Das Hin und Her um die Beihilfen für den Kierchefong könnte der Einstieg in die große Diskussion der Zuschüsse im Wohnungsbau sein

Keine zwei Prozent Erlös

d'Lëtzebuerger Land du 06.09.2019

Vor vier Wochen gab der Wohnungsbau mitten im Sommerloch ein hartes Politikthema her und löste innerhalb von nur sieben Tage mehrere parlamentarische Anfragen an Ministerin Sam Tanson (Grüne) aus. Alles begann mit einem langen Artikel im Luxemburger Wort vom 2. August. Darin beklagte der Geschäftsführer des Kierchefong, Philip Mauel, vom Ministerium „ausgebremst“ zu werden: Nicht nur lasse es sich Zeit beim Abschluss neuer Projekte für den Bau sozialer Mietwohnungen durch den Kierchefong, die staatlich subventioniert werden sollen. Das Ministerium ändere überdies „unterwegs die Kriterien“.

Denn bisher galt, dass Mietwohnungen, die mit Unterstützung aus der Staatskasse entstehen, nach zwanzig Jahren zu Marktpreisen verkauft werden können. Sam Tanson wolle diese Frist nicht nur auf vierzig Jahre verdoppeln, womit der Fonds „kein Problem“ habe, sondern die neue Regel auch auf Projekte anwenden, für die bereits ein ministerieller „Accord de principe“ vorliege und für die der Kierchefong davon ausgegangen war, sie nach zwanzig Jahren veräußern zu dürfen. Das sei „an Dreistigkeit kaum zu überbieten“, fand das Wort am 6. August: Seinen Recherchen zufolge habe das Ministerium die Frist für Kierchefong-Projekte verdoppelt, die schon vor den Wahlen 2018 eingereicht worden waren. Das gleiche sei mit einem Vorhaben der Œuvres paroissiales Saint-Martin aus Düdelingen passiert. Nicht-kirchliche Bauträger dagegen hätten 20 Jahre zugestanden bekommen. Mit der „Ideologiefreiheit der Grünen“ sei es offenbar nicht weit her.

Der Kierchefong wurde im vergangenen Jahr Rechtnachfolger sämtlicher Kirchenfabriken. Dass seine Mietwohnungs-Projekte derart in die Diskussion geraten sind, liegt schon daran, dass Kirchenfabriken beziehungsweise Kierchefong in den letzten Jahren im Wohnungsbau viel aktiver geworden sind. Mitte 2017 überschritt die Gesamtzahl der Wohneinheiten, über die Kirchenfabriken Konventionen mit dem Wohnungsbauministerium abschlossen, die Hundert. In den Jahren zuvor waren es nur um die zwanzig. Im Dezember 2018 wies das das letzte Update des Programme de construction d’ensembles de logements subventionnés Kierchefong-Projekte über insgesamt 190 Wohneinheiten aus.

Zweiter Grund für die gestiegene Aufmerksamkeit: Anfang des Jahres wurde bekannt, dass in Kierchefong-Wohnungen Mietpreise von zehn Euro pro Quadratmeter genommen werden können (d’Land, 11.01.2019). Was nicht unsozial sein muss, verglichen mit den Preisen auf dem freien Miet-Markt, aber mehr als doppelt so hoch wie die durchschnittliche Sozialmiete, die Gemeinden, Fonds du logement und SNHBM verpflichtet sind zu berechnen. Kierchefong-Präsident Norbert Haupert hatte kurz vor Weihnachten vergangenen Jahres dem Radio 100,7 erzählt, die Kirchenfabriken bezögen aus Projekten im sozialen Wohnungsbau Einnahmen, „um die Kirchen, die Katecheten, um das funktionieren zu lassen“. Das Wohnungsbauministerium sagte damals, es könne noch nicht nachkontrollieren, ob in der Praxis eingehalten wird, was in den Abmachungen zwischen Ministerium und Bauträger steht. Ministerin Tanson erklärte aber: „Es kann nicht sein, dass öffentliche Gelder, die wir zur Verfügung stellen, für andere Zwecke genutzt werden“ (d’Land, 15.02.2019).

Um diese Frage scheint es noch immer zu gehen. Denn das Wort war am 2. August bemüht, den Kierchefong arm, aber zugleich mildtätig-fromm und bescheiden eingestellt aussehen zu lassen: 135 Kirchen und Kapellen besitze er, für deren Unterhalt er aufkommen müsse. Jahresmieten von 1 000 bis 2 500 Euro für Kirchen, die Gemeinden gehören, müsse er zahlen, außerdem die Gehälter für 110 Mitarbeiter. An das nötige Geld könne er zum Beispiel durch „aktive“ Nutzung seines Immobilienvermögens gelangen. Allerdings „nicht als Akteur auf dem privaten Wohnungsmarkt, sondern indem er staatlich subventionierte Sozialwohnungen baut“. Der subventio-
nierte Mietwohnungsbau sei „kein besonders lukratives Geschäft“. Dass der Kierchefong „überhaupt im Plus“ liege mit seinen Wohnungsbau-Aktivitäten, verdanke er drei Projekten, die er ganz ohne staatliche Hilfe realisiert.

Ob das so stimmt, ist nicht klar. Laut Wohnungsbau-Beihilfengesetz kann der Staat sowohl die Baukosten zu 75 Prozent übernehmen als auch 75 Prozent der Kosten für einen eventuell nötigen Grundstückserwerb. Nimmt man an, dass der Gestehungspreis für eine 80 Quadratmeter große Wohnung bei zurzeit üblichen 6 000 Euro pro Quadratmeter liegt oder 480 000 Euro insgesamt, und nimmt man ebenfalls an, dass für die Wohnung pro Quadratmeter zehn Euro Miete genommen werden, dann läge bei einem Subventionssatz von 75 Prozent der Eigenkapitalbedarf für die Wohnung bei 120 000 Euro – und auf ihn brächten die jährlich 960 Euro Miete eine Rendite von acht Prozent ein.

Das wäre mehr, als Immobilienfonds abwerfen. Und es würde noch nicht berücksichtigen, welcher Bonus sich erzielen lässt, wenn die Wohnung auf dem freien Markt verkauft wird. Wie die Erlöslage in der Praxis aussieht, ist nicht gewiss, denn die Konventionen zwischen Ministerium und Projektträgern sind nicht publik. Wie die Wohnungsbauministerin auf eine parlamentarische Anfrage von Henri Kox (Grüne) diese Woche mitteilte, können die Subventionen maximal 2 500 Euro pro Quadratmeter für die Baukosten und 1 800 Euro je Quadratmeter für einen Grundstückserwerb betragen. Was den Erlös auf den Kapitaleinsatz natürlich begrenzt. Sicher ist aber, dass mit „Quadratmeter“ nicht allein die Wohnfläche gemeint ist. Zur Berechnung dieses Werts gilt eine komplizierte Formel, in die zum Beispiel auch die Isolation der Wände und das Treppenhaus anteilig eingehen. Das Wohnungsbauministerium wollte zur Ertragslage von Kierchefong-Projekten auf Anfrage keine Angaben machen. Die Ministerin zog es auch vor, ihrem Parteikollegen Henri Kox dazu nichts mitzuteilen, der in seiner parlamentarischen Anfrage wissen wollte, wie der „Impakt“ von Subventionssätzen und Mietvorschriften auf Kapitalbedarf und Erlös eines Promotoren sei und um bezifferte Beispiele dazu bat. Vielleicht ist dem Ministerium daran gelegen, kein weiteres Öl ins Feuer zu schütten.

Denn eigentlich geht es bei der ganzen Diskussion nicht nur um den Kierchefong und ob er aus seinen Aktivitäten im Wohnungsbau zu viel Geld bezieht, dass er für andere Zwecke einsetzt, sondern um die Wohnungsbau-Subventionierung insgesamt. Der Kierchefong erhielt, wie die Wohnungsbauministerin es den CSV-Abgeordneten Marc Lies und Gilles Roth diese Woche auf deren parlamentarische Anfrage hin schriftlich gab, auch für die beiden Projekte, die noch unter der vorigen Regierung eingereicht worden waren, die gewohnten zwanzig Jahre zugestanden, ab denen ein Weiterverkauf der Wohnungen erfolgen kann. Es sei nie darum gegangen, bereits für laufende Projekte die Regeln zu ändern, lediglich für seit Juni neu eingereichte. Das Vorhaben der Œuvres paroissiales in Düdelingen ist so eines; laut Ministerin wurde es am 11. Juni dieses Jahres eingereicht und am 1. Juli von ihr angenommen.

Doch die Ministerin will auch dafür sorgen, dass die Wohnungsbauzuschüsse „konform“ zu den EU-Regeln über Staatsbeihilfen sind. In dem Beschluss der EU-Kommission von über „Ausgleichsleistungen zugunsten bestimmter Unternehmen, die mit der Erbringung von Dienstleistungen im allgemeinen Interesse betraut sind“, heißt es in Artikel 5.1, auf den Sam Tanson verwiesen hat: „Die Höhe der Ausgleichsleistungen darf unter Berücksichtigung eines angemessenen Gewinns nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um die durch die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen verursachten Nettokosten abzudecken.“ Weiter hinten in der Vorschrift steht, die Kapitalrendite dürfe „den relevanten Swap-Satz zuzüglich eines Aufschlags von 100 Basispunkten“ nicht überschreiten. Beim aktuellen Swap-Satz von 0,98 Prozent dürfte demnach die Rendite nicht über 1,98 Prozent liegen – es sei denn, ein Mitgliedstaat begründet gegenüber der EU-Kommission, weshalb es mehr geben darf.

Solche Erwägungen sind ziemlich neu in Luxemburg, wenn es um die Wohnungsbau-Subventionen geht. Wenngleich das neue Gesetz über den Fonds du logement, das unter der vorigen Koalition verabschiedet wurde, schon mit Blick auf diese Vorschriften einen Passus erhielt, der dem Wohnungsbaufonds eine viel aufwändigere Buchhaltung als früher vorschreibt. Nun will Sam Tanson auch „alle anderen“ Partner, mit denen Konventionen über Beihilfen bestehen, „konform machen“. Wozu auch die Verdoppelung der Frist, ehe eine Wohnung verkauft werden darf, gehöre, und dass die Wohnung über den auf 40 Jahre verlängerten Zeitraum hinweg entsprechend unterhalten wird.

Die spannende Frage könnte lauten, ob so ein Großreinemachen am Ende dazu führen könnte, dass sich für den subventionierten Wohnungsbau weniger private Akteure interessieren als heute. Denn Sam Tanson hat auch erklärt, so wie sie die Beihilfengesetzgebung versteht, müssten Erlöse wieder in den sozialen Wohnungsbau investiert werden. Gemeinden, Fonds du logement und SNHBM tun das ohnehin, aber es könnte strenggenommen heißen, dass mit der Finanzierung von Kirchen und Religionsunterricht selbst aus einem kleinen Erlös, den der Kierchefong aus Wohnungsbau-Aktivitäten bezieht, Schluss sein müsste. Wie der Kierchefong-Geschäftsführer dem Luxemburger Wort Anfang August erklärte, sei die Frage, wie die Erlöse verwendet werden sollen, tatsächlich ein weiterer Streitpunkt mit dem Wohnungsbauministerium. Entschieden werden dürfte darüber vermutlich erst mit der großen Reform des Beilhilfengesetzes, die im Koalitionsvertrag angekündigt wird. Gut möglich, dass die Diskussion darüber vor vier Wochen begonnen hat. Sam Tanson, so sieht es aus, hat mit ihrer 40-Jahre-Entscheidung einen kleinen politischen Coup gelandet: Mit einer einfach verständlichen Änderung steht sie, die sich wohnungsbaupoliitisch bisher eher vorsichtig äußerte, nun als entschlussfreudige Ministerin in einem nicht traditionell grünen Ressort da.

Peter Feist
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