Wahlbezirk Osten

Trendsetter

d'Lëtzebuerger Land vom 25.10.2013

Gegen halb acht am Sonntagabend war bereits alles gelaufen. Der kleinste Bezirk im Land, der Osten, gab den Trend vor, der für den weiteren Wahlabend gelten sollte: Die Demokratesch Partei legte mit 18,63 gut drei Prozentpunkte ordentlich zu und ist die Gewinnerin dieser Wahlen. Déi Lénk kann ihre Wählerbasis ebenfalls von 2,25 auf 3,05 Prozent vergrößern. Die CSV verliert fast in allen Gemeinden mehr und weniger Prozentpunkte, bleibt dennoch mit 36,9 Prozent die stärkste Partei im Osten. Die Sozialisten dagegen werden abgestraft, wenn auch nicht so stark, wie man beim Junior-Koalitionspartner hätte erwarten können: Sie fallen von 16,23 auf 14,59 Prozent. Federn lassen ebenso Déi Gréng, die von 14,15 auf 13,1 Prozent fallen, sowie die ADR.

Natürlich sei man enttäuscht, wird später ein Henri Kox im Melusina sagen, wo die Partei ihren Wahlabend organisiert hatte. Den Umfragen nach hatten die Grünen sogar auf einen zusätzlichen Sitz im Süden respektive im Osten gehofft. Bei den Gemeindewahlen vor zwei Jahren waren sie die großen Gewinner. Nun haben sie einen Sitz im Zentrum verloren. Einen Sitz hinzuzugewinnen, ist im Osten aber auch nicht einfach: In dem kleinen Bezirk liegt die Latte für einen weiteren Sitz hoch. Zu hoch, wie sich herausstellt.

Jetzt ist selbstkritische Fehlersuche angesagt. Mit Carole Dieschbourg und Christian Kmiotek waren eigentlich keine politischen Neulinge oder zumindest keine ganz Unbekannten ins Rennen gestartet. Die Müllertochter und Unternehmerin Dieschbourg konnte zwar in ihrer Hochburg Echternach und darüber hinaus gut punkten. Anders als der in Junglinster beheimatete Kmiotek, der in seiner Heimatgemeinde lediglich Dritter wurde. Und dass trotz einem kleinen Popularitätsbonus auf nationaler Ebene durch den Posten des grünen Parteipräsidenten.

Das angepeilte Ziel von einem weiteren grünen Sitz bleibt für die Partei ein Traum. Das liegt wohl auch daran, dass sich mit der Piratenpartei, was Themen wie Transparenz, Bürgerbeteiligung und Jugend, plötzlich eine Alternative auftut. Aus dem Stand erzielte die blutjunge Partei, die erstmalig bei Landeswahlen antrat, ein beachtliches Ergebnis. Noch fehlen detaillierte Wähleranalysen, aber dieses Mal zumindest ist es den Piraten gelungen, den anderen etablierten Parteien Stimmen abzuluchsen. Es ist ihnen, und wohl auch der PID, die 1,55 Prozent der Stimmen bekam, zu verdanken, dass die rechtspopulistische Partei der kleinen Leute, die ADR, ihren anvisierten Sitz im Osten nicht zurückgewinnen konnte. Eine bittere Niederlage für den Landwirt Robert Mehlen, der nach seinem Ausscheiden vor vier Jahren gehofft hatte, wieder ins Parlament einziehen zu können. Sein bitterer Kommentar am Wahlabend: Man wisse, wem man das zu verdanken habe, zielte er in Richtung des abtrünnigen Ex-ADR-Abgeordneten und PID-Gründers Jean Colombera.

Die Frage ist, ob der positive Trend der Abstauber andauern wird und es die Piraten schaffen werden, als außerparlamentarische Opposition ihr Profil zu schärfen. In Deutschland sind die Piraten nach einem Traumstart vor allem wegen interner Querelen, Dauerfehden um und zwischen den Geschlechtern sowie fehlender Inhalte (über Copyright und Datenschutz hinaus) auf Bundesniveau eingebrochen.

Das schlechte Abschneiden der Gewinner der vergangenen Wahlen, den Grünen, lag auch am Gesamtumfeld: Während der Wirtschaftskrise wird der Umweltpartei im Allgemeinen weniger Kompetenz zugetraut. Bei Umfragen des Meinungsforschungsinstituts TNS Ilres hatte der grüne Spitzenkandidat zwar in punkto Kompetenz seit Oktober 2011 kontinuierlich zulegen können und lag sogar im Frühjahr vor dem liberalen Differdinger Bürgermeister Claude Meisch. Doch die Nase vorn hatte bei der Opposition immer noch Xavier Bettel.

Die DP ist der große Abräumer im landwirtschaftlich geprägten Osten, wo sie stellenweise zwischen vier und acht Prozent zulegen kann. Hier zahlte sich aus, dass die DP nicht einen, sondern gleich vier Spitzenkandidaten aufgestellt hatte. Mit der Mondorfer Bürgermeisterin Maggy Nagel an der Spitze sicherte sich die DP im Osten einen wichtigen zusätzlichen Sitz. Mit dem Mondorfer Schöffen und Präsidenten der Jugendsektion der DP im Osten, dem Grundschullehrer Lex Delles, zieht zudem ein Vertreter der jungen DP-Generation auf dem Krautmarkt ein.

Der Streit zwischen der jüngeren und der älteren Generationen bei den Liberalen, der 2009 noch dazu geführt hatte, dass die DP im Osten eines ihrer schlechtesten Ergebnisse seit Jahren eingefahren hatte, scheint vergessen. Auch wenn die personelle Erneuerung vielleicht noch nicht überall abgeschlossen ist, so sind die Reihen stabilisiert und trauen die Wähler den Blauen wieder mehr zu. Die blaue Talfahrt ist gestoppt, es geht aufwärts. Zur Trendwende zum Guten hat aber sicher auch die landesweite Popularität eines Xavier Bettels beigetragen.

Die Einschätzung einiger DP-Politiker, dass man im Osten ja keinen Wahlkampf gegen Juncker machen dürfe, ohne dafür abgestraft zu werden, hat sich nur halb bewahrheitet: Tatsächlich musste die CSV, die 2009 noch Traumresultate einfuhr (in Bous wählte 2009 jeder zweite Wahlberechtigte Schwarz-Orange, 2013 waren es „nur“ noch beachtliche 43,33 Prozent) doch teilweise deutliche Federn lassen. Den Trend gab Waldbredimus vor, die als erste Gemeinde im Land komplett ausgezählt war. Die Christlich-Sozialen verloren dort fünf Prozentpunkte (41 Prozent), die DP dagegen gewann sieben Prozentpunkte hinzu. Déi Gréng sanken von 15,7 auf 14,62 und die Sozialisten von 13,44 auf 10,93.

Dabei haben sich die christlich-sozialen Ostkandidaten gut geschlagen, zumal mit Fernand Boden, Lucien Clement und Marie-Josée Frank drei bekannte Politiker bei diesen Wahlen nicht mehr mit an den Start gegangen sind. In Remich trat die CSV ohne eigenen Kandidaten an. Und trotzdem: Die ehemalige Mittelstandsministerin Francoise Hetto-Gaasch überrundete die Siegerin von 2009, die ehemalige Justizministerin und Winzerin Octavie Modert, deutlich mit beeindruckenden 14 281 Wählerstimmen (Modert: 11 525). Nur dass die CSV-Politikerinnen Ministerämter behalten werden, ist unwahrscheinlich, sollte sich die von den Liberalen angestrebte Dreier-Koalition wirklich bewahrheiten. Der Grevenmacher Bürgermeister und Abgeordnete Léon Gloden konnte mit 10 612 Stimmen seinen Sitz im Parlament ebenfalls sichern.

Die Sozialisten mussten praktisch überall im Osten Verluste hinnehmen, im Null-Komma-Bereich (in Betzdorf, Flaxweiler, Grevenmacher, Wormeldingen) und fast zehn Prozentpunkte (in Bech). Lediglich im industriell geprägten Eisenbahnerstädtchen Mertert, sowie in Bous, legten die Roten zu. In Mertert lag die von Bürgermeister Gust Stefanetti angeführte LSAP mit 30,18 Prozent Zustimmung sogar nur knapp hinter der CSV mit 33,18 Prozent. Stefanetti war der Viertgewählte auf der LSAP-Liste.

Erstaunlich ist eher, dass die LSAP trotz Regierungsverantwortung nicht noch deutlicher abgewatscht wurde. Sie rangiert zwar weiterhin im von der Landwirtschaft dominierten, rural geprägten Osten nur an vierter Stelle: hinter der CSV, den Liberalen und den Grünen. Aber massiv eingebrochen ist sie auch nicht. Spitzenkandidat Nicolas Schmit hat gegenüber den letzten Parlamentswahlen zwar deutlich an Stimmen verloren (5 070 gegenüber 7 568 im Jahr 2009). Dass die Sozialisten nicht noch mehr Federn gelassen haben, der Abstand zur CSV sogar ein wenig geschrumpft ist, ist auch einer bis dato eher unbekannten Tess Burton zu verdanken. Die Unternehmerstochter und Gemeinderätin aus Grevenmacher überrundete sogar Ben Scheuer, erster Schöffe in Echternach und Sohn des populären ehemaligen Abgeordneten Jos Scheuer, der aus dem Parlament ausscheidet. Familie und Tradition ist eben auch im Osten nicht (mehr) alles.

Ines Kurschat
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