ZUFALLSGESPRÄCH MIT DEM MANN IN DER EISENBAHN

Reunião do Acaiaca

d'Lëtzebuerger Land du 06.06.2025

Am 31. März 1964 stürzte das Militär den brasilianischen Präsidenten João Goulart. Es errichtete eine Diktatur, die bis 1985 dauerte. Zum 60. Jahrestag erschienen neue Studien über die Hintergründe des Staatsstreichs. Das Zentrum für Anthropologie und forensische Archäologie der Universität São Paulo veröffentlichte A responsabilidade de empresas por violações de direitos durante a ditadura (São Paulo, 2024). Ein Kapitel befasst sich mit der Rolle der brasilianischen Arbed-Tochter Belgo-Mineira (heute: Arcelor-Mittal).

1963 wurden 172 Streiks in Brasilien gezählt. Präsident Goulart erhöhte den Mindestlohn, kündigte eine Landreform an, wollte Konzerne höher besteuern. Das drohte, das Betriebsergebnis von Belgo-Mineira zu schmälern, den Preis ihrer an der Luxemburger Börse quotierten Aktien.

Deshalb finanzierte Belgo-Mineira die Lobbys Ipes und Ibad. Um rechte Politiker zu bezahlen, gewerkschaftsfeindliche Propaganda zu verbreiten. Belgo-Mineira-Direktor Antônio Mourão Guimarães war Mitbegründer von Ipes (Heloisa Maria Murgel Starling, Os senhores das Gerais, Petrópolis, 1986, S. 59). Ipes unterhielt ein paramilitärisches „comando revolucionario“: die Novos Inconfidentes. Zu ihnen zählte Bráulio Carsalade Vilela von Belgo-Mineira (S. 347, 350). Er war der Schwiegersohn von Firmenpionier Louis Ensch aus Redingen an der Attert. Novos Inconfidentes plante für den 21. April 1964 ein Attentat auf Präsident Goulart (S. 123). Mit dem Putsch erübrigte es sich.

„Hochrangige Mitglieder von Belgo Mineira“, so A responsabilidade de empresas, „waren bei einem wichtigen Treffen zur Organisation des Putsches unter der Leitung des Rechtsanwalts Aluísio Aragão Villar anwesend. Das Treffen fand im Januar 1964 im Acaiaca-Gebäude in Belo Horizonte (Minas Gerais) statt und brachte die wirtschaftliche Elite von Minas Gerais, sowohl aus der Stadt als auch vom Land, sowie Mitglieder von Ipes-Minas Gerais und Offiziere der Militärpolizei und der Luftwaffe zusammen“ (S. 20, übersetzt).

Die Historikerin Heloisa Starling veröffentlichte die Teilnehmerliste der „reunião do Acaiaca“ zur Putschvorbereitung: Anwesend waren der Generaldirektor von Belgo-Mineira, Joseph Hein aus Beles, seine Direktoren Elmo Alves Nogueira, Geraldo Parreiras (Os senhores das Gerais, S. 343).

„In João Monlevade wurde wenige Tage nach dem Putsch am 4. April 1964 ein pensionierter Oberstleutnant, der Sicherheitschef von Belgo-Mineira war, von General Carlos Luíz Guedes zum Aufseher der Metallarbeitergewerkschaft ernannt (A responsabilidade de empresas, S. 21). „Alle verhafteten Arbeiter und viele weitere festangestellte Mitarbeiter, die nicht festgenommen wurden, wurden gezwungen, ein Kündigungsschreiben des Unternehmens zu unterschreiben (S. 25).

„Einige Belgo-Mineira-Mitarbeiter [...] wurden nicht nur verhaftet und gefoltert, sondern mussten auch zusehen, wie ihre Familien Opfer von Gewalt wurden, die die Polizei mit Duldung des Unternehmens ausübte“ (S. 26). „Einige ehemalige politische Gefangene berichten von der Anwesenheit während der Folterungen eines Arztes, der bei Belgo-Mineira in Contagem (Minas Gerais) angestellt war“ (S. 27).

Im Jahr nach dem Putsch reiste Großherzog Jean zum Staatsbesuch nach Brasilien. Am 13. September 1965 erhob er mit Militärdiktator Castello Branco das Glas auf Luxemburgs „participation directe au développement de l’économie brésilienne“ (Sip, Bulletin de documentation, 12/1965).

Bei Belgo-Mineira in Contagem begann am 16. April 1968 der erste große Streik in Brasilien unter der Militärdiktatur. Der Sohn des Generaldirektors, José Nicolau Hein, erzählt: Die Arbeiter „woren eragaangen, an d’Leit, den Här Kinsch an déi alleguer, d’Direkteren an all, déi woren agespaart ginn. Déi konnten net méi erauskommen. Wärend 15 [Deeg] oder ee Mount“ (https://colonia.lu/). 1 500 Militärpolizisten rückten an. Der Streik dauerte zehn Tage. Er endete mit einer zehnprozentigen Lohnerhöhung.

Romain Hilgert
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