LEITARTIKEL

Ein Jahr Covid-19

d'Lëtzebuerger Land du 26.02.2021

Am Wochenende wird es ein Jahr her sein, dass in Luxemburg die erste Person positiv auf das Sars-CoV-2-Virus getestet wurde. Es war Samstag, der 29. Februar. Am Tramsschapp auf dem Kirchberg war Gratistransport-Party, in der Villa Louvigny hielten Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) und Gesundheitsamtsdirektor Jean-Claude Schmit um 21.30 Uhr eine Pressekonferenz ab.

Damals ahnte noch niemand, dass nur zwei Wochen später Schluss sein sollte mit Freiluftpartys. Als die Abgeordnetenkammer am 22. März für drei Monate den Notstand erklärte, lag der Sieben-Tage-Schnitt der positiv Getesteten bei 104. Am Dienstag dieser Woche lag er bei 193. Mit dieser Inzidenz, sagte Paulette Lenert am gestrigen Donnerstag auf einer Pressekonferenz, liege Luxemburg im „Peloton Benelux“.

Vergleichen lassen die Situationen damals und heute sich schlecht. Damals wusste niemand, was von dem neuen Virus zu erwarten war. Bilder aus Norditalien und dem Elsass gingen durch Europa. Auch in Luxemburg füllten die Spitäler sich schnell mit Covid-Kranken; von einem am 19. März auf 63 drei Tage später. Der Spitzenwert von 173 am 4. April wurde aber erst am 2. November, in der zweiten Welle, übertroffen. Der erste Lockdown ließ die Zahl der Hospitalisierten bis Ende Mai auf 23 sinken; im Laufe des Juni bis auf acht. Im Juni gab es Tage, an denen niemand wegen Covid-19 intensiv versorgt werden musste. Diese Woche oszillierte die Zahl der Intensivpatient/innen um die 15. Das ist schon seit vier Wochen so.

Vielleicht illustriert das den Umgang mit Covid hierzulande treffend: Luxemburg reitet auf den Wellen, so gut sich das machen lässt. Es ist dabei als kleines Land im Vorteil gegenüber den Großen, die ihre Politik auf viel größere Räume ansetzen müssen. Paulette Lenert antwortete gestern auf die Frage, wie der Politikansatz sich in dem einen Jahr Covid-19 entwickelt habe, dass im Grunde immer „das Essenzielle“ gemacht worden sei. „Im März haben wir ein Krisenzentrum eingerichtet, heute diskutieren wir über die Qualität von Schnelltests.“

Wie genau über das Reiten auf den Wellen entschieden wird, weiß freilich die große Öffentlichkeit heute genauso wenig wie damals. Die Regierung hat den Umgang mit der Seuche nie mit Strategie und Taktik kommuniziert, hat nie gesagt, bei welchem Stand welcher Covid-Indikatoren was für Einschränkungen und was für Lockerungen gelten könnten. So etwas mitzuteilen, wurde immer als „zu komplex“ abgewiesen. Wahrscheinlich hätte sich darauf eine Pandemie-Antwort der Bevölkerung aufbauen lassen können, doch die Regierung entscheidet lieber von Fall zu Fall. Dass die CSV ihr alle drei Wochen vorhält, „keinen Plan“ zu haben, daran hat sie sich gewöhnt.

Und dabei wird es vermutlich bleiben, bis ein ausreichend großer Teil der Bevölkerung geimpft ist und nach und nach Entwarnung gegeben wird. Es sei denn, die „Varianten“ zwingen noch einmal dazu, streng durchzugreifen. Im Moment sieht es danach nicht aus, obwohl die britische Variante, die vielleicht um 50 Prozent leichter übertragen werden kann, die Covid-Infektionen in Luxemburg mittlerweile dominiert: 56 Prozent der positiv Getesteten hatten sich mit B.1.1.7 angesteckt, so das LNS, das die Virusgenome sequenziert.

Dass die Varianten hier weniger Grund zur Panik sind als in größeren Ländern, ist interessant. Es könnte daran liegen, dass Luxemburg viel sequenziert – im EU-Vergleich macht nur Dänemark noch mehr –, und dadurch früh weiß, ob Risiken lauern. Anders ausgedrückt: Luxemburg hat das Geld, sich ein paar Extras zu leisten. Das Large-scale testing, das bisher 100 Millionen Euro gekostet hat, ist ein weiteres. Derzeit wird beraten, welche Schnelltests der Staat kaufen soll, und welche er weiterempfiehlt; gerne solche für den Hausgebrauch, falls sie gut genug sind. Das hört sich alles ziemlich gut an. Es gleicht dem Versprechen der liberalen Regierung vor der Krise, dass alles besser werde. Selbst im Notstand letztes Jahr gab die Regierung gerne das Bild, dass die Normalität nicht weit sei. Das ist die Konstante in einem Jahr Covid.

Peter Feist
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