Lifestyle

Die Kleiderpolizei kommt

d'Lëtzebuerger Land vom 28.10.2011

Heute loben wir die Lifestyle-Experten. In Krisenzeiten neigen wir leider zu Nachlässigkeit und Schlamperei. Wenn alles den Bach runtergeht, vergessen wir plötzlich, stilvoll aufzutreten. Wir erinnern uns nicht mehr an die oberste Maxime aller Hüter des guten Geschmacks: Edel geht die Welt zugrunde. Zum Glück gibt es Menschen, die uns mit Macht zurück auf den Pfad der Tugend führen. Die uns sozusagen penetrant auf die Hose schauen und nicht auf den zerfledderten Geldbeutel. Diese Menschen wissen immer, wo’s lang geht. „Lang“ ist in diesem Fall das entscheidende Stichwort. Vielleicht sind Sie nicht im Bilde, aber die meisten Männer tragen zu lange Hosen. Das ist ein echter Skandal. Eine Krise in der Krise. So kommen wir nicht aus dem Schlamassel. So geht alle Kompetitivität flöten.

Der große Sittenwächter, dem die zu langen Männerhosen schmerzhaft ins Auge springen, heißt Pierre Dillenburg. Er ist eine Art Volksmodeschöpfer, besser gesagt: ein Stasi-Offizier der guten Kleidermanieren. Weil er viel in aristokratischen Kreisen verkehrt, also dort, wo es außer der Garderobe nicht viel zu vermelden gibt, weiß er genau, wie unsereins auszusehen hat. In seiner Rubrik „Den Dill seet vill“ im RTL-Internetforum bittet er uns ohne viel Federlesens unter seine Guillotine.

Seine kunstvoll verschachtelte Hosenprosa hat uns einen heftigen Schrecken eingejagt: „Datt se sou do hänkt, wéi ech weess net wat, kënnt meeschtens dohir, well beim Umoosse vergiess gëtt, datt herno, trotz Bretellen a Rimm, d’Box e bësschen no ënne rëtscht, besonnesch bei Männer, déi keen Hönner, awer e Bauch hunn.“ Und dann die Warnung: „A vergiesst net: Keng brong Schong no 6 Auer owes!“ Der Mann hat recht. Wenn wir uns waghalsig im Spiegel betrachten, fallen uns noch ganz andere Mängel auf. Nicht nur ein verschrumpeltes Hinterteil, das seinen Namen nicht verdient, nicht nur eine Flatterhose, die vom geblähten Bauch förmlich bis unter die Schuhsohlen reicht, nein, es ist schon 19.30 Uhr, und unsere unvorteilhaft klobigen Füsse stecken immer noch in braunen, moselkahnbreiten Schuhen! Das heißt: Zu lange Hose, zu kurzer Verstand, zu blödes Outfit, ein veritabler Strummert von der Kopfhaut bis zu den Zehen!

Wir sind Herrn Petrus Von und Zu Dillenburg wirklich dankbar, dass er es nicht bei der Hosen- und Schuhkritik belässt, sondern unsere mangelhafte Erscheinung insgesamt brutal aufs Korn nimmt. In seinem Aufsatz „Zimlech horeg Männer“ legt er sich gnadenlos mit unserer Haartracht an: „‘t ass jo bekannt, datt d’Männer oft zimlech horeg sinn. Déi eng oder aner Fra och. Mir stame jo schlussendlech vun den Afen of!“ Wenn Sie jetzt ein vehementes Geräusch vernehmen, werden Sie soeben Zeuge, wie unser gesamtes Weltbild zusammenbricht. Wir glaubten nämlich fest, von Gott dem Schöpfer abzustammen. Ist der ein Affe? Gottohgott!

„Dat, wat ech awer ganz elle fannen, ass, wann d’Männer d’Nuque net propper hunn an do sou ee wëlle Wues sech breet mecht. Kuckt emol ëm Iech an zielt déi, wou dat de Fall ass an oft och d’Hoer wéi wëll aus der Nues an den Ouere wuessen! Et sinn der méi, wéi Dir mengt.“ Tatsächlich! Seit wir uns auf Geheiß der Kleiderpolizei umschauen und zählen, sehen wir nur noch ungepflegte Zottelwesen, Männer mit monumentalen Mähnen, heillos überwucherten Nuquen, riesigen Haarbüscheln, die aus Nasenlöchern und Ohrtrompeten sprießen, ja, sind wir noch zu retten? Sollte man da nicht mal mit dem Flammenwerfer unter den männlichen Bevölkerungsteil fahren?

Die Leiden des virtuellen Adeligen Petrus Von und Zu Dillenburg sind unmenschlich und grausam. Sogar in der Bäckerei überfallen ihn völlig verlotterte Zeitgenossen. „Lo huelen déi Damme säit enger Zäit eng Pince, fir d’Kichelcher aus dem Kuerf oder der Vitrine ze huelen. Ech sinn awer bal sécher, datt se déi net gebraucht hunn, wéi se d’Mëtschen opgetesselt an d’Vitrine gefëllt hunn. Wat se do virdru mat hire Fangere gemaach hunn, wëll ech léiwer net wëssen!“ Auf zur Katharsis! Blicken wir dem baren Grauen doch todesmutig ins Auge! Diese Bäckereidamen haben zuvor mit ihren Fingern in der Nase gebohrt, in allen denkbaren Körperöffnungen gestochert und in allerlei organischen Flüssigkeiten gewühlt. Igitt, igitt! Wäre es nicht an der Zeit, alle Bäckereien zu schließen und alle ekelhaft fingernden Damen kurzerhand in den Schomaasch zu schicken?

Überhaupt die Damen! „Ech gi geckeg, wann am Supermarché an der Keess zwou Vendeusen, während se Iech zerwéieren, matenee schwätzen, wéi wann Dir guer net do wäert.“ So schnell kann man verrückt werden. Und wer ist schuld? Die Damen, die nicht mal zur Kenntnis nehmen, dass ein virtueller Adeliger vor ihnen steht. Fehlt nur noch, dass sie zu lange Hosen tragen, die Nuque nicht rasiert haben und mit ihren Fingern heimlich schmotzeg Saache machen, statt brav die Registrierkasse zu bedienen. Wir jedenfalls schwören, nie mehr nach 18 Uhr in braunen Schuhen aufzutreten. Wir haben schon ein Paar blaue gekauft. Mat gielen Tëppelen.

Guy Rewenig
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