Die kleine Zeitzeugin

Österreich ist beim Militär

d'Lëtzebuerger Land du 10.12.2021

Ein Nussknacker aus einem altmodischen Bilderbuch betritt die Szene, mit knirschenden Gelenken, knirschenden Gedanken, aus knirschenden Kiefern gepressten Wortkonstrukten. Mit seltsam geblähter, vielleicht gar gepanzerter Brust. Ist ja auch ein Militär. Ein Burschenschafter, Couleurname Mars. Ein ausgebildeter politischer Kommunikator auch noch, was ein bisschen erstaunlich wirkt angesichts der knatternden Rhetorik. Aber endlich ein Militär! Der neue Herr Bundeskanzler aus Österreich. Nach einem Blender, der halb Europa bezirzt hatte mit seinen Visionen. Die tolle Idee, das Mittelmeer zu schließen! Zwei Mal erschien er den Ösis als Kanzler, dann mussten er und seine coole Gang sich diskret zurückziehen. Nach ach! Unbill und Ungemach, das sich unverständlicherweise über ihnen zusammengebraut hatte. Einen Tag nach der Geburt des Kindes Konstantin kündigt der jetzt plötzliche Altkanzler die Rücklegung des Parteivorsitzes und den Totalrückzug aus der Politik an. Es gäbe nichts Schöneres, als sein Baby anzuschauen, dabei hat er diese leuchtenden Augen. Auch Kurz-Kumpane Blümel, Finanzminister und ebenfalls Jungfamilienvater, entdeckt plötzlich die Freuden des Familienlebens. Während frischgebackene Ministerinnen-Mamis nach kürzester Zeit ins Amt zurückkehren, die Wonnen der Mutterschaft eher nicht erwähnend. Nur nicht kitschig werden, Schwäche zeigen, Liebe, Überforderung, nur nicht unappetitlich weiblich werden. Frauen müssen ja ihren Mann stehen.

Endlich ein Militär! Nach einem Aristokraten mit ängstlichem Mausblick und eisig schneidenden Sprüchen, unbeholfen und arrogant zugleich in dem neuen Amt, das er nicht einmal zwei Monat bekleidete. Diplomat, Ex-Außenminister, jetzt wieder Außenminister. Als solcher empfahl er, die Taliban an ihren Taten zu messen. Als solcher fuhr er den eiskalten Kurs seines Gebieters Kurz gegen Flüchtlinge. Ganz Gutsherr kündigte er an, bei den Ungeimpften die Zügel straffer zu ziehen und versprach ihnen ein ungemütliches Weihnachten.

Jetzt ein Militär! Anscheinend bemüht er sich etwas weniger rough rüberzukommen als als Innenminister. Beim Zuhören möchte man ihm ein bisschen Öl in die Mechanik kippen, dass es besser flutscht, durch die Gehirnwindungen. Die gleichen Anwandlungen überkommen eine beim rustikal rechtschaffen wirkenden Gesundheitsminister, Kraftkiefer, Sechziger-Jahre-Haarschnitt, man möchte seinen beschwerlich daher rumpelnden Denkapparat ankurbeln, sicher auch noch so ein Apparat aus dem Industriezeitalter. Auch beim Präsidenten der Ärztekammer, der große Schwierigkeiten beim Formulieren eines Gedankens hat, und dann gar bei mehreren, aber wer will schon ausgrenzend sein? Gottseidank gibt es Standardsätze und den Virusspeech, den können die meisten von uns rückwärts im Schlaf.

Ach Gaukler und Verschaukler Kurz, du konntest wenigstens schön reden! Du konntest wenigstens schönreden! Und jetzt hast du dich im Schoß der Familie verkrochen!

Deine schillernde Truppe mit dem Korruption-ist-geil-Charme, eine Truppe wie aus der Vorstadtweiber-ORF-Serie, ist Vergangenheit. Das schwer verhaltensauffällige Österreich, sechs Mal Kanzler in zehn Jahren, nicht mal Italien schaffte das, war doch mal Hort gesegneten Stillstands, Kaiser Franz Josef, Kaiser Kreisky? Wenn dann eben seine Schwäche nicht wäre. Wenn einer daherkommt, der fesch ist und fabulieren kann.

Jetzt ist Österreich auf Bewährung, beim Militär, die Impfpflicht ist da, neue graue Männer haben das Sagen. Die Männer sind aus der Provinz, Katholisches umweht sie. Ihre Chats will wahrscheinlich keiner lesen, vielleicht chatten sie nicht mal. Vielleicht haben sie nicht mal Follower*innen. Vielleicht reicht ihnen ein Volk, das folgt. Einer hat lange Haare, wegen Bildungsministerium.

Es gab in den letzten Tagen viele Scherze und Karikaturen, sprach Bundespräsident Van der Bellen mit seinem väterlich-müden Lächeln, angesichts der Fließbandangelobungen in seiner Hofburg. Trotz allem schön, dass uns der Schmäh nicht ausgeht, sagt der österreichische Bundespräsident, mit seinem tapfer-weisen, resignierten Lächeln.

Michèle Thoma
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