Osten

Scheinbar Status Quo

d'Lëtzebuerger Land du 19.10.2018

Siegesgewiss klangen Passanten aus der Grevenmacher Fußgängerzone am Sonntagmittag: „Die CSV gewinnt“, so der Tenor. Einige Stunden später ist es vorbei mit dem Selbstbewusstsein: Die Christlich-Sozialen bleiben zwar mit 29,4 Prozent die stärkste Partei im Osten, müssen jedoch mit -7,49 Prozentpunkten deutlich Federn lassen. Ein blasser Spitzenkandidat, eine noch blassere Wahlkampagne hatt die Wählenden nicht vom Hocker gerissen, davon zeugt ein Minus von fast 8 000 Listenstimmen. Da halfen auch die Ministerboni einer Françoise Hetto-Gaasch und einer Octavie Modert wenig; erstere lag trotz leichten Verlusten mit 1 2150 Stimmen vor Modert und dem Drittgewählten, Grevenmacher Bürgermeister Léon Gloden.

Zweistellige Verluste in Hochburgen wie Schengen oder Beaufort verdeutlichen: Im Osten wächst die Bevölkerung, hinzu ziehen junge Familien, die nicht in der Region verwurzelt sind, was sich im Verhalten an der Urne widerspiegelt.

Vom Bevölkerungswandel und der Urbanisierung des ländlichen Raums profitieren déi Gréng sowie junge Parteien wie die Piraten, die den Trend von 2013 fortsetzen. Mit der gläubigen Umweltministerin Carole Dieschbourg aus Echternach mit (9 752 Stimmen) und dem Remicher Henri Kox (5 995) an der Spitze verbesserte die Ökopartei ihr Resultat um 3,4 auf 16,5 Prozent und bewies, dass Wertekonservatismus, Liberalismus und grün wählen kein Widerspruch ist. Für den zweiten Sitz reichte es gleichwohl nicht; Parteipräsident Christian Kmiotek wusste in seiner Heimatgemeinde Junglinster wieder nicht zu überzeugen. 

Die Mittelschichtenpartei DP konnte ihr exzellentes Resultat von 2013 Jahren noch einmal um 2,03 Prozentpunkte verbessern, ebenfalls Folge der Verstädterung, sie behält ihren 2013 hinzugewonnen zweiten Sitz. Bürgermeister Lex Delles aus Bad Mondorf fuhr mit 10 401 Stimmen das beste Ergebnis für die DP im Osten ein und beweist, dass er in der Nationalpolitik angekommen und die Ära Nagel Vergangenheit ist. Am Abend in der Wahlzentrale im Hitch auf dem Limpertsberg führte ein strahlender Delles den Erfolg auf „ein starkes Team zurück“; auch Gilles Baum, DP-Mann aus Junglinster, konnte sein Ergebnis verbessern.

Für die LSAP, die es traditionell schwer im landwirtschaftlichen Osten hat, ging die befürchtete Talfahrt noch einmal glimpflich aus, nach den Verlust bei den Listenstimmen um fünf Prozent konnte Spitzenkandidat Arbeitsminister Nicolas Schmit sein Resultat und den Sitz der Partei halten; im industriell geprägten Mertert liegt die LSAP – trotz Verlusten – sogar knapp vor der CSV. Dafür muss die Grevenmacher Abgeordnete Tess Burton um ihren Wiedereinzug ins Parlament bangen.

Zu den Gewinnern, die wegen des Wahlsystems trotzdem verloren, gehört die ADR. Trotz einer weiteren Steigerung auf jetzt 9,58 Prozent der Wählerstimmen ging die Rechtspartei leer aus, was Spitzenkandidat Robert Mehlen veranlasste, noch am Wahlabend mit einer Diskriminierungsklage zu drohen.

Dass die ADR keinen Sitz erobern konnte, hatte sie starken Piraten zu verdanken, die mit einem Plus von rund 4,3 Prozentpunkten die eigentlichen Gewinner im Osten sind. Das Dank der Zusammenarbeit mit der Partei fir integral Demokratie (PiD) von Jean Colombera und einer offensiv-aggressiven Kampagne mit griffigen Slogans – analog mit Hauswurfsendungen und Hausbesuchen, aber auch online über Facebook und Youtube – des Immobilienmaklers und Remicher Gemeinderats Daniel Frères, der mit Themen wie Tierrechte, Wohnungsbau, bessere Gesundheitsversorgung und Elitenkritik gezielt junge und ältere Wähler ansprach. Die Linken KPL und déi Lénk spielen auch weiterhin im Osten keine Rolle. ik

Ines Kurschat
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