Die Gründerväter sind müde, die ADR-Rechte will übernehmen

Bad Bank

d'Lëtzebuerger Land vom 21.10.2011

Einen bescheidenen Erfolg verbuchte ADR-Präsident Robert Mehlen am 9. Oktober schon: Er wurde in den Gemeinderat von Manternach gewählt. Aber Siebter in einer Majorzgemeinde mit neun Sitzen zu werden, ist für den Landespräsidenten einer Partei nicht sonderlich ruhmreich. Und was ist das im Vergleich zum Verlust seines Abgeordnetenmandats vor zwei Jahren, dem erneuten Rückgang bei den Gemeindewahlen und der sich beschleunigenden Krise seiner Partei?

Die ADR war Anfang des Jahres noch uneins, wieviel Energie und Geld sie überhaupt in die Gemeindewahlen investieren sollte, da sie befürchtete, auf verlorenem Posten zu kämpfen. In der Hauptstadt hatte ADR-Rat Jacques-Yves Henckes nicht mehr kandidiert, wohl auch, weil er sich zusehends in der Partei isoliert fühlt. Der designierte Spitzenkandidat, Parteisekretär und Rechtsanwalt Roy Reding, hatte dann den Termin verpasst, um sich beim Einwohnermeldeamt einzutragen. Nun wurde Fer[-]nand Kartheiser in den Stadtrat gewählt. Bloß dass er gleichzeitig Abgeordneter im Südbezirk ist – für eine Partei, die sich als Verteidigerin der demokratischen Institutionen aufspielt, sieht das merkwürdig aus.

Daneben konnte der pensionierte Parteifunktionär Jeff Engelen seinen Sitz in Wintger verteidigen. Die ADR verlor drei Sitze in Esch-Alzette, Monnerich und Sassenheim, während sie zwei hinzu gewann: In Düdelingen wurde die Immobilien-Beraterin und Tierschützerin Trudy Reiff, die seit 2005 dem Stadtrat nicht mehr angehörte, wiedergewählt, und in Petingen kam der 20-jährige Student Joé Thein in den Gemeinderat.

Theins Wahl mit gerade drei Stimmen Vorsprung machte den jahrelangen Richtungsstreit in der ADR öffentlich, als der Vorstand der Jugendorganisation Adrenalin sich erfolglos bei der Parteispitze über ihren Vize[-]präsidenten Thein beschwerte und dann beinahe geschlossen demissi[-]onierte. Thein gehört zu einigen national bewegten Jugendlichen, die in der ADR eine politische Heimat gefunden haben, um im Internet und in Leserbriefen mit den üblichen Stereotypen über Ausländer und Muselmanen zur Rettung des christlichen Abendlands aufzurufen und ihre Bewunderung für allerlei Deutschnationale, Hooligans und den Abgeordneten Fernand Kartheiser auszudrücken.

Der ADR-Abgeordnete Jacques-Yves Henckes hat inzwischen öffentlich den Parteiaustritt von Thein verlangt. Auf den ersten Blick scheint es tatsächlich überraschend, dass die Parteiführung sich nicht von dem lästigen Nachwuchs trennen will. Aber in Wirklichkeit geht es nicht um einige verwirrte Studenten und Lehrlinge, sondern vor allem un den Abgeordneten Fernand Kartheiser, der seit der Unterzeichnung eines Kooperationsabkommens mit dessen antifeministischem Verein Association des hommes du Luxembourg im Jahr 2008 zum starken Mann der Partei aufsteigt. Der ehemalige Offizier und Botschafter will die ADR fest zur Rechten der CSV verankern. Auch wenn er derzeit noch von der gesamten Partei für die Wahlniederlage von 2009 verantwortlich gemacht wird, als er auf einer unheilvollen Pressekonferenz plötzlich die bis dahin verhassten Staatsbeamten zu umarmen versuchte und dadurch die stramm auf Futterneid gedrillte Wählerschaft verwirrte.

Auf dem ADR-Familienfest am Sonntag in einer Itziger Scheune wollte Präsident Robert Mehlen sich nicht festlegen und fragte: „Stehen wir weiter rechts, stehen wir weiter links, stehen wir in der Mitte? Das ist eine Diskussion, die man führen kann.“ Der ehemalige CSV-Mann Mehlen, der selbst wiederholt als rechter Scharfmacher auftrat, forderte die sprachlose Parteibasis auf: „Wir sollen intern diskutieren. Jeder soll sich einbringen, jeder soll seine Meinung sagen. Jeder soll sie mit Energie vertreten, mit guten Argumenten. Aber, um Gottes Willen, wir sollen das im Innern der Partei tun. Wir sollen nicht alles draußen auf dem Marktplatz austragen.“

Doch der Partei, die seit 1999 nur noch verliert, droht der Zerfall. Der Gewerkschaftsflügel spielt mit dem Parteiaustritt des ehemaligen NGL-Sekretärs Aly Jaerling und dem abgekämpften ehemaligen NGL-Präsidenten Gast Gibéryen kaum noch eine Rolle. Den liberaleren Jacques-Yves Henckes, einst Fraktionssprecher der DP im hauptstädtischen Gemeinderat, hält kaum noch etwas in der Partei. In Itzig kündigte auch der 62-jährige pensionierte Landwirt Mehlen an, dass er nächstes Jahr als ADR-Präsident Schluss macht. Nach der Niederlage bei den Parlamentswahlen war er bereits zum Rücktritt aufgefordert worden und vergangenes Jahr nur noch mit 66 Prozent der Stimmen wiedergewählt worden. Immerhin hatte er sich darum bemüht, die wegen seiner Valissen-Affär als extremistisch ausgegrenzte ADR wieder salonfähig zu machen.

Das droht nun, vergeblich gewesen zu sein. Nach dem Rückzug der Gründerväter, der Gewerkschafter und rechtsliberalen Mitglieder könnte von der ehemaligen Rentnerpartei, die einmal sieben Parlamentssitze hatte, bald nur noch eine Bad Bank für rechtsextreme Wirrköpfe übrigbleiben. Sie könnte den neuen starken Männern an der Parteispitze wie eine reife Frucht in den Schoß fallen. Aber Kartheiser, ebenso wie der aus der LSAP kommende Generalsekretär Roy Reding, der langsam die Lust an der ADR zu verlieren scheint, haben sicher andere Ambitio[-]nen, als sich an der Spitze einer Sekte lächerlich zu machen.

Romain Hilgert
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