Die Ressorts Schule, Kindheit und Jugend kommen unter ein Dach. Damit löst die DP-LSAP-Grüne-Koalition ein erstes Wahlvorhaben ein

Das ist mega!

d'Lëtzebuerger Land du 29.11.2013

Es wird gehütet wie ein Staatsgeheimnis, doch das heitere Ministerraten des künftigen blau-rot-grünen Kabinetts ist voll im Gange. Wer bekommt was, und wird es bei den alten Ressorts bleiben oder neue Ministerien geben?, grübeln Journalisten um die Wette.

Im Bereich Bildung war die grobe Marschroute allerdings von Anfang vorgegeben. DP und auch Déi Gréng waren in ihren Wahlprogrammen gegen die „künstliche Trennung zwischen den Betreuungsstrukturen einerseits und der Schule andererseits“ (DP) und hatten angekündigt, „beide Ressorts unter dem Dach eines Ministeriums für Kinder und Jugendliche“ zu vereinen (Déi Gréng).

Das wird nun geschehen. Land-Informationen zufolge werden die Ressorts Éducation, Jeunesse und Pétit enfance zusammengelegt. Ein Duo aus Minister/in und Staatsekretär/in könnte die Leitung des neu geschaffenen Mega-Ministeriums übernehmen. Wobei es nach über 18 Jahren ungebrochener Frauendomäne (Erna Hennicot-Schoepges, CSV; Anne Brasseur, DP; Mady Delvaux-Stehres, LSAP) nach langer Zeit wieder ein Mann werden wird: Frauen sind in der Dreier-Koalition eh kaum vertreten. Alles deutet darauf hin, dass DP-Fraktionschef Claude Meisch ins Gebäude am Aldringen einziehen wird, vielleicht mit einem Staatssekretär André Bauler an seiner Seite?

Was auf dem Papier einleuchtend und naheliegend klingt, ist organisatorisch ein ziemlicher Kraftakt. Zwar wurden schon unter Schwarz-rot Bemühungen intensiviert, die interministerielle Zusammenarbeit zu verbessern und zumindest die außerschulische und schulische Bildung, non-formale und formale Bildung genannt, stärker zu vernetzen. Dafür war eigens eine Arbeitsgruppe mit Beamten aus beiden Ministerien ins Leben gerufen worden, die in den vergangenen Jahren versucht haben, Grundlagen zu schaffen, um Kindergärten, Krippen, Tagesstätten enger mit der Schule zu verzahnen.

Genau dort will die neue Koalition ansetzen und das Rad nicht etwa neu erfinden, sondern weiterdrehen. Bevor dies geschehen kann, müssen aber noch Daten auf den Tisch. So hatten Déi Gréng und Liberale immer wieder den Précoce kritisiert. Obwohl die Vorschule seit mehr als einem Jahrzehnt besteht, wurden ihre Qualität und ihr Nutzen nie überprüft. Das soll nun nachgeholt werden. Dann wird zu klären sein, inwieweit der Précoce Sinn macht. Oder ob nicht stärker auf private und konventionierte Kindergärten gesetzt werden soll.

Damit Eltern diese nutzen können, ohne sich Sorgen über die Güte des Angebots machen zu müssen, muss aber eine Qualitätspolitik her, die den Namen verdient. Es war CSV-Familienministerin Marie-Josée Jacobs und ihre Idee der Maisons relais, die der öffentlichen Kinderbetreuung einen regelrechten Boom bescherte und so zur verbesserten Vereinbarkeit von Beruf und Familie beitrug. Dieselbe Ministerin scheute jedoch lange davor zurück, den rasant wachsenden Betreuungsmarkt mit Qualitätsvorgaben zu regeln, mit der Konsequenz, dass aufgrund der Riesennachfrage Kinder sich in Turnhallen und Kulturzentren beim Mittagessen drängelten und Maisons Relais ohne pädagogische Konzepte aus dem Boden gestampft wurden.

Mehr Qualität wurde zum Wahlversprechen, mit dem sich die ehemalige Opposition von der CSV-Betreuungspolitik abzugrenzen hoffte und das es nun einzulösen gilt. Wegen der massiven Kritik vor allem seitens von Sozialverbänden und der Öffentlichkeit, legte Jacobs im März vergangenen Jahres schließlich einen entsprechenden Entwurf vor. Der aber war so kompliziert gestrickt, dass der Staatsrat in zahlreichen Punkten die dringende Überarbeitung empfahl. Eben diese Vorarbeit bildete jetzt auch die Grundlage für die Koalitionsgespräche, Land-Informationen zufolge wird der Entwurf nicht komplett zurückgezogen. Gleichwohl wird sich die blau-rot-grüne Koalition, außer auf die Hauptziele – mehr Qualität und eine bessere Kontrolle durch die öffentliche Hand – eher nicht festlegen, wie die Qualitätssicherung konkret organisiert werden soll, und ob etwa der Jugenddienst SNJ, wie im Entwurf der Vorgängerregierung vorgesehen, das Monitoring übernehmen wird. Zu undurchsichtig ist bisher, was eine solche neue Struktur kosten (die Vorgängerregierung hatte dafür rund 2,5 Millionen Euro veranschlagt) und wie sich diese zu anderen Kontrolleuren, wie der Inspection de travail et des mines und der Kontrolleure aus dem Familienministerium verhalten würde.

Mit der Qualitätspolitik eng verbunden sind andere wichtige, kostspielige Entscheidungen, etwa ob die Kinderbetreuung prinzipiell weiterhin über Dienstleistungsschecks finanziert werden soll oder nicht. Es war vor allem die DP, die die Gutscheine als „taktische Geschenke“ der CSV-LSAP-Regierung kritisiert hatte und diese am liebsten abgeschafft und durch eine Gratisbetreuung für die Kleinstkinder zwischen null und drei Jahren sowie für soziale Härtefälle ersetzt hätte. So steht es zumindest im liberalen Wahlprogramm.

Doch Programme sind schneller geschrieben als umgesetzt. Vor allem die Exportabilität der staatlich subventionierten Kinderbetreuung sorgte bei den Verhandlungen von DP, LSAP und Grüne für Kopfzerbrechen. Nachdem der Staatsrat bereits früh auf eine mögliche Exportabilität der Chèques service hingewiesen hatte, spätestens aber nachdem Luxemburg vom Europäischen Gerichtshof dazu verdonnert wurde, die Studienbeihilfen auch an Kinder von in Luxemburg arbeitenden Grenzgängern auszuzahlen, ist es das neue Schreckensszenario: Hätten Grenzgänger ebenfalls ein Recht auf Dienstleistungsschecks, würden die Ausgaben für Kinderbetreuung sich auf einen Schlag verdoppeln, so Schätzungen aus dem Familienministerium.

Zwar bastelten Beamte noch vor der Sommerpause an einer Formulierung, die eben diese Übertragbarkeit dauerhaft ausschließen sollte und welche die Koalition nun genauer unter die Lupe nehmen will. Insgeheim hofft man, die Formulierung möge halten und niemand das Recht einzuklagen versuchen; andere gehen davon aus, dass viele Grenzgänger „sowieso kein Interesse haben, ihre Kinder in luxemburgischsprachige Einrichtungen unterzubringen“, so war nach Beratungen der Arbeitsgruppe am Montag zu hören. Die Zitterpartie ist damit freilich noch nicht ausgestanden, zumal es offenbar keinen Plan B gibt und bisherige vermeintlich stichfeste Formulierungen aus diesem Ministerium sich im Nachhinein oft als rechtlich höchst problematisch herausstellten – der komplizierte Text zur Jugendhilfe beispielsweise und zum Office national de l’enfance, deren Ziele DP, Déi Gréng und LSAP grundsätzlich unterstützen, dessen Effizienz sie aber überprüfen wollen. Die Gesetze zu den Maisons relais oder zu den Tagesmüttern waren so schludrig geschrieben und so wenig durchdacht, dass sie binnen weniger Jahre geändert werden mussten.

Auch deshalb ist es wenig wahrscheinlich, dass der Koalitionsvertrag konkrete Aussagen darüber enthalten wird, ob die Dienstleistungsschecks nun abgeschafft oder geändert werden. Klar ist, dass die Kinderbetreuung der Posten im Familienministerium ist, der in den vergangenen Jahren exponentiell in die Höhe geschossen ist. Will die neue Regierung ernst machen mit dem Sparen, kommt sie nicht umhin, die Ausgaben für die Kinderbetreuung zu hinterfragen.

Viel zu tun also für den neuen Minister für Schule, Jugend und Kindheit, der aufpassen muss, sich nicht zu sehr im Dickicht der Verwaltungen zu verlieren. Die DP hat im ihrem Wahlprogramm zwar versprochen, weniger die Strukturen verändern zu wollen, aber wenn Kinderbetreuung und Jugend ins Schulministerium übersiedeln, wird der neue Minister viel Zeit eben genau darauf verwenden müssen: entsprechende Strukturen einander anzunähern. Da ist es gut, dass sich eine andere Idee nicht durchgesetzt hat: Land-Informationen zufolge gab es Überlegungen, andere Divisionen des Familienministeriums, wie das Alter oder die Abteilung Behinderung, ebenfalls auszugliedern und dem Gesundheits-, respektive dem Chancengleichheitsministerium zuzuschlagen. Die Befürworter argumentierten vor allem pragmatisch: Die Leistungen für alte Menschen würden ohnehin über die Krankenkasse, respektive die Pflegeversicherung abgerechnet. Gewünschter Nebeneffekt: über Jahrzehnte gewachsene CSV-Strukturen würden damit aufgebrochen.

Doch dann meldeten sich Stimmen, die vor den politischen Folgen warnten: Wenn ausgerechnet eine Regierung das Familienministerium zerschlüge, an deren Spitze zwei bekennende homosexuelle Männer stehen, wäre das für CSV, ADR und andere Konservative ein gefundenes Fressen, so ihr Einwand. Einen Vorgeschmack darauf lieferte der frisch vereidigte ADR-Abgeordnete Roy Reding, als er die vom designierten Premierminister Xavier Bettel angekündigte Reform des Nationalfeiertags auf Facebook mit „Den Te Deum ass doud. Vive den Te Gayum“ kommentierte. In den sozialen Netzwerken wurde Reding sogleich abgewatscht, der Vorfall zeigt aber, wie leicht sich homophobe Ressentiments schüren lassen.

Entsprechend vorsichtig ist die neue Koalition: „Wir haben Respekt vor dem Geschaffenen“, heißt es. Und: „Wir wollen unsere Zeit nicht damit verbringen, an Strukturen herumzudoktern, sondern unsere Inhalte einbringen“, so ein hochrangiger DP-Politiker gegenüber dem Land. Man suche nach Kooperationen, die „inhaltlich Sinn“ machen. Welche das, außer Schule, Jugend und Kindheit, noch sind, wird sich am heutigen Freitag zeigen, wenn die Koalitionäre die großen Linien ihres Programms der Öffentlichkeit vorstellen.

Ines Kurschat
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