Die Auwirkungen der Steuerreform von 2001

Steuersenkungen heimlich zurückgenommen

d'Lëtzebuerger Land du 13.03.2008

Im Jahr 2001 trat die große Einkommenssteuerreform von CSV und DP in Kraft. Weil die Meinungen über ihre Auswirkungen auf die Kaufkraft der Haushalte und die Staatsfinan­zen auseinander gingen, hatten der Wirtschafts- und Sozialrat und die Arbeiterkammer schon damals eine Analyse des Steuersystems und der Auswirkungen der Reform verlangt. Vergebens.

Doch nun gibt es doch noch die erste ziemlich neutrale Bewertung, wie sich die Besteuerung der Gehälter im Laufe dieses Jahrzehnts entwickelt hat. Die OECD widmet nämlich einen Teil ihrer die­se Woche veröffentlichten vergleichenden Jahresstudie Taxing Wages 2006-2007 den Tax reforms and tax burdens 2000-2006.Dabei stellt die OECD fest, dass während dieses Jahrzehnts in ihren 30 industrialisierten Mitgliedsstaaten all­gemein eine Tendenz bestand, die Einkommenssteuerbelastung durch eine Minderung der Steuersätze zu senken, den Unterschied zwischen Eingangs- und Spitzensteuersatz zu verringern und die Steuerprogres­sion durch die Beseitigung von Einkommensstufen abzuflachen (S. 24 u. 37). Die Luxemburger Einkommenssteuerreform war also kein Zeichen wirtschaftlicher Verwegenheit oder politischer Großzügigkeit, sondern passte genau in den Trend der Zeit.

Eine Ausnahmeerscheinung stellt der CSV-Staat nur auf einem Gebiet dar: Er ist OECD-Rekordhalter bei der steuerlichen Bezuschussung von Hausfrauenehen. Denn in Luxemburg betrage beim Durchschnittseinkommen der Unterschied in der Steu­er- und Abgabenschere zwischen einem Ehepaar mit einem Einkommen und einem Junggesellen 15,7 Prozentpunkte. Bei der Einkommenssteuer mache der Unterschied sogar 17,8 Prozent aus. In mehr als der Hälfte der OECD-Länder gebe es dagegen gar keinen Unterschied oder er betrage nicht mehr als fünf Prozentpunkte (S. 61).

Die OECD misst die Auswirkungen der Streuerreformen an der Entwicklung der Steuer- und Abgabenschere daran, wie viel an Steuern und Sozialabgaben von den Lohnkosten der Unternehmen abgezogen werden, ehe die Beschäftigten den Rest mit nach Hause nehmen können. In Luxemburg betrage dies vergangenes Jahr 37,5 Prozent, in Deutschland 52,5 Prozent und in Mexiko 15,3 Prozent (S. 15).

In diesem Zusammenhang bescheinigt die OECD Luxemburg, zu jenen Staaten zu gehören, wo die Steuer- und Abgabenschere am stärksten und am gleichmäßigsten verringert wurde. Dabei handelt es sich bezeichnenderweise neben Luxemburg um vier skandinavische Staaten mit ähnlich hoch entwickeltem Sozialstaat, sowie um das sehr wirtschaftsliberale und sehr katholische Irland und die Slowakei (S. 25).

Überall in der OECD hätten Kleinverdiener Nutzen aus den Steuerreformen gezogen. Doch sei Luxemburg eines jener fünf Länder gewesen, wo die Steuerprogression gezielt abgeflacht worden sei, so dass Spitzenverdiener deutlich höhere Steuereinsparungen erfuhren als Mittel- und Kleinverdiener (S. 26 und 39).

Dieses Phänomen sei noch durch die ausgebliebene Anpassung der Steuertabelle an die Inflation verstärkt worden. Immerhin wurde in 18 OECD-Ländern die Steuertabelle an die Inflation angepasst, nicht so hierzulande (S. 53). Luxemburg gehört zudem laut OECD zu jener Minderheit von Staaten, wo das Zusammenwirken von Steuerreform und schleichender Steuererhöhung die höheren Einkommensgruppen bevorteiligte (S. 31). Diese Bezieher höherer Einkommen profitierten schließlich auch noch davon, dass es hierzulande eine Obergrenze für Sozialabgaben gibt, welche sich regressiv auf die Steuer- und Abgabenschere auswirkt (S. 31).

Wenn die progressive Steuertabelle nicht an die Inflation angepasst wird, steigen die Einkommen in höhere Einkommensstufen der Tabelle, die stärker besteuert werden, so dass der Effekt der Streuersenkung über die Jahre wieder zunichte gemacht zu werden droht. Die OECD dokumentiert diese Entwicklung für Luxemburg am Beispiel eines Junggesellen mit dem Durchschnittsgehalt: Seine Steuer- und Abgabenlast, die im Jahr 2000 noch 38,6 Prozent der Lohnkosten betragen hatte, sank durch die Steuerreform bis zum Jahr 2002 auf 34,2 Prozent, um dann wieder wegen der Nicht-Anpassung der Steuertabelle an die Inflation bis zum Jahr 2007 auf 37,5 Prozent anzusteigen (S. 109). Bei einem Ehepaar mit zwei Kindern und einem Durchschnitts- und einem Einkommen von zwei Dritteln des Durchschnittseinkommens lag die Steuer- und Abgabenlast vor der Steuerreform im Jahr 2000 bei 24,6 Prozent, sie sank 2002 auf 20,2 Prozent und lag im Jahr 2007 wieder bei 24,1 Prozent (S. 124).

Die Steuersenkungen von 2001 wurden also durch den Fiscal-drag-Effekt wieder weitgehend rückgängig gemacht. Ohne die teilweise Anpassung der Steuertabelle im Januar dieses Jahres hätte die Steuer- und Abgabenlast trotz Indexmanipulation der Gehälter 2008 wohl wieder das Niveau vor der Steuerreform erreicht.

 

Romain Hilgert
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