Einer Assistenz-Professorin der Uni Luxemburg wird nach fünf Jahren ihr Arbeitsvertrag nicht verlängert. Nicht nur das zugrunde liegende Prüfverfahren gibt Anlass zur Kritik

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d'Lëtzebuerger Land du 26.08.2011

„Wir werden eine Änderung (des Studiengangs, d. Red.) weder akzeptieren noch hinnehmen; noch tolerieren wir die ungerechtfertigte Entlassung von Dr. Ziegler.“ Es sind Worte der Empörung, die Studenten des Master in learning and development in multilingual and multicultural contexts der Uni Luxemburg geschrieben haben. Seit einer Woche kursiert ihre Petition im Internet, die bisher die Hälfte der 150 Master-Studenten unterschrieben hat.

„Wir haben erst sehr spät davon erfahren“, sagt Nicole Gotling-Dudding verärgert. Die US-Amerikanerin ist Studentin des 2007 ins Leben gerufenen mehrsprachigen Master und saß als Vertreterin ihres Jahrgangs an jenem 27. Juli in der Steuerungsgruppe des Fachbereichs, als die Nachricht über die Entlassung der Assistenz-Professorin einschlug wie eine Bombe. „Bisher wissen wir weder, warum Frau Zieglers Vertrag nicht verlängert wurde, noch was das für unsere Zukunft bedeutet“, so Gotling-Dudding. Aus Protest über die „unethische“ Behandlung und aus Solidarität mit der für ihre Arbeit und ihr „Mentoring“ geschätzten Professorin schrieben die Studenten einen Brief an den Dekan der Fakultät. Wenn nötig, wollen sie diesen auch dem Rektor zukommen lassen. In dem Schreiben fordern sie die Uni auf, die Assistenz-Professorin nicht zu entlassen, und sie kritisieren jene Evaluation, deren Ergebnis laut Dekanat für die Nicht-Entfristung des Vertrags entscheidend war.

„Wir haben uns an die Regeln des Réglement d’ordre intérieur gehalten“, betont Michel Margue, Dekan des Fachbereichs Geisteswissenschaften. Auch eine zweite Evaluation sei nicht ausreichend positiv ausgefallen, so Margue. Über die genauen Kritikpunkte schweigt er sich aus. „Wichtig ist, dass die Evaluationskriterien der betreffenden Person rechtzeitig mitgeteilt wurden“, sagt Margue. Der Bericht sei vertraulich. Laut Uni-Hausordnung müssen sich befristete Angestellte einer Evaluation unterziehen, die Voraussetzung dafür ist, dass ein befristeter Vertrag in einen unbefristeten umgewandelt werden kann. Sie erfolgt durch die Mitglieder der Nominierungskommission sowie durch drei externe Experten und muss „gerecht und objektiv“ sein.

Eben das aber wird bestritten – von der betroffenen deutschen Assistenz-Professorin, aber auch von Studenten. „Wie gerecht ist es, wenn eine so weichenstellende Evaluation von der betroffenen Person nicht eingesehen werden darf?“, fragt Gilberto Fernandes von der Luxemburger Studentenvertretung LUS, die zudem die „unklaren Kriterien“ kritisiert. Die Annexe zum Vierjahresplan führt unter der Überschrift „Performance“ Kriterien zur Recherche und zur Ausbildung auf, jedoch nicht zur Qualität der Betreuung oder der Lehre. „Frau Ziegler hat nicht nur geforscht, sondern noch dazu unterrichtet und einen Studiengang geleitet“, betont Fernandes. Das müsse bei einer gerechten Evaluation berücksichtigt werden.

Mit der Einschätzung stehen die Studenten nicht alleine. Auch innerhalb der Apul, der kürzlich gegründeten Vereinigung der Professoren der Uni Luxemburg, regen sich Unmut und Kritik. Angeblich ist sogar eine Stellungnahme in Arbeit, die sich kritisch zur Evaluationsprozedur äußert und, wie die Studenten, eine Neubewertung des Falles auf der Grundlage präziser transparenter Kriterien fordert. Leider konnte das Land weder den Vorsitzenden, noch seine Stellvertreterin erreichen.

Sicher ist: Die Aufregung um den Master Multi-Learn, wo ein von Frau Ziegler geleitetes Studenten-Team im Juni auf der 17. International Conference on Concurrent Engineering in Aachen übrigens den Preis für das beste Konferenzpapier gewann, wird nun zum erneuten Belastungstest für die Uni – nach der wiederholten Kritik über mangelnde Beteiligung an und Transparenz bei wichtigen Entscheidungen wie Gehälter- und Personalfragen.

Michel Margue und sein Stellvertreter, der Arbeitspsychologe Georges Steffgen, indes beschwichtigen und verteidigen die Prozedur. Es mag Unis im Ausland geben, wo geprüfte Personen Zugang zu ihrer Bewertung haben, räumt Margue ein. „Aber wir haben nun einmal diese Prozedur und konnten nicht anders“, ergänzt Georges Steffgen.

Ganz so sicher ob der Rechtmäßigkeit ist sich die Unileitung aber augenscheinlich doch nicht. In der letzten Sitzung des Conseil de gouverance, vor den Sommerferien, wurde das entsprechende Reglement nämlich just in diesem Punkt abgeändert. Hieß es vorher noch, der Bericht unterliege der Vertraulichkeit, steht nun in einem Nebensatz, dass die bewertete Person auf Anfrage ihre Bewertung einsehen kann. Rückwirkend soll die Änderung allerdings nicht gelten. Der Vertrag, so sieht es die Uni, wird zum 31. August auslaufen.

Warum es so weit kommen muss, ist für Außenstehende schwer nachzuvollziehen. Fakt ist es, dass die Uni trotz siebenjährigen Bestehens noch immer über kein reguläres Schlichtungsverfahren für derlei Arbeitskonflikte verfügt. Im konkreten Fall beanspruchen beiden Seiten, viele Wochen und Monate gesprächsbereit gewesen zu sein und nach Kompromissen gesucht zu haben. „Ein letztes Angebot hat die betroffene Person mit uns nicht diskutieren wollen“, so Dekan Michel Margue. Fehlender „Kooperationsgeist“, wie Margue das nennt, lautet übrigens auch die Begründung der Gleichstellungsbeauftragten Christel Baltes-Löhr, warum sie, nach anfänglicher Fürsprache, die Professorin in ihrem Kampf nicht weiter beraten wolle. Um was für ein Kompromissangebot es sich da handelt, wollten allerdings weder der Dekan noch sein Stellvertreter verraten. Der Rektor ist derzeit im Urlaub.

Für die Einschätzung der tatsächlichen Kooperationsbereitschaft der Betroffenen ist das aber nicht unwichtig. Die Uni hat der Assistenz-Professorin laut Land-Informationen nämlich angeboten, sich auf eine Stelle als „chargée de cours“ zu bewerben – ohne Zusicherung auf eine Festanstellung. Was nicht nur weitere Ungewissheit bedeuten würde, sondern auf eine Abwertung und ergo eine Rufschädigung hinauslaufe, wie nicht nur die Betroffene, sondern auch zahlreiche Wissenschaftskollegen meinen. In Solidaritätsadressen äußern sich rund 30 ausländische Wissenschaftler, darunter namhafte Experten der Linguistik und der Mehrsprachigkeit, ausnahmslos positiv über das „innovative Studienprogramm“, die „herausragende Fachkenntnis“, „die Qualität der Arbeit“ sowie den „Enthusiasmus“ der perfekt dreisprachigen Professorin, die einen Doktortitel der Sorbonne sowie der Uni des Saarlandes hält.

So vermuten denn auch einige Stimmen, dass hinter der Nicht-Entfristung andere Motive eine Rolle spielen könnten: (männlicher) Neid auf eine junge, international anerkannte Wissenschaftlerin etwa oder Interessen- und Machtkonflikte innerhalb der Forschungseinheit.

Den Verdacht der Diskriminierung weisen Dekan und Vizedekan entrüstet von sich. Schließlich seien die Kriterien „für alle gleich“, betont Steffgen. Der Vorwurf der Diskriminierung treffe auch deshalb nicht zu, beharrt Michel Margue, weil die Fakultät in den letzten zwei Jahren erhebliche Fortschritte bei der Förderung von Akademikerinnen gemacht habe. Richtig ist allerdings, dass in den Gremien, die über die Zukunft von Frau Ziegler entschieden haben, die Männer in der Überzahl sind – und dass in der betreffenden Forschungseinheit LCMI (Language, Culture, Media and Identities) seit längerem Konflikte über Ressourcen und Personalfragen schwelen. Im November 2009 war ein Professor der Leitung eines von ihm maßgeblich mit aufgebauten Studiengangs enthoben worden (d’Land berichtete), übrigens ein Forscherkollege der entlassenen Assistenz-Professorin. Jetzt drohen die Fronten weiter zu verhärten.

Noch viel unangenehmer – und vielleicht auch teurer – könnte der Uni aber ein anderer Aspekt werden: Die Professorin hat einen Anwalt eingeschaltet, demzufolge der befristete Vertrag ohnehin gegen das Arbeitsrecht verstößt. Der Vertrag wurde bereits einmal verlängert, die Uni beruft sich auf eine Ausnahmeregelung in Artikel 29 des Unigesetzes von 2003, die es ihr erlaubt, befristete Verträge für „eine Dauer von mehr als „24 Monate“ abzuschließen und „mehr als zweimal zu erneuern“. Eine Praxis, die möglicherweise verfassungsrechtlich unzulässig ist. Dass für den Posten überhaupt ein befristeter Vertrag ausgestellt wurde, erscheint zumindest fragwürdig: dass eine „Interim“-Studiendirektorin ein Studienfach mit aufbaut und leitet, dessen Gegenstand (die Mehrsprachigkeit) einer der Schwerpunkte im Vierjahresplan der Uni ist, sie Vorlesungen hält, forscht, publiziert, Studenten begleitet und Doktoranden betreut, dürfte nicht alltäglich sein. Die Professorin selbst sagt, sie habe sich damals auf eine unbefristete Stelle beworben, die dann jedoch in eine befristete abgeändert wurde. Für sie steht fest: Sie will ein Recht auf einen unbefristeten Arbeitsvertrag einklagen. Am 27. September sehen sich die Streitparteien vor dem Friedensgericht in Luxemburg. Auch die Studenten und Doktoranden wollen sich wehren und weiter um ihre Professorin kämpfen. Der Fall ist folglich noch lange nicht ausgestanden.

Ines Kurschat
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