Piratenparteien

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d'Lëtzebuerger Land du 04.11.2011

Die Angst geht um. Angst vor Piraten. Sie sind mitten unter uns, sogar im friedlich-beschaulichen Luxemburg. Sie werden immer mehr und führen Schlimmes im Schilde, möchten sie doch das politische Feld aufmischen, Verkrustungen aufbrechen und, wenn’s nicht anders geht (manchmal geht’s nicht anders), die Etablierten angreifen. Es handelt sich um eine noch sehr junge Bewegung – die erste Piratenpartei entstand 2006 in Schwe[-][-]den –die sich allerdings einer wachsenden Beliebtheit erfreut und bereits erste Wahlerfolge einfährt. Zuletzt im September 2011 in Berlin, wo ihnen mit 8,9 Pèrozent der Stimmen erstmals der Einzug in ein deutsches Parlament geglückt ist.

À propos Nachbarländer: Die deutsche Piratenpartei besteht seit 2006, die Ableger in Frankreich, Belgien und Luxemburg wurden drei Jahre später gegründet. In den Parteiprogrammen findet man viel Positives, etwa wenn es um die Stärkung von Bürgerrechten, mehr politische Mitbestimmung und Transparenz im Regierungsgeschäft und auf der Verwaltungsebene geht. Auch Forderungen wie „Wissen beziehungsweise Kultur für alle“ sollten einen Demokraten nicht abschrecken.

Ihren eher negativ besetzten Namen verdanken die Piraten ihrem (zu Beginn) radikalen Einsatz für eine Reform der Urheber- und Autorenrechte. Stichwort Raubkopiererei – also Piraterei – im Internet. Geklaut ist geklaut, sagen beispielsweise die Musik- und die Filmindustrien, denen jedes Jahr Hunderte Millionen Euro durch die Lappen gehen. Das sehen viele Piraten nicht so. Die neuen Informations- und Kommunikationstools, behaupten sie, erfordern eine Neuinterpretation vom Prinzip des geistigen Eigentums. Eine ziemlich „moderne“ Forderung, die natürlich nicht überall gut ankommt.

Ein interessanter Satz aus der Satzung unserer Piratenpartei: Die gleichzeitige Mitgliedschaft in der Piratepartei Lëtzebuerg und bei anderen (mit ihr im Wettbewerb stehenden) Parteien oder Wählergruppen ist nicht ausgeschlossen. Eine solche Offenheit muss natürlich auf Gegenseitigkeit beruhen, außerdem stellt sich die Frage, ob man zwei Herren, sprich Parteien, dienen kann darf beziehungsweise soll. Schließlich sollten Piratenparteien nicht zu Auffang[-]becken für frustrierte Anhänger oder Abweichler anderer Parteien degenerieren. In Deutschland beispielsweise gab es Turbulenzen, als man erfuhr hat, dass es ein (gewähltes) Mitglieder mit NPD-Vergangenheit gibt. Dem Zeit-geist entsprechend ist der Umstand, dass die Piraten sich interna-tional organisieren: Es gibt eine Dachorganisation nationaler Piratenparteien, einen internationalen Zusammenschluss von „Einzelpiraten“ sowie eine gemeinsame Erklärung zur Europawahl 2009. Auch dies sollte ein Ansporn für andere Parteien sein.

Die Piraten sollte man nicht künstlich groß reden; weg reden bringt aber auch nichts. Sie möchten als richtige Parteien wahrgenommen und gewählt werden. Das bedingt natürlich noch ein Mehr an Professionalität, an politischem Know-how und an programmatischer Substanz. Dass nicht jeder neugewählte Abgeordnete – siehe die Bundespressekonferenz nach der Berliner Wahl – sich sofort und überall auskennt, ist nicht so schlimm, sind doch alle Parlamente garniert mit Mitläufern/innen, die dort eigentlich nichts zu suchen haben. Und verpassen nicht auch schon mal gestandene Politiker/innen die Gelegenheit, zu schweigen? Aber dieser Zustand sollte nicht andauern. Eine „In“-Partei kann sich auch selbst entzaubern.

Claude Gengler
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