Drei Luxemburger Student/innen in den USA passen auf, nichts falsch zu machen

Land of the free

Frisch Graduierte der Harvard University  bei der traditionellen Zeremonie vergangenen Sonntag
Foto: Rick Friedman / AFP
d'Lëtzebuerger Land vom 06.06.2025

Seit Anfang April ringt die Elite-Universität Harvard mit der Trump-Regierung um ihre Autonomie. Vergangene Woche hat sich der Streit weiter hochgeschaukelt und sich auf alle ausländischen Studierenden in den USA ausgeweitet: Eine vom Außenminister Marco Rubio unterzeichnete Mitteilung hat die zuständigen Behörden angewiesen, vorerst keine weiteren Termine für Studentenaustausch und keine weiteren Studentenvisa zu vergeben. Man bereite sich darauf vor, die Aktivitäten von Bewerber/innen in den sozialen Netzwerken umfassender zu überprüfen, so Rubio.

Die Eskalation des Streits zwischen der privaten Universität Harvard und der Trump-Administration schafft für internationale Studierende an anderen Institutionen vor allem Ungewissheit. Das Land hat mit drei Luxemburger/innen gesprochen, die entweder in den USA studieren oder einen studienbezogenen Aufenthalt dort absolvieren. Um ihre Identitäten zu schützen, werden sie entweder nur mit ihren Vornamen oder mit geänderten Vornamen genannt.

„Sonst habe ich ab und zu kurze Urlaube außerhalb der USA mit Freunden geplant, aber jetzt will ich das Land nicht mehr während dem Semester verlassen. Einer meiner Freunde, der aus Österreich kommt, wird sogar während der kommenden Sommerferien in den USA bleiben. Ihm ist eine Ausreise zu riskant“, erzählt Lucie1, die seit August 2023 in Texas studiert. Sie betont, dass die Einreise schon unter Präsident Joe Biden strikt gehandhabt wurde. Nun aber gebe es mehr Unsicherheit. „Man kann seine Aufenthaltsgenehmigung schnell verlieren. Ich passe auf, nichts falsch zu machen.“ Die Luxemburgerin interessiert sich für Politik, teilt aber nichts Politisches in ihren sozialen Netzwerken. „Manchmal würde ich gerne, aber ich will nicht, dass das irgendwann negativ auf mich zurückfällt“, erklärt sie.

Louis studiert seit August 2022 in North Carolina. An seiner Uni, berichtet er, sei der Umgang der Trump-Administration mit ausländischen Studierenden kein großes Thema. „Wir sind hier eine absolute Minderheit. Knapp fünf Prozent der Studenten sind aus dem Ausland“, erklärt der Luxemburger. „Ich habe aber viel Kontakt mit anderen ausländischen Studenten, weil ich Teil der Fußballmannschaft bin, die sehr international ist. Wir reden schon darüber, aber wir nehmen das nicht so ernst. Es fühlt sich zu weit weg von uns an. Man denkt sich dann immer, sowas passiert mir doch nicht.“

Trotzdem erzählt der 22-Jährige davon, aufzupassen, nichts falsch zu machen. „Wenn ich einkaufen gehe und am Self Scanner zahle, passe ich besonders gut auf, alle Artikel zu scannen. Früher habe ich darauf nicht immer so Acht gegeben.“ Er fahre auch nicht mehr Auto, wenn es sich vermeiden lässt. „Ich will nicht auffallen oder die Aufmerksamkeit der Behörden auf mich ziehen“, führt Louis aus. Er sei politisch interessiert, halte sich aber in den sozialen Netzwerken mit politischen Äußerungen zurück. „Ich will niemandem meine Meinung im Internet aufdrängen“, erläutert er. Auf die Frage, wie er die neuesten Entwicklungen wahrnimmt, antwortet Louis: „Dass die Trump-Administration nun alle ausländischen Studierenden im Visier hat, macht nervös. Die Lage hat sich in meinen Augen deutlich verschlimmert.“

„Et ass eng komesch Zeit hei“, erklärt Anna2 im Gespräch mit dem Land. Eigentlich studiert die Luxemburgerin in der Schweiz, ist aber seit März dieses Jahres für einen sechsmonatigen Forschungsaufenthalt an der Universität Yale, um ihre Master-Arbeit dort zu schreiben. Sie verweist am Anfang des Gesprächs darauf, dass ihre persönliche Situation nicht mit der vieler anderer Studierender zu vergleichen sei: Weder ihr Abschluss noch ihre Zukunft hingen von ihrem Aufenthalt in den USA ab. „Die Umstände in Yale sind ganz anders als in Harvard. Im Moment läuft alles wie normal. Trotzdem liegt etwas in der Luft. Einige meiner Mitarbeiterinnen, die keine US-Bürgerinnen sind, reisten neulich noch zu einer großen Konferenz im Ausland. Die Angst ist nicht so groß, dass man so etwas absagt, aber man ist sich der Risiken klar bewusst.“ Anna erzählt davon, wie vor einigen Wochen ICE, die Einwanderungs- und Zollbehörde, auf dem Campus war. „Ich habe eine WhatsApp-Nachricht erhalten, wo genau die Polizisten kontrollieren. Ich wusste, dass ich legal hier bin und nichts falsch gemacht habe, trotzdem wollte ich nicht riskieren, ihnen zu begegnen“, schildert sie und fügt hinzu: „Es zirkulieren viele Gerüchte, aber genau das ist es, was die Regierung will.“ Auf die Frage, wie sie damit umgeht, antwortet sie: „Ich versuche, soweit es geht, das alles nicht an mich heranzulassen. Das Schlimmste, was mir passieren kann, ist, dass man mich nach Hause schickt und ich meine Master-Arbeit von dort aus fertigstelle.“

Im Prinzip zielen die Repressionen nicht auf politisch inaktive ausländische Studierende wie die drei Luxemburger/innen ab. Die Angst, die Aufenthaltsgenehmigung entzogen zu bekommen, besteht trotzdem, da die Situation sich jeden Moment ändern kann. „Der Umstand, dass auch Personen ihr Verhalten ändern, obwohl sie selbst nicht direkt betroffen sind, oder an Institutionen studieren, die nicht direkt betroffen sind, ist genau das, was erreicht werden soll. So funktioniert Selbstzensur“, erläutert Aurel Croissant, Professor der Politikwissenschaft an der Universität Heidelberg, dessen Forschungsschwerpunkt die Vergleichende Analyse politischer Systeme ist. Er forscht unter anderem zu Autokratisierungs-Prozessen.

Die Trump-Regierung wolle an Harvard ein Exempel statuieren: „Dieser Angriff auf die Freiheit von Forschung und Lehre ist sowohl Autokratisierung, da die Regierung versucht, ihre Machtfülle gegen mögliche Kritik und Kontrolle abzusichern, als auch ein Instrument im Kulturkampf, um politische Unterstützung bei den eigenen Wählern zu reproduzieren“, erläutert Croissant. Er argumentiert, es gehe nur vordergründig um ausländische Studierende. Eigentlich gehe es darum, die „Hochburgen“ des liberalen Denkens, von denen die Universität Harvard die bedeutendste ist, auszuschalten. Sollte es der Regierung gelingen, die Universität „an die Kandare zu nehmen“, garantiere das die „diskursive Vorherrschaft des republikanischen Lagers“. Wenn man es Harvard antun könne, könne man es allen antun.

JD Vance, der heutige Vizepräsident der USA, hatte schon 2021 in einem Interview mit dem konservativen Podcaster Jack Murphy erklärt, man müsse die Linke deinstitutionalisieren und die Rechte reinstitutionalisieren. Er sprach von einem Programm der „de-wokeification“. Ende April schrieb Präsident Trump in einem Truth Social-Post, Harvard sei eine „linksextreme“ Institution und eine „Bedrohung für die Demokratie“.

Für das akademische Jahr 2023/24 haben 147 Luxemburger/innen, die in den USA studieren, beim Cedies finanzielle Unterstützung angefragt. Der Pressebeauftragte des Hochschul- und Forschungsministeriums weist gegenüber dem Land darauf hin, dass diese Zahl nicht zwangsläufig alle Luxemburger Student/innen in den USA erfasst, da es sein könne, dass Einzelne keine finanzielle Unterstützung angefragt haben. Die Zahlen für das akademische Jahr 2024/25 stünden noch nicht fest, die Anträge würden noch bearbeitet. Am Mittwoch voriger Woche meldete RTL, dass der Vizepräsident des Studentenverbands Acel, Laurent Schengen, angehenden Studenten davon abrät, ein Studium in den USA aufzunehmen.

Claire Meyers
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