NewCo und die Energiepreise

Wem die Kilowattstunde schlägt

d'Lëtzebuerger Land du 23.10.2008

Hauptstadtbürgermeister Paul Helminger dementierte promt: „Überinterpretiert“ worden sei er im Luxemburger Wort vom Dienstag. Die Luxembourg Energy Office S.A. (Leo), in die Luxemburg-Stadt seit März 2003 den gemeindeeigenen Strom- und Gashandel zunehmend auslagert, wolle sich, wurde Helminger zitiert, „dem geplanten Konzern aus Cegedel, Soteg und SaarFerngas anschließen“ und „vermeiden“, zum Konkurrenten des Fusionskonzerns zu werden. Man führe Gespräche mit der NewCo, sagt Helminger dem Land, aber nicht nur mit ihr. Einen Partner brauche Leo auf jeden Fall. „Alleine sind wir in diesem Markt zu schwach.“

Das wirft die Frage auf, wie viel Preiswettbewerb im Strom- und Gashandel und wieviel Wahlmöglichkeit für den Kunden es hierzulande wohl geben wird, wenn die Fusion von Cegedel und Soteg mit SaarFerngas zum „regionalen Player“ vollzogen ist. Im­merhin ist der hauptstädtische Energieanbieter so klein nicht. Seit der Marktliberalisierung im Juli 2007 er­reichte er, letzten Statistiken des Regulierungsinstituts zufolge, im Strombereich einen Marktanteil von 13,4 Prozent bei Haushaltkunden und von sogar 21 Prozent bei gewerblichen Kunden. 

Und wenn Leo schon zu klein sein soll, dürften es die anderen kommunalen Anbieter auch sein. Kaum überraschend bestätigt der Escher Energieschöffe Felix Braz, man befinde sich gleichfalls auf Partnersuche. „In alle Richtungen“, wie er betont, und „nicht Hals über Kopf“. Die erst seit Juli dieses Jahres für den Stromhandel zuständige, der Gemeinde zu hundert Prozent gehörende Südstroum sàrl „soll erst einmal ihre Selbstständigkeit entwickeln“. Das habe Priorität. 

Würden die kommunalen Anbieter mit der NewCo zusammengehen, er­hielte diese quasi ein Gebietsmonopol in Luxemburg – jedenfalls vorerst. Zwar ist ein regelrechter Einstieg der Gemeinden in die geplante Holding und ihre Gesellschaft für Energiehandel und Produktion nicht vorgesehen. Wohl aber in die ebenfalls geplante Netzgesellschaft: In ihr will Wirtschaftsminister Jeannot Krecké (LSAP) möglichst viel Netz­infrastruktur regruppieren und einen Anteil der öffentlichen Hand so groß wie nur möglich erreichen. Und wer in der Netzgesellschaft vertreten ist, ist ja vielleicht zumindest an der Kooperation mit der Handelssektion der NewCo interessiert. Zumal diese allein wegen ihrer Größe beim Einkauf günstigere Preise erzielen könnte als ein kommunaler Akteur.

Dass die NewCo aus diesem Blickwinkel gute Preise verspricht, schafft eine besondere Situation im kleinen Luxem­burger Markt. Denn nicht nur im Haushaltskundensegment, wo der Marktanteil der Cegedel an die 75 Prozent beträgt, droht ein Gebietsmonopol. Von den gewerblichen Verbrauchern beziehen knapp 41 Prozent ihren Strom von der Cegedel, 33 Prozent sind Soteg-Kunden. „Etliche un­serer Mitglieder“, sagt Fedil-Generalsekretär René Winkin, „machen sich Gedanken, weil sie mit Soteg einen bedeutenden Konkurrenten zur Cegedel verlieren werden.“

Ob es Alternativen geben wird, fragt sich. Zwar umfasst die Liste der vom Wirtschaftsministerium akkreditierten Stromlieferanten auch zehn neue Anbieter aus Deutschland, Holland, Belgien und Österreich. Im Gasbereich sind zwei ausländische Anbieter zugelassen. Auf dieses Potenzial verweist Etienne Schneider, Chef der Generaldirektion für Energie, elektronischen Handel und Datensicherheit im Wirtschaftsministerium und einer der Architekten der NewCo: Bestimmt würden die ausländischen Anbieter noch „richtig aktiv“, auch wenn sie es jetzt noch nicht sind. 

Allerdings dürften zwei der akkreditierten Alternativen – E.on und Electrabel – sich schon erledigt haben, da sie im Aktionariat der NewCo vertreten sein und zu dieser kaum in Konkurrenz treten werden. Und so findet man selbst bei der Fedil mit ihren Großkunden, dass sich auf dem heimischen Markt wenig Konkurrenz abzeichnet und die Gesellschafterkonstruktion der NewCo „ein bedeutendes Hinterland“ eventueller Wettbewerber neutralisiert. Ebenfalls ein wichtiger Umstand für Gemeinden auf Partnersuche „nach allen Richtungen“; jedenfalls wenn damit auch das Ausland gemeint ist: In Deutschland zumindest sind die Beteiligun­gen von RWE und E.on so weit verzweigt, dass es die Partner­wahl erschweren könnte.

Doch die NewCo wird mittel- und längerfristig nicht nur über Größe, sondern auch über Eigenproduktions­kapazitäten verfügen, die es ihr erlau­ben werden, ihre Preise unabhängi­ger zu bilden. Denn sie wird den Soteg-Anteil an dem mit Gazprom geplan­ten Gaskraftwerk im deutschen Eisenhüttenstadt übernehmen, den Cegedel-Anteil am geplanten Ausbau des Pumpspeicherwerks in Vianden sowie den 100-Megawatt-Anteil, den die Cegedel heute schon zum Gestehungspreis aus dem Twinerg-Gaskraftwerk in Esch bezieht. Am Ende fragt sich nur, an welchen Kunden welcher Preisanteil weiter gereicht werden wird. 

Und es wäre der Luxemburger Staat als Aktionär, dem die Rolle des Sachwalters der diversen Interessen der heimischen Kunden zufiele. Der Staat muss jedoch kein Garant für niedrigste Haushaltskundenpreise sein. Auch als Cegedel-Aktionär trug er schon, um der Rendite willen, hohe Preise für kleine Kunden mit. Renditeverzicht aber dürfte im Aktionariat einer Gesellschaft, in der neben RWE und Electrabel auch noch E.on und Arce­lorMittal vertreten sind, noch schwe­rer sein als bei der Cegedel. 

Peter Feist
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