Wagner-Parker, Ariel: In the Air

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d'Lëtzebuerger Land du 02.09.2010

„Looking from outside“ war das Thema des nationalen Literaturwettbewerbs, bei dem Ariel Wagner-Parker 2007 mit ihrer Erzählung „Home from home“ einen dritten Preis ex aequo gewann. In diesem autobiografischen Text berichtet die gebürtige Londonerin, wie sie zunächst auf Zeit nach Luxemburg kommt, später eine feste Anstellung erhält und ihren Mann kennen lernt, wie sie sich nach Zeiten von Einsamkeit und Heimweh und Zweifeln schließlich dazu entscheidet, zu bleiben. Mit Sinn für aussagekräftige Anekdoten und für die humoristischen Wendungen des Alltags beschreibt sie Anlaufschwierigkeiten, mehr oder minder freundliche Annäherungen an die Einheimischen, das mühsame Überwinden der Sprachbarriere(n), das nur langsam wachsende Heimatgefühl. Sozusagen stellvertretend für „you Luxembourgers“, die sie immer wieder direkt anspricht, um sie nach ihrer „linguistic schizophrenia“ zu befragen oder nach ihrem Verhältnis zu ihr als Ausländerin, antwortet (auf Luxemburgisch) ihr Mann Guy (der als „G.“ auch durch andere ihrer Texte geistert), kommentiert und relativiert ihre Beobachtungen, gibt Kehrseiten ihrer Ansichten zu bedenken.

Den in der eigenen Biografie wurzelnden Beobachterstandpunkt, den Ariel Wagner-Parker in „Home from Home“ als Erzählhaltung einnimmt, verlässt sie auch in den anderen ­Texten kaum, die sie zusammen mit „Home from in Home“ in In the Air veröffentlicht hat. Die biografischen Eckdaten kehren mehrmals wieder, London, die Übersiedlung nach Luxemburg, die Katze, die Reisen, das Schreiben. Sowohl die Erzählung als auch die Beiträge aus ihrer Kolumne für die Kulturbeilage Kulturissimo, oder die bislang unveröffentlichten Texte vermitteln dem Leser oft das etwas mulmige Gefühl, Versatzstücke aus Tagebucheinträgen zu lesen: Die Autorin schöpft aus ihren Kindheitserinnerungen (wie in dem sehr erheiternden „Friends and Allies“), aus alltäglichen Begegnungen und faits divers, aber auch aus emotional stark aufgeladenen Momenten.

Dass Texte wie „Chloë’s Book“, wo sie den Tod ihrer Katze dokumentiert, den Leser befremden können, liegt womöglich nicht an einer eventuell fehlenden Tierliebe (wie Wagner-Parker in ihrem Vorwort vermutet), sondern vor allem daran, dass sich das unmittelbar Erlebte und Gefühlte, diese rein persönliche und intime Komponente des Textes, nicht ohne Weiteres an einen Leser weiterreichen. Er erzählt zum Beispiel, wie sie im Zug einem arabischen Paar gegenübersitzt, die Mitreisende verstohlen beobachtet, der für sie unverständlichen Sprache lauscht. Die zufällige Begegnung wird zum Anlass für eine Reflexion über Vorurteile, Xenophobie und die durch Medienberichte geschürte Angst vor Terrorismus. Die Rückbindung solcher Reflexionen an einen autobiografischen Hintergrund, die Bereitschaft der Autorin, die eigene Fehlbarkeit preiszugeben, lassen die moralischen Überlegungen, die sie in diesem Zusammenhang anstellt, annehmbarer erscheinen, als wenn sie auf den ­Verweis auf das eigene Ich ganz ­verzichtet.

In den Texten, in denen das selbst Erlebte nicht unmittelbar eine Rolle spielt, neigt Ariel Wagner-Parker leider schnell zu pathetischen und teils ziemlich naiv wirkenden Verallgemeinerungen, die man selbst mit Rücksicht auf ihre ironische Verfremdung kaum schönreden kann (Politik ist schlecht, Frauen sind die besseren Menschen, die Sprache verarmt). Dass sie die Kolumnenartikel, die gut die Hälfte des Buches ausmachen, nicht in chronologischer Reihenfolge in den Band aufgenommen, sondern sie nach einer Art inneren Abfolge neu gruppiert hat, verstärkt den Eindruck, dass es in In the Air vorrangig um die Beobachterin, und nicht um das von ihr Beobachtete gehen soll.

Ariel Wagner-Parker: In the Air. Editpress / Editions Le Phare – Kulturissimo 2010. ISBN 978-2-87964-116-4.
Elise Schmit
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