JMW Turner wird 250

Der Meister des Lichts

d'Lëtzebuerger Land vom 13.06.2025

John William Mallord Turner besuchte Luxemburg erstmals 1824 und fertigte Skizzen der Festung an. 1939 studierte er sie eingehend

Großbritannien feiert dieses Jahr den 250. Geburtstag seines größten Malers, John William Mallord Turner. Bekannt ist der Romantiker vor allem für seine Landschaftsbilder und seine dramatischen Darstellungen von Stürmen und Meutereien auf hoher See. Das Tate Britain stellt nun aus dem Nachlass des Malers Bilder und Skizzen aus, die er in Europa anfertigte. Gleich zweimal machte Turner in Luxemburg Halt.

Ein kleines Fischerboot wippt auf einer Welle, die Insassen klammern sich aneinander. Einer von ihnen hält eine Öllampe hoch. Das Licht des Vollmondes, das durch die Wolken bricht, erleuchtet die scharfen Felsen, auf die das Boot zusteuert. Es handelt sich hier um das Bild Fishermen at Sea (1796), das erste Ölgemalde, das JMW Turner ausstellte. Das Bild stellt die Küste der Isle of Wight dar, im Hintergrund ragen tückische Felsen, auch ‘Needles’ genannt, aus dem Wasser. Der junge Turner, der 1775 in Covent Garden in London geboren wurde, demonstrierte hier bereits sein Talent für realistische Lichtdarstellung, die er in den kommenden Jahren verfeinerte. Dabei revolutionierte er nicht nur Landschaftsmalerei, sondern erhob das Aquarell zu einem angesehenen kreativen Medium. Er inspirierte moderne Künstler wie Marc Rothko, Tracey Emin und David Hockney und Großbritannien nannte seinen größten Kunstpreis nach ihm. Sein Selbstportrait und sein Gemälde The Fighting Temeraire schmücken die britische 20-Pfund Banknote.

Kulturelle Institutionen in Großbritannien feiern das Jahr durch den 250. Geburtstag des Malers mit Ausstellungen und Veranstaltungen. Allen voran ist das Londoner Tate Britain, das seinen Turner-Flügel überarbeitet hat und Aquarelle und Skizzen aus dem berühmten „Turner Bequest“ ausstellt. Der Maler vermachte nach seinem Tod einen großen Teil seiner Werke der britischen Nation. Die Sammlung zeigt, wie produktiv der Maler war, denn es handelt sich hier um mehr als 300 Skizzenbücher und über 30.000 Seiten Zeichnungen und Aquarellstudien. Hinzu kommen tausende Reiseskizzen und vorbereitende Arbeiten, mit denen er Struktur, Licht und Farbe seiner Bilder plante. Diese Skizzen werden auch „colour beginnings,“ also Farbanfänge genannt. Die Forschungsabteilung des Tates hat über Jahre an einem Online-Katalog gearbeitet, der auf den Forschungsarbeiten der letzten 175 Jahren aufbaut. Der Katalog soll noch dieses Jahr fertiggestellt werden, und man kann ihn bereits auf der Webseite des Tates durchkämmen1.

Bis dahin lohnt sich eine Reise zum Tate Britain in London, um Turners Lichtspektakel auf sich einwirken zu lassen. Das Museum widmete einen großen Teil den europäischen Reisen, die Turner unternahm, sobald das Reise- und Handels-Embargo nach den Napoleonischen Kriege aufgehoben wurde. Vor allem Italien hatte es dem Maler angetan. The Dogana, San Giorgio, Citella, from the Steps of the Europa (1842) zeigt Venedig an einem sonnigen Tag, an dem das glitzernde Wasser mit dem blendenden Himmel am Horizont verschmilzt. Sein Bild Palestrina - Composition (1828), eine Darstellung eines idyllischen italienischen Ortes, wirkt, als sei es mit einem „in Sonnenstrahl getauchten“ Pinsel gemalt worden, so ein Kritiker.

Bedrohender wirkt das Licht in seinem Werk Regulus von 1828, das sich auf den Römischen General bezieht, der von Karthager gefangen genommen wurde. In mythischen Erzählungen schnitten die Karthager dem General die Augenlider ab und zwangen ihn, in die pralle Sonne zu blicken, bevor sie ihn hinrichteten. Das Licht des Bildes blendet auch den Betrachter, denn es explodiert aus dem Fluchtpunkt heraus, verstärkt durch die Reflektionen in Wasser und Wolken. Der Effekt wirkt so realistisch, dass man glaubt, beim Anblick blinzeln zu müssen.

Auf seiner ersten „Meuse-Moselle Tour“ machte er 1824 zum ersten Mal im Großherzogtum Halt, wo er etliche Skizzen der hauptstädtischen Festung anfertigte. Interessant sind die „Kutschenskizzen,“ die Turner auf seiner Reise von Luxemburg nach Deutschland anfertigte. Diese seien „eine Ansammlung verkürzter, unregelmäßiger Striche,“ die von den Bemühungen des Künstlers zeugen, „trotz der holprigen Fahrt festzuhalten, was er durch das Fenster oder auf dem Oberdeck der Postkutsche sah,“ so das Tate.

Auf seiner zweiten Reise in die Großregion im Jahr 1839 nahm er sich in Luxemburg Zeit, die Festung zu studieren. Der aufsteigende Nebel und das Lichtspiel zwischen Tälern und Plateaus der Festungsstadt lieferten die perfekten Bedingungen für Turner, dem es gelang „Aspekte der Landschaft hervorzurufen, die sich nicht leicht materialisieren lassen, wie etwa den nebligen Dampf, der aus den Schluchten Luxemburgs aufsteigt, oder das warme Glühen eines lauen Sommerabends,“ so das Tate Britain im Online-Katalog des Turner Vermächtnisses. Die atmosphärischen Zeichnungen in Gouache und Aquarelle kann man sich auf der Webseite des Tate Britain anschauen, in der Sektion 1836-1847 Modern painter.

Das Tate widmet einen Teil seiner Turner Ausstellung an die Beziehung zwischen Turner und seinen Kritikern. In Deutschland malte er die fast fertiggestellte Walhalla Gedenkstätte in Bayern. Laut dem Tate sah Turner sein Werk The Opening of the Wallhalla (1842) als Hommage, doch in Deutschland wurde das Bild wegen seiner dunstigen Atmosphäre und Mangel an Präzision als Beleidigung verstanden.

Während Marine-Malerei oft mit Patriotismus verbunden war, zeugt ein Gemälde im Tate von Turners Kritik am Sklavenhandel. Slavers Throwing Overboard the Dead and Dying, Typhoon Coming On, auch bekannt als Slave Ship (1840) stellt ein Schiff in mitten tosender Wellen dar. Um das Schiff herum ragen dunkelhäutige Arme aus dem Wasser. Das Bild basiert auf der wahren Geschichte des britischen Schiffs Zong, dessen Kapitän 1781 kranke und sterbende Sklaven von Bord werfen ließ. Er wusste, dass er Versicherungsgelder für „auf See verschollene Menschen“ eintreiben konnte, nicht aber für kranke Menschen. Die explodierenden Farben des Sonnenuntergangs wirken wie ein Fegefeuer.

In den späteren Jahren seines Lebens besuchte Turner regelmäßig die Küsten in Kent, im Süden Englands, wo er etliche Bilder des Meeres und der Strände malte. In der Stadt Margate lebte er bis zu seinem Tod mit seiner Geliebten Sophia Booth. „Der Himmel über Thanet ist der schönste in ganz Europa“, schrieb der Maler über den Distrikt. Es ist also passend, dass das Turner Contemporary Museum direkt am Strand von Margate liegt. An Turner’s Geburtstag am 23. April erleuchtete eine Projektion von Tracey Emins Liebesbrief an J.M.W. Turner die Außenwand des Museums. Die Künstlerin, die aus Margate stammt, sagte, sie finde „tiefe Inspiration in Turners emotionalem Einsatz von Licht und Atmosphäre.“ Wer die Küsten, den Himmel und das Licht, die Turner so inspirierten, selbst erleben will, und vielleicht sogar Fish and Chips am Strand essen will, der sollte die niedliche Küstenstadt auf jeden Fall besuchen.

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Claire Barthelemy
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