Monarchie

Oh, pardon!

d'Lëtzebuerger Land du 12.10.2000

"Wir haben nicht menschlich zu sein" - Queen Elizabeth II. 

"Wenn ihr uns kitzelt, lachen wir nicht? Wenn ihr uns vergiftet, sterben wir nicht? Und wenn ihr uns beleidigt, sollen wir uns nicht rächen?" - Queen Mum.

"Ich weiß, es klingt verrückt, aber ich habe schon einmal gelebt" - Lady Diana Spencer auf den Squidygate Tapes.

Vier Hochzeiten und ein Todesfall, dazu noch Taufen und Thronwechsel, Staatsakte und Staatsbesuche - mehr braucht es nicht in einer Aristokratie des Adels. Mit der ein oder anderen Mätresse, einem Gaga-Girlie, das auf Schwiegertochter macht, einem Sohn, der aus Testament, Treueschwur und Titelfolge gestrichen wird, und einer Großmutter, die den Gin gut kennt und dem Fizz neulich im Park begegnete, wird dann aus einem noch so schnöden Königreich eine ordentliche Monarchie, ein Operettenstaat, ein Herzschmerzland der unerfüllten Mobsehnsüchte, des Pöbels prägnante Paradiesvorstellung. Dafür zahlt der Untertan seine Steuern. Königs in ganz Europa halten sich daran. Die Ausnahme macht Luxemburg. Aber: Luxemburg ist auch nur ein Großherzogtum. Adelstechnisch zweite Liga. Somit auch keine Sensationen, keine Skandale, keine Sippendevianzen und erst recht keinen echten Thronwechsel.

Lesen Sie in unserer nächsten Ausgabe: Adel verpflichtet: Luxemburger liebt Luxusweib - Adel verrichtet: Thronwechsel leicht gemacht - Adel vernichtet: Untertanen spaßen auf. 

Einen Thronwechsel, das gibt es nur einmal in einer Generation und das sollte so richtig gefeiert werden, mit allem Pipapo, das muss krachen - und zwar an allen Ecken und Enden und auch im Szepter und Herzogtumsapfel. Die Feier hätte in etwa so ausfallen können, wie die Olympischen Spiele von Sydney zu Ende gingen. Okay, Luxemburg-Stadt hat keine Hafenbrücke und kein Opernhaus. Auch das größte Stadion der Stadt ist nicht ganz so gigantisch, aber in solchen Belangen muss dann ein ganz klein wenig improvisiert werden. Statt Sportarena hätte es auch das Zirkusgelände auf dem Glacis - Motto "Hier ist genügend Platz und darum feiern wir" -, die Schiffsanlegestelle von Mertert - "Leinen los in eine neue Zeit" - oder die Festwiesen von Mertert getan - "Leinen los, egal wohin". Statt Einmarsch der Nationen, Einlauf der Staatsgäste. Die Gästeliste brachte denn auch das "Who is who" der Benelux-Staaten nach Luxemburg. Belgiens König Albert - ohne uneheliche Tochter, dafür mit Gattin Paola - sowie die niederländische Regentin Beatrix. Sie kam solo, jedoch nicht unbehütet. Ihr Prinzgemahl Claus musste sich dieser Tage in einem Hamburger Klinikum einem urologischen Eingriff unterziehen. Vielleicht will er demnächst mit Hannovers Prügelprinzen Ernst August um die Wette auf die Türkei zielen. Dennoch hätten die drei entweder Hand in Hand oder hinter den Namensschildern ihrer Nationen ihrer Nation herlaufen, einlaufen, durchlaufen, auslaufen, verlaufen, überlaufen müssen. Für Belgien wird das "Be" getragen von irgendeiner Randgruppe, etwa einer Frau - die muss natürlich behindert, lesbisch, israelischen Glaubens, farbig und über zwei Meter groß sein und noch dazu die türkische Staatsbürgerschaft besitzen. Da Selbstironie hipp ist, käme dann die Abteilung "ne": Beatrix im Caravan, in dem selbstredend auch Platz für das Krankenbett von Claus ist. Dann "Lux" mit zunächst dem scheidenden Herrscherpaar in rot, weiß und hellblau. Rote Mütze, weißes Sakko und hellblaue Hose.

Lesen Sie in unserer nächsten Ausgabe: Auf die Plätze, fertig, los: Ein Großherzog geht an den Start - Dancing Queen: Wenn Landesmütter singen - Eingeparkt: Die Gästeliste bei Krönungen.

Eine Krönungsfeier braucht natürlich auch ihre Höhepunkte. Eidesformeln sind ganz schwer im Kommen. Doch eine wahrhaft gesprochener Schwur will seinen Pathos in jeder Silbe, jedem Luftzug, jeder Akklamation und jedem gesetzten Schluchzer. Völlig falsch war es, einen olivarmeegrün gekleideten Herrn vor einen brauen Hintergrund zu stellen. Farbsymbolik hat ihre tiefere Seele, ihr tieferes Verständnis, ihren Tiefgang und damit spricht mann Massen an. Olivarmeegrün und braun, das zählt im Nachbarland rechts der Our, sonst nirgends. Luxemburg ist frisch, fromm, fröhlich, frei dabei. Also einen Gospelchor, der die heimliche Nationalhymne intoniert, und ein verqueres Streichorchester, das sich der offiziellen Hymne annimmt - durchmischt mit irgendeinem populären Schlager. Zur Auswahl stehen: So bist du von Peter Maffay, L'Empereur Tomato-Ketchup von Berrurier Noir oder natürlich die Sex Pistols mit Anarchy for the UK. Dann ist auch die Jugend dabei. Goodbye Johnny von Freddy Quinn geht leider nicht, denn dafür hat sich Deutschland entschieden. Die Escher Majoretten machen das Volk bei der Nummer - oder den Chor des Antiken Theaters, wie belieben. Die Keulen werden nur an die luxemburgische Nationalmannschaft in der Rhythmischen Sportgymnastik abgetreten - bei Athen 2004 mindestens Gold -, Ersatz sind Pommpomms von den Cheerleadern, die noch zu benennen wären: das Regierungskabinett und der Klerus sollten sich an dieser Stelle einbringen. Nur eine Bitte: Keinen Gast Waltzing, nein, niemals, auf keiner Bühne, weder hier, noch da, noch im Ballsaal.

Lesen Sie in unserer nächsten Ausgabe: Avis à la population: Die schönsten Nationalhymnen und ihre Interpreten - We, the Queen: Dabei sein ist alles und was außerdem geschah - Léiwer eng Kierz am Hierz: Ich will so bleiben, wie ich bin, du darfst.

Schwachpunkt des luxemburgischen Krönungsthronwechselprogramms: das Rahmenprogramm. Hier hat das Großherzogtum nun wahrhaft mehr Sensationen zu bieten. Etwa Désiree Nosbusch-Becker als Kylie Minogue des Zwergstaates und als Vertreter der Ureinwohner: Camillo Felgen. Das hat Stil. Die Liedtexte müssten ein wenig modifiziert werden. Statt Ehrfurcht vor schneeweißen Haaren singt Camillo was von Großherzogspaaren. Obacht: Plural Majestatis. Gleichzeitig hätte auch das Henri-Feuer entzündet werden können, das in einem Staffellauf in die Hauptstadt gebracht wurde, nachdem es zuvor einmal das Land umrundet hat - oder zwei Mal oder bei der Größe Luxemburg mehrmals, je nach gewünschtem Enthusiasmus. Die Entfachung des Feuers muss stilecht erfolgen. Ort der Zeremonie: die Tabakabteilung einer Tankstelle in Remich, statt Parabolspiegel ein Ducal-Feuerzeug und dann ab damit durchs Land. Feuerpodest: Neben der Riesenflagge am Place de la Constitution hätte die nationale Grill- und Gedenkstätte denn auch noch ein Plätzchen gefunden.

Lesen Sie in unserer nächsten Ausgabe: Knall bum peng: Das Drama von Remich - Die letzten Worte des Herrn F.: "Ich hab's brennen sehn." - Luxembourg 2001: Brandschutzkongresse und Budenzauber.

Lichtblick am Horizont des Thrönleinwechseldich: Ein orangefarbener Punkt, der ein wenig ungrazil auf und ab hopst und von der Schwerkraft durch Luxemburgs Straßen getrieben wird. Die neue luxemburgische Landesmutter Maria Teresa bringt Leben in den Laden und wollte erst gar nicht an den Feierlichkeiten teilnehmen. "Ich weiß, es klingt verrückt, aber ich habe schon einmal versucht zu fliehen." Bis auf den Findel ist sie damals im Jahre 1994 gekommen und hat am Luxair-Schalter nach New York einchecken wollen. Doch Erbgroßherzogsfrauen können nicht einfach das Land verlassen, und wenn noch so viele Schwestern in Amerika leben. Eine luxemburgische Erbgroßherzogin hat keine Schwestern in den Vereinigten Staaten, damit basta! Die Polizei hat den Palast verständigt, die Dame wurde zurück in ihre Gemächer gebracht. Skandal Ende.

Lesen Sie in unserer nächsten Ausgabe: Flughafen Findel: Neuer Passagierrekord - New York und retour: Warum die Transantlantikroute eingestellt wurde -  Kofferpacken leicht gemacht: Unverzollt und doch verschickt.

Und es kam noch schlimmer für Maria Teresa, und damit sind wir beim größten Knackpunkt: der Kleiderordnung. Die Gute musste zum Thronwechsel eine bronzefarbene Ansammlung von Stoffbahnen durch Luxemburgs Straßen tragen. Spießrutenlauf am hellen samstäglichen Nachmittag, noch dazu in der Hauptstadt. Zusammengerechnet war der Stoffballen ein Kleid, das jede geschmacklich normal begabte Frau nicht bis zur Haustüre tragen würde. Ein wenig mehr Gaze, Tüll und Chinaseide und die neue Landesmutter wäre als Bonbon durchgegangen. Entworfen hat diese Kreation Oscar de la Renta aus dem Hause Balmain. Dass diesem Modetempel der ganz große Durchbruch in Paris, Mailand, London und selbst in Düsseldorf verwehrt bleibt, dafür lieferte die Erbgroßherzogin den lebenden und laufenden Beweis. Schrille Farben sind nichts für staatstragende Angelegenheiten und biedere Schnitte waren ein Ding von vorgestern - Willkommen im einundzwanzigsten Jahrhundert, liebe Großherzogin. Der Jahreszeit entsprechend gedämpfte Farbe in gewagtem Schnitt, das wäre der Chick, in dem die neue Landesherrin noch besser auf den Käsemarkt gekommen wäre, denn in dieser Pralinenladenschaufensterdekorationsmeterware in Burda-Schnitt-Optik. Vielleicht hätte auch die  Lydie Polfer mit einer ganz tollen Stola aushelfen können, galanter wären natürlich mehrere Stolen - als Rock, als Turban, als Schleier, als Strandlaken, als Tischdecke, als Bettvorleger, als neue Landesflagge, diese Dinger sind vielseitig verwendbar, leider aber wenig kleidsam, denn eine Stola legt den Verdacht nahe, dass irgendwas kaschiert werden muss - vom abgerissenen Knopf bis zur verkleckerten Salatsauce oder anderen undiplomatischen Dingen. Besser noch wäre da ein Modell aus der Nadel von Thierry "Mogler" gewesen oder ein Tipp von der kürzlich verstorbenen Ikone des Punks Paula Yates. Diese hat sich die Oberweite aufpumpen und ein Paar Rippen rausbrechen lassen, damit ihre Ohrläppchen und der ein oder andere Haarwirbel besser zur Geltung kamen. Aus der Rippe wollte sich die Gute denn auch noch einen neuen Gatten zaubern lassen, da der erste ihr in den Olymp der Heiligen und Edlen entrückte, und der letzte einem autoerotischen Selbstmord erlag. Ja, es war ein autoerotischer Selbstmord, wie sonst kommt ein Mensch splitternackt auf die bescheuerte Idee, sich in dieser unmöglichen Stellung mit Hilfe der Türklinke zu erdrosseln. Sicherlich nicht, um aus lauter Depressionen dem Leben zu entsagen. Vielleicht hätte sich Frau Mestre bei Spice Girl Victoria "Posh" Beckham (26) infizieren sollen. Ganz seltsame Krankheit. Gestern noch unheilbar an Hirnhautentzündung siechend, heute schon mit neuer Nasenform, aufgedunsenen Brüsten - wohl eine Nebenwirkung der vielen Medikamente - und neuer Frisur in den Klatschspalten. Und ihr Mann, einst Fußballidol, heute Vorzeigetranse auf den britischen Inseln, trägt immer noch ihre Strapse.

Lesen Sie in unserer nächsten Ausgabe: Lydie P.: Ich bin stolensüchtig - Paula Y.: Ich bin rippenwuchtig - Viktoria B.: Ich bin überhaupt schusselig - und andere Bekenntnisse jenseits der Klatschpresse.

Wie jeder Kassenschlager aus Hollywood kommt auch ein Regentenabschied und ein Monarchenwillkommen nicht ohne eine B-Besetzung aus - falls etwas passiert. Hier sind die Luxemburger Garanten für Beständigkeit. In ruhigen Fahrwassern auch die Mutter aller Moseldampfer, Marie-Astrid. Zwischen den Staustufen von Schengen und Trier, den Anlegestellen Grevenmacher und Mertert lässt sich wenig Staat machen, so dann doch wenigstens auf einer Krönungsparade. Ein weiterer Programmpunkt: Mit Marschmusik des Heeresmusikcorps - auch danach verlangt das Volk - läuft die Truppe durch die Gassen. Hintendran dann die Kanone, die irgendwann das Salut abfeuert - dabei Zielrichtung beachten, die Sanierung von Grund könnte in Angriff genommen werden.

Lesen Sie in unserer nächsten Ausgabe: Erstaunlich: Remich ab elf Uhr, Grevenmacher an 13 Uhr, Wasserbillig an 14 Uhr dreißig - Erbaulich: Neuer Kurs im Auf-dem-Wasser-laufen - Verhau mich: Stöpsel gezogen.

Was jedoch am meisten abging bei der ganzen Sache: das war die wirkliche Krönung mit Krone, Hermelinmantel, die Eurovisionssendung und das Szepter, so wie seinerzeit bei Lillibeth von England. Das war eine durchgestylte Veranstaltung, die heute noch die Gemüter erfreut und wirklich ganz tief in die Herzen geht. Zu den Olympischen Spielen zeigte das deutsche Fernsehen, dass ein Tag auch 26 Stunden haben kann. Heielei, kuckelei wäre doch locker auf über vierhundert gekommen. Wo waren die Insignien? Und wo der Gesandte des Papstes? Und warum hat Henri nicht diesem die Krone aus der Hand gerissen und sich selbst gekrönt? Danach lechzt der Untertan, das ist der Stoff aus dem die Träume sind, die Märchen und die Operetten. Ein bisschen weniger Irland, dafür mehr Monaco. Ein bisschen weniger Berg, dafür mehr Buckingham. Stattdessen: Lockeres Händeschütteln, stille Feiern, Ernüchterung, Poesiealbumbilder. Was bleibt: Ein neues Konterfei für Briefmarken.

Lesen Sie in unserer nächsten Ausgabe: Liebesleid macht's Leben leicht: Gegendarstellung - Starschnitt: Verleumdungsklage - Letzte Seite: Schadensersatz.

Alles andere ist Geschichte.

 

 

 

Paula Lavalle
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