Wenn Autohersteller auch Kleider, Armbanduhren und Thermoskannen produzieren lassen

Von der Autobahn auf den Laufsteg

d'Lëtzebuerger Land vom 22.01.2016

Wenn von Auto-Accessoires die Rede ist, sind damit meistens die Extras gemeint, die Neuwagenkäufer zusätzlich zur Basisausstattung erwerben können, beispielsweise die Klimaanlage. Dabei lassen große Hersteller eine Vielfalt anderer Accessoires herstellen. Tatsächliche Nebenprodukte, die mit dem Auto selbst nichts zu tun haben.

Mit Schirmmützen, T-Shirts oder Polohemden, auf denen das Firmenlogo prangt, bekunden Motorsportfans ihre Leidenschaft für das eine oder andere Team. Auch die Fahrer schneller Autos, vorwiegend Männer, tragen gerne mal eine Funktionsjacke mit dem Emblem eines Autobauers. So kann auch in der Fußgängerzone oder im Supermarkt jeder sehen, welches Auto sie in der Garage haben. Es ist die Art von Accessoires, mit denen sich auch diejenigen ein wenig Ferrari-Rot gönnen können, die sich den Sportwagen selbst nicht leisten könnten.

Die Auswahl solcher Gadgets ist quasi unerschöpflich. Im Ferarri-Shop kann vom Kugelschreiber über Kaffeebecher und Thermoskannen, Kopfhörer, Brieftaschen und Armbanduhren bis hin zum Kindersitz alles in den Firmenfarben erstanden werden. Wie man den Kindersitz in einem Ferrari befestigt, war in der Produktbeschreibung nicht erklärt.

Weil aber Hinz und Kunz sich einen Kaffeebecher mit dem bockigen Pferd leisten können und das zwar wahrscheinlich den Firmenumsatz ankurbelt, aber nicht mehr ganz so exklusiv ist, hat der italienische Sportwagenhersteller eine neue Marke lanciert, damit die Kunden wieder träumen: Pr1ma. Dort kostet der Parka in Beige Modell Silverstone, in dem das Pferd nur im Futteral zu sehen ist, 1 980 Euro, die Bomberjacke, Modell Reims ebenso viel und die eher burgund- als Ferrari-rote Strickjacke Le Mans immerhin 950 Euro. Dass es sich dabei um Ferrari-Mode handelt, sieht man bestenfalls auf den zweiten Blick. Die Kleidungstücke sollen unabhängig von den Sportwagen Objekte der Begierde sein.

Den deutschen Konkurrenten von Porsche war es in den Achtzigern mit den Carrera-Sonnenbrillen gelungen, ein Produkt zu entwerfen, das auch ohne Faible für schwäbische Flitzer als Mode-Accessoire akzeptiert wurde. Aber Porsche hatte schon in den Siebzigern das Porsche Design Studio gegründet, um das Wissen um gutes Design nicht nur in der Autokonstruktion anzuwenden. Dabei können eingefleischte Porsche-Fans sich quasi komplett mit Artikeln ihres Lieblingsherstellers ausstatten. Wer nicht ohne kann, muss quasi in keinem Lebensbereich auf Porsche verzichten. My first Porsche heißt das Holzauto für Kleinkinder, Kostenpunkt 19 Euro. Es gibt die Kollektion 911 – „ein Lebensgefühl in drei Ziffern“ –, in der sich Porsche liebende Paare im Partnerlook einkleiden können. Es gibt den Bürostuhl mit dem echten Sportsitz aus dem aktuellen 911 Carrera (für 4 500 Euro). In der Rubrik „Treibstoff für Leib und Seele“ füllt ein Kochbuchautor Matcha-Tee in Porsche-Longdrink-Gläser. Es gibt nicht nur Porsche-Pozellan (im pyschedelischen Design Prototyp) und 911-Eiswürfelformen. Sondern auch Salz- und Pfeffermühlen. Und ein Rad.

Das ist natürlich ein wenig anmaßend, denn Pfeffermühlen und Fahrräder sind traditionell eher die Domäne der französischen Autobauer mit dem Löwen im Logo. Schließlich wandelten die Peugeot-Brüder bereits 1810 eine Mühle in eine Gießerei um und produzierten 1840 ihre erste Kaffeemühle. Die verkauft die Konzernsparte Peugeot-Saveurs, die außer Pfeffer- und Salzmühlen auch allerlei Geschirr für Weintrinker anbietet, noch heute. Peugeot Cycles seinerseits begann die Serienproduktion des Grand Bi, dessen Vorderrad einen Durchmesser von 1,36 Meter hatte, während das Hinterrad im Durchmesser nur 40 Zentimeter maß, im Jahr 1886.

Während die Pr1ma-Kollektion von Ferrari und auch die Porsche-Kollektion noch weitgehend auf Männer ausgerichtet sind, versuchen andere Autohersteller verstärkt auf ein neues Zielpublikum zuzugehen, das ihren Produkten bisher mit größerer Zurückhaltung begegnet: Frauen.

Der Traditionshersteller Bentley bietet seit 2013 eine Handtaschen-Kollektion in limitierter Auflage an. Das Modell Barnato ist benannt nach Diana Barnato. Die Tochter eines ehemaligen Bentley-Chefs fuhr Anfang des 20. Jahrhundert Rennen und war die erste Britin, die als Pilotin die Schallmauer durchbrach. Die Barnato-Handtasche kostet in safrangelb 4 800 Euro. Die Bentley-Handtaschen entwirft niemand anderes als Vincent Du Sartel, der 13 Jahre seiner Karriere beim Handtaschenhersteller Louis Vuitton verbrachte. So, als ob sie von LV oder von Hermes sein könnten, sehen die Taschen auch aus.

Du Sartel ist es auch, der den elektrisch blauen Bugatti Bag in Krokodilleder für den französischen Konkurrenten Bentleys entwarf. Ihn gibt es auf Bestellung zu kaufen. Der Lady Croco Bag von Bugatti mit silberfarbenen Klippverschluss kostet im Online-Shop 25 000 Euro.

Mit den Taschen versuchen sowohl Bentley als auch Bugatti Frauen überhaupt erst auf ihre Marken aufmerksam zu machen – und neuen Umsatz zu generieren. Bei Bugatti sind sie aber auch Zeichen für den Einstieg ins Modegeschäft überhaupt. Die Marke EB – für Ettore Bugatti – zeigte für die Saison 2014-2015 erstmals eine Männerkollektion bei der Modewoche in Mailand.

Von der Straße zum Laufsteg – Land Rover ist den umgekehrten Weg gegangen, um Frauen seine sperrigen Geländewagen näher zu bringen. 2012 präsentierte der Hersteller mit Victoria Beckham, dem Ex-Popsternchen, das als Modeschöpferin große Anerkennung genießt, den Range Rover Evoque, eine handlichere und frauenfreundlichere Version des Geländewagens Range Rover.

Michèle Sinner
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