European month of photography

Wolkenradar

Serge Ecker, Do clouds listen?
Foto: Boris Loder
d'Lëtzebuerger Land vom 14.04.2017

Stand der Begriff Cloud noch bis vor wenigen Jahren ausschließlich für das meteorologische Phänomen, so hat sich seine Bedeutung in Zeiten des „Cloud Computing“ auch auf onlinebasierte Speicher- und Verwaltungsdienste ausgeweitet. Dem Nutzen dieser Dienste stehen dabei die Vorbehalte gegenüber, privaten und staatlichen Netzwerken persönliche Daten zu überlassen.

Die aktuelle Auflage des European month of photography (Emop), die in Luxemburg von Pierre Stiwer und Paul Di Felice kuratiert wird, beleuchtet unter dem Titel Looking for the clouds verschiedene Aspekte dieser Entwicklung. Vergangene Woche fand im Musée national d’histoire et d’art mit der Gruppenausstellung Portraits sous surveillance die Eröffnung der zweiten großen Emop-Ausstellung statt. Am selben Abend eröffnete – ebenfalls im Rahmen des Emop – Serge Eckers Ausstellung Do clouds listen?

Die Ausstellung im MNHA thematisiert, wie Überwachungskameras anhand von Bewegungsprofilen und Gesichtserkennung Individuen in Computerdaten umwandeln, diese speichern und nutzen. Spannungsreich ist dabei die Gegensätzlichkeit zur klassischen Porträtfotografie: Fast alle der acht Künstler bewegen sich auf dem Feld der Post-Fotografie; sie greifen auf bestehendes Bildmaterial zurück, welches sie mit Referenz auf die Datennutzung verfremden und weiterverarbeiten.

Der luxemburgisch-portugiesische Künstler Marco Godinho etwa sammelte über zwei Jahre Bildränder, die im portugiesischen Generalkonsulat in Luxemburg beim Erstellen von Personalausweisen anfielen. Vor der Umstellung auf eine rein digitale Prozedur wurden die Porträts einzeln aufgenommen, ausgedruckt und ausgestanzt. Godinho sammelte Hunderte Beschnitte, auf denen einzig die Schultern der Personen angedeutet sind. In der Summe dieser entleerten Porträts ergibt sich als neuer Inhalt die zugleich einfach und eindrücklich entfaltete Fragestellung, inwieweit die Verwaltung persönlicher Daten einer Katalogisierung von Identitäten gleichkommt.

Der Slowene Jure Kastelic wählt in seiner Arbeit Death reporters die Methode des Screenshots, um Fernsehbilder von Nachrichtensprechern in jenem Moment festzuhalten, in dem sie die Opferzahlen tödlicher Katastrophen aussprechen. Die von den Fernsehrastern marmorierten Bilder zeigen erschütterte Blicke sowie grotesk bis obszön verzerrte Münder, und kontrastieren so die Mimik der Sprecher mit dem Ausmaß der Katastrophe. Die recht plakative Auseinandersetzung mit der Informationsübermittlung verweist auf die Sensationsgier mancher Medien, die sich in Zeiten eines an Grausamkeiten zunehmend saturierten Publikums nur weiter steigert.

Eine konzeptionell überaus beeindruckende Arbeit präsentiert der Spanier Daniel Mayrit mit You haven’t seen their faces. Nach den Unruhen in London im Jahr 2011, die ihren Ursprung in der Finanzkrise nahmen, fahndete die Polizei mit Hilfe von Bildern aus Überwachungskameras öffentlich nach Unruhestiftern und implizierte damit die Schuld der Gesuchten. Mayrit dreht den Blick um und zeigt die Verantwortlichen jener Krise, die 100 mächtigsten Personen Londons, die ebenfalls in Form von Überwachungsbildern porträtiert wurden. Die Sehgewohnheiten konnotieren auch in dieser Blickrichtung, dass Kriminelle gezeigt werden – der Betrachter wird seine Schlüsse daraus ziehen.

Weitere Arbeiten zeigen einen technisch-automatisierten Kamerablick, wie etwa Jules Spinatschs Serie über den Wiener Opernball, in der zwei mittig angebrachte Kameras die Oper in ein Panoptikum verwandeln, das über den Abend aufgenommene, teils erstaunlich beklemmende Szenerien der Veranstaltung zeigt.

Im Ganzen überzeugt die Ausstellung durch die vielfältigen, unkonventionellen Herangehensweisen der Künstler, die konträr zu traditionellen Formen der Fotografie laufen. Portraits sous surveillance präsentiert eine gelungene Auswahl zeitgenössischer und progressiver Strömungen der Kunstfotografie.

Nicht mit Porträts, sondern mit Grenzen und Übergangsräume befasst sich der Luxemburger Künstler Serge Ecker, der in seiner Ausstellung in der Galerie Sofronis Arts im Grund neben seinen Fotografien drei Skulpturen zeigt. Ob Österreich, Litauen oder Kyoto: Eckers Blick richtet sich skeptisch auf den Himmel, der etwa durch Drohnenangriffe jederzeit zum Unheilsbringer werden kann. So hängt denn auch passend ein Drohnen-Mobile neben einer Fotografie kreisförmiger Kondensstreifen. Im Gegensatz zu den metaphorisch-virtuellen Datenwolken im MNHA wird die Wolkendecke bei Ecker ironisch zum Schutzmantel vor der Bedrohung verkehrt. Das Titelbild der Ausstellung, ein Antennenmast mit zehn anmontierten Lautsprechern, verweist auf eine beklemmende Ambivalenz, gleichermaßen Propaganda verbreiten oder per Sirene vor einer Bedrohung warnen zu können.

Der Himmel kommt als verbindendes Element in Eckers Arbeiten zu Grenzgebieten zur Geltung. Ein Bild zeigt eine improvisierte, zaunförmige Skulptur aus gefundenen Stöcken an einem verlassenen Strand an der Grenze zwischen Litauen und Russland – Ecker stellt dieses Areal als absurdes, durchlässiges Niemandsland dar. Die raumfüllende Skulptur Borderhopping, ein sechs Meter langer Grenzzaun aus Nato-Stacheldraht symbolisiert die augenscheinlich scharfe Trennung zweier Gebiete. Diese eint jedoch der blaue Himmel darüber, von Ecker als gewebter Stoff umgesetzt, der gleich einem Teppich zur sicheren Überwindung über dem Stacheldraht liegt.

Serge Eckers Werke beeindrucken durch den Kontrast zwischen der Leere, die in den Bildern dokumentiert wird, und dem Gefühl einer latenten Bedrohung. Wie Ecker in der Beschreibung mit Blick auf den Drohnenkrieg anmerkt: „Today, people don’t look at the sky for rain, but to prepare for the possibility of an imminent attack.“

Portraits sous surveillance. Musée national d‘histoire et d‘art Luxembourg, bis
17. September 2017; Dienstag bis Sonntag: 10 bis 18 Uhr, Donnerstags: 10-20 Uhr. / Serge Ecker: Do clouds listen? Galerie Sofronis Arts, bis 28. April 2017. / Das ganze Programm des European month of photography in Luxemburg finden Sie hier: www.emoplux.lu.

Boris Loder
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