AAA-Staatsanleihen

Des einen Freud, des anderen Leid

d'Lëtzebuerger Land du 22.11.2013

Es gab einmal heute vielleicht als goldene angesehene Zeiten, da machte der Staat Schulden, um die Versicherungsgesellschaften zufrieden zu stellen. Diese waren durch Gesetz gezwungen, einen Teil der von ihren Kunden kassierten Prämien in möglichst risikoarmen Wertpapieren wie Staatsanleihen anzulegen. Und so gab der Staat Anleihen aus.

Heute ist die Staatsschuld dagegen das Panikwort der Politik, seit die Schuld in den vergangenen Jahren anstieg, um für systemisch erklärte Banken zu sanieren und die Defizite des Zentralstaats zu decken. Auch die derzeitigen Koalitionsverhandlungen stehen im Zeichen der Staatschuld. DP, LSAP und Grüne sind sich einig, dass die Staatsschuld weniger als 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachen müsse.

Doch wo Schuld ist, muss es auch Gläubiger geben. Das könnte den einen oder anderen Anleger auf die Idee bringen, einen Teil seines Ersparten in Anleihen dieser Staatsschuld zu investieren. Schließlich gehören Luxemburger Staatspapiere zu den letzten in Europa, die von den Ratingfirmen mit der Höchstnote AAA bewertet werden. Wer Geld besitzt, das er längerfristig nicht flüssig machen muss, und es nicht für Immobilien reicht, findet in rot-weiß-blauen Obligationen eine der risikoärmsten Anlagemöglichkeiten. Denn die Rendite des Investors wird von den anderen Steuerzahlern gezahlt, und wer kann sich schon vorstellen, dass der Staat einmal aufhört Steuern einzutreiben?

Solche Überlegungen könnten mehr als einen Kleinanleger zum Rechnen bringen, der seinerzeit in der von der Loi Rau inspirierten nationalen Aktieneuphorie kühn geworden war und mit der Internetblase und der Subprime-Krise Erspartes verlor. Wenn alle ständig über die Staatsschulden jammern, ist es vielleicht sogar ein heroischer Akt, dem Vaterland in Zeiten der Not Geld zu leihen.

Doch die Schalterbanken, die regelmäßig im Staatsauftrag die Börsenzulassung der Anleihen organisieren und deren Zahlstellen sind, sind alles andere als bemüht, Luxemburger Staatsanleihen in ihrem Angebot zu führen. Sie können sie selbstverständlich ihren Kunden auf dem Sekundärmarkt beschaffen, aber ein wenig wundern sie sich schon über die Nachfrage. Nur die Staatssparkasse bietet über ihr Internetbanking-System vier Luxemburger Staatsanleihen in Euro an. Es werden aber keine Anteilscheine ausgehändigt, sondern die Beteiligung besteht nur auf dem Konto des Kunden.

Die ältesten der solchermaßen angebotenen Obligationen haben eine Laufzeit bis 2020 und werden mit einem Aufpreis von 13 Prozent verkauft, bei der Endfälligkeit wird eine Rendite von 1,28 Prozent ausgeschüttet. Die jüngsten haben eine Laufzeit bis 2028 und werden derzeit mit einem Abschlag von 0,2 Prozent verkauft. Sie versprechen am Ende eine Rendite von 2,51 Prozent.

Die Rendite liegt also derzeit unter der Inflationsrate. Rechnet der Kleinanleger auch noch die je nach Investitionssumme gestaffelten Verkaufs- und Verwahrungsgebühren ab, bekommt er Zweifel, ob er dabei ist, ein gutes Geschäft zu machen. Hinzu kommt, dass er auch noch einmal Geld verliert, wenn er seine Anleihen doch noch vorzeitig verkaufen muss.

Denn des Schuldners Freud ist des Gläubigers Leid. Die zwei Milliarden Euro, die der Staat im Juli mit einer Laufzeit von zehn Jahren lieh, bekommt er dank AAA-Bewertung und Frankfurter Niedrigzinspolitik mit 2,125 Prozent zum niedrigsten Zinssatz, den er je erzielte, obwohl er zum zweiten Mal in einem Jahr an die Kapitalmärkte appellierte. Die Anleihe, die er ein Jahr zuvor, im März 2012 ausgegeben hatte, ist noch mit 2,25 Prozent verzinst, 2008 waren es noch 3,375 und 3,75 Prozent. Im Gegensatz zum Kupon einer Staatsanleihe scheint eine jeden Oktober fällige Indextranche eine gewinnbringende Investition. Trotzdem war die Anleihe im Sommer binnen einer Stunde überzeichnet. Käufer waren bei der Emission zur Hälfte Banken und zu einem Viertel Anlagenverwalter, davon je ein Drittel aus Luxemburg beziehungsweise aus Deutschland und Österreich.

Da sich unter solchen Bedingungen das Interesse der Kleinsparer an Luxemburger Staatsanleihen in Grenzen hält, soll seinem Glück nun nachgeholfen werden. Nachdem die Begeisterung für das Volksaktionariat nachgelassen hatte, entdeckten die beiden Regierungsparteien im Sommer in ihren Wahlprogrammen die „Volksanleihen“. Die LSAP versprach in ihrem Wahlprogramm, „die Neuverschuldung so ausrichten, dass sie nicht nur über institutionelle Anleger (Banken und Pensionsfonds), sondern auch über Volksanleihen erfolgt, die anders als Auslandsschulden bewertet werden und der nationalen Volkswirtschaft durch den Rückfluss an Zinsleistungen verstärkt zugute kommen.“ Auch im CSV-Wahlprogramm hieß es: „Öffentliche Schuldenaufnahme kann periodisch über Volksanleihen getätigt werden.“

Bei den aktuellen Zinsen Luxemburger Anleihen, müssen Kleinanleger allerdings sehr risikoscheu sein, um Volksanleihen zu zeichnen. Oder sehr patriotisch. Denn seit dem Ersten Weltkrieg steht „Volksanleihe“ als Synonym für Kriegsanleihe. Aber ist Globalisierung nicht auch Wirtschaftskrieg?

Romain Hilgert
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