelastungsanalyse vorliege, welche die Wirkung aller Industrien, die um Monkeler ansässig sind, insgesamt berücksichtige. Und zudem geschrieben hatte: „Den Dossier selwer seet, dass bestemmt Werter nët ëmmer kënnen agehalen ginn. Wat soll een vun engem Entrepreneur halen, deen schons am Virfeeld seet, dass en d’Werter nët respektéieren kann?“

Es ist diese Art von Aussagen, die Lisé nicht länger auf sich sitzen lassen will, weil er es „populistisch“ findet, wenn der ehemalige Umweltberater der Gemeinde Bettemburg so etwas sagt. „Er müsste eigentlich wissen, dass ein Projekt, das die Bedingungen nicht erfüllt, gar nicht erst in die Prozedur gelassen wird“, meint Lisé. Mit dieser Meinung steht Lisé nicht alleine da. Denn die Umweltverwaltung gibt Kommodo-Genehmigungsanträge erst zur „enquête publique“, der öffentlichen Begutachtung, an die Gemeinden weiter, wenn sie der Ansicht ist, das Dossier sei komplett. So hatte der Direktor der zuständigen Verwaltung Gaston Schmit schon im Juli gegenüber dem Luxemburger Wort erklärt, die Asphaltanlage von Lisé&Fils sei theoretisch genehmigungsfähig.

Eine Feststellung, mit der man, zumindest was die Lärmbelastung betrifft, in Schifflingen nicht ganz einverstanden war. Der Schifflinger Schöffenrat um Bürgermeister Roland Schreiner (LSAP) hatte in seinem, ebenfalls negativen, Gutachten bemängelt, es reiche nicht aus, wenn Lisé&Fils im Genehmigungsantrag nur die zusätzliche Lärmbelastung ausweise, die vom geplanten Asphaltwerk ausgehe, ohne die bestehende Lärmbelastung durch die bereits ansässigen Betrieben zu berücksichtigen. „Das kann man aber nur tun, wenn es dafür verlässliche Daten gibt“, bemerkt Lisé, sehr bemüht, nicht mit dem Finger auf andere Unternehmen um Monkeler zu zeigen. Aber an verlässlichen Daten fehlt es einerseits deshalb, weil es die Industriezone um Monkeler länger gibt als das Kommodo-Verfahren, und die zuständigen Gemeinden, Schifflingen und Esch-Alzette, bisher kein Kommodo für das gesamte Industriegebiet gemacht haben.

Andererseits kann derzeit niemand mit letzter Bestimmtheit sagen, welche Firmen um Monkeler über ein gültiges Kommodo verfügen. Ein Problem, dessen man sich im Schifflinger Gemeindehaus sehr wohl bewusst ist. Deshalb ist die Gemeindeverwaltung dabei, Inventar zu machen. „Was passiert, wenn sich dabei herausstellt, dass es Firmen gibt, die keines haben?“, fragt Marco Lisé. „Werden die dann zugemacht und die Mitarbeiter vor die Tür gesetzt?“ Das ist nicht der Plan der Schifflinger Gemeinde, die eventuell betroffenen Firmen eine Übergangsfrist einräumen will, um versäumte Kommodos nachzuholen, beziehungsweise abgelaufene zu erneuern. Noch sei das Register nicht fertig, sagt Roland Schreiner, deshalb sei es noch zu früh, um sagen zu können, wie man reagieren werde. Auch, weil nicht klar sei, inwiefern die Gemeinde von den bestehenden Betrieben überhaupt Nachbesserungen verlangen kann. Eine verzwickte Situation für die Gemeinde und für Marco Lisé. Denn um Monkeler reiht sich Zementwerk an Betonmischanlage an Bauhof an Silo an Materiallager. Auch ohne das Asphaltwerk von Lisé&Fils ist die Staub- und Verkehrsbelastung für die Anrainer in Schifflingen und Esch erheblich. Ohne Sinn und Zweck der Zone in Frage zu stellen – „die ist dafür da, dass sich Industriebetriebe dort niederlassen“ –, ist Roland Schreiner mit den Zuständen vor Ort nicht zufrieden. Weswegen man in der „objektiven Situation“ versuchen müsse, zu bereinigen, was bereinigt werden könne, so Schreiner.

Die „objektive Situation“ findet Marco Lisé ein wenig absurd: „Da frage ich mich, ob ich nicht auch besser daran getan hätte, die Anlage zu bauen und im Nachhinein Übergangsfristen zu nutzen, um die Genehmigungen einzuholen, statt zu versuchen, den legalen Weg zu gehen.“ Der Frust ist groß. Es ist für Lisé der dritte Anlauf, ein Asphaltwerk genehmigen zu lassen. In den beiden ersten Anläufen hatte er geplant, die Anlage auf dem eigenen Gründstück um Monkeler zu bauen. Dagegen hatte sich die Schifflinger Gemeinde strikt gewehrt, weil die Lisé-Parzelle am Rande des Industriegebiets direkt gegenüber einer Kindertagesstätte und den Gemeindewerkstätten liegt. Die Grundstücke, auf denen Kita und Werkstätten liegen, wurden Gemeindeangaben zufolge 1997 umklassiert, von Grünland zur Gemeindeinfrastrukturzone. Da war der Ausbau des Industriegebiets auf der gegenüberliegenden Seite des Feldweges schon eingeplant – im Jahr 2000 wurde die Lisé-Parzelle zum Industriegebiet. Darüber, dass man Logik und Reihenfolge der Umklassierungen bezweifeln kann, wenn sich danach auf dem Industriegelände keine Industrie mehr ansiedeln darf, will Lisé gar nicht diskutieren. „Fakt ist: Die Kita ist da. Ich habe versucht, mich daran anzupassen.“ Das konnte Lisé, weil ihm das Wirtschaftsministerium das letzte freie Grundstück um Monkeler zur Pacht angeboten hat, das auf gleicher Distanz und von den Wohngebieten in Esch und Schifflingen am weitesten entfernt liegt.

Dass der Unternehmer versucht, Gemeinden und Anrainern entgegen zu kommen, erkannte der Schifflinger Schöffenrat Lisé im dritten Kommodo-Gutachten – auf dem neuen Grundstück – an. Neben der ihrer Ansicht nach unvollständigen Lärmanalyse, bemängelten die Schifflinger die vorgeschlagene Filtertechnik, die nicht als bestmögliche Technik zu betrachten sei, deren Einsatz das Kommodogesetz generell verlangt. In Schifflingen hatte man auf Vorschlag der grünen Gemeinderäte den Deutschen Klaus Koch vom Umweltnetzwerk Hamburg zu Rate gezogen. Die Kritik an der vorgeschlagenen Filtertechnik, die auch die Gemeinden Esch und Monnerich in ihren Gutachten aufnahmen, geht auf Koch zurück, der den Einsatz von Aktivkohlefiltern und Denox-Filtertechnologie vorschlug. Eine Kritik, auf die auch der Anlagenbauer Benninghoven via Firma Lisé reagiert. In einem Schreiben erklärt Albert Czerny von der Vertriebsabteilung, warum weder die Aktivkohlefiltration, noch die Denox-Technologie für die geplante Anlage sinnvoll sei. In der Zusammenfassung läuft es darauf hinaus: Die Durchschnittstemperatur des Abflussgases aus der Asphaltmischanlage beträgt 110 Grad Celsius. Damit die Denox-Filter funktionierten, müsse die Abgastemperatur aber bei über 200 Grad Celsius liegen. Die Aktivkohlefiltration könne leider nur bei Temperaturen von zwischen -20 und 50 Grad Celsius eingesetzt werden. „Die Firma Benninghoven ist einer der führenden Hersteller von Asphalt-Mischanlagen. Emissionskontrolle ist in jedem Fall eine der Prioritäten dieses Betriebes. Aus diesem Grund wird in Benninghoven-Anlagen die neueste Emissionstechnologie verwendet, die nachgewiesenermaßen sowohl sicher, als auch effizient ist“, schreibt Czerny. Ihm glaubt natürlich nur, wer will. Doch die Firma errichtet quer durch Deutschland und Europa Asphalt-Mischanlagen, was eine gewisse Kompetenz in Sachen Filtertechnik und Abgasnormen voraussetzen müsste.

Klaus Koch hatte bei der öffentlichen Informa­tionsversammlung für die Schifflinger Einwohner seine Sicht der Dinge dargelegt. Danach hatte auch Bürgermeister Roland Schreiner den Eindruck, sie sei „ein wenig tendenziös“. Wer Klaus Koch „googelt“, findet viele Belege für seinen Einsatz gegen den Bau von Asphaltmischanlagen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Aber auch Artikel, die seine Eintragung als Experten in Frage stellen und ihm vorwerfen, bestehenden Bürgerbündnissen seine Dienste offensiv anzubieten und dann in Rechnung zu stellen, beziehungsweise solche, die davon berichten, wie er dazu aufruft, Bürgerinitiativen überhaupt erst zu gründen. Nach seinen Erklärungen bei der Info-Versammlung, sagt Schreiner, „hatte man den Eindruck, es dürfe nie mehr, nirgendwo auf der Welt, ein Asphaltmischwerk gebaut werden.“

Die berechtige Angst, die Koch anfacht, bezieht sich auf die krebserregenden Stoffe, die von Asphaltmischanlagen ausgehen können. Asphalt wird aus Bitumen, Sand und Gestein gemischt, Teer werde schon lange nicht mehr im Straßenbau eingesetzt, sagt Lisé, und „es kann nur oben rauskommen, was unten reingeht“. Problematisch ist deswegen die Wiederverwendung von Recycling-Material, das von alten Straßen abgekratzt und unter den neuen Asphalt gemischt wird. Ist das Material PAK-haltig – PAK steht für Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe – werde es nicht in die Anlage gefüllt, versichert Lisé. Um herauszufinden, ob das Recyclingmaterial PAK-haltig ist, plant die Firma ein eigenes Labor am Standort, um Stichproben von den Lastwagen analysieren zu können. Doch das von Lisés Ingenieuren vorgeschlagene Analysenprotokoll befand der Schifflinger Schöffenrat in seinem Gutachten für unzureichend, es müssten mehr Stichproben entnommen werden, um sicherzugehen, dass kein belastetes Material eingefüllt werde. „Ich bin damit einverstanden, mehr Stichproben zu nehmen. Von mir aus kann jeder Lastwagen kontrolliert werden. Daran soll es nicht scheitern. Dabei wären wir ohnehin und überhaupt die erste Anlage mit Labortests im Land“, sagt Lisé.

Sechs Millionen Euro will er in seine Anlage investieren, Sprinkleranlagen oder die teilweise Einkleidung der Brecheranlage, die Abdeckung der Material­lager, Maßnahmen, um die die Gemeinde Lisé bittet, und die andere Betriebe vor Ort augenscheinlich nicht ergriffen haben, inklusive. Die bisher entstandenen Mehrkosten durch den Standortwechsel: 1,5 Millionen Euro. Viel Geld, wenn man bedenkt, dass der Monnericher Schöffenrat in seinem Gutachten meinte, eine weitere Asphaltanlage werde in Luxemburg gar nicht gebraucht. „Im Moment bringen deutsche und belgische Firmen Asphalt nach Luxemburg, um Straßen einzukleiden. Es wird Asphalt importiert. Diesen Markt wollen wir besetzten“, sagt Lisé. Dabei auf mobile Anlagen zurückzugreifen, wie es Kersch vorgeschlagen hatte, hält er für unpraktikabel. „Dann müsste für jede Straße, die neu asphaltiert wird, in der jeweiligen Gemeinde ein bis zu ein Hektar großes Grundstück zur Verfügung gestellt werden. Mit Wasseranschlüssen, Energiezufuhr, und vor allem müsste der Boden komplett abgedichtet sein...“, sonst könne keine mobile Anlage in Betrieb genommen werden, meint Lisé, der durch die Anlage bis zu 40 neue Stellen schaffen will – fünf davon in der Anlage selbst, die anderen auf anderen Posten im Betrieb, den er dadurch auszubauen versucht. Elf neue Mitarbeiter hat er schon eingestellt.

Dennoch, versichert er, werde die Anlage nur unter der Woche, zu normalen Geschäftszeiten laufen. Denn an Ausschreibungen zur Beschichtung von Autobahnen, Arbeiten, die wochenends durchgeführt werden, sei er nicht interessiert. „Für diese Art von Arbeiten ist meine Firma nicht ausgerüstet, mir fehlt der notwendige Maschinenpark und ich habe nicht vor, ihn anzuschaffen.“
Marco Schank hat für seine Verwaltungen eine Art Kommunikationssperre verhängt, nur er selbst äußert sich zum Fall Lisé. Viel sagen kann er derzeit allerdings nicht. Er will seine Mitarbeiter Mitte September zusammenrufen, um sich informieren zu lassen, und will immer noch vor den Wahlen eine Entscheidung treffen.

Michèle Sinner
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