Industrieproduktion

Marmor, Stein und Eisen bricht...

d'Lëtzebuerger Land vom 04.12.2008

Eine Woche nachdem ArcelorMittal den Abbau von 9 000 Arbeitsplätzen auf freiwilliger Basis weltweit – davon 400 in Luxemburg – angekündigt hatte, legt das statistische Amt Statec neue Zahlen zur Industrieproduktion in Luxemburg vor. Daraus ergibt sich: Im dritten Trimester sank die Produktion um 2,3 Prozent. 

Rechnet man den Sektor der Metallurgie heraus, so sank die Produktion der Luxemburger Industrie um 2,6 Prozent. In den ersten neun Monaten stieg die Herstellung in den Luxemburger Stahlwerken noch um 8,7 Prozent, im dritten Trimester waren es noch 0,4 Prozent mehr als im zweiten Trimester 2008. Bis die Werke im Oktober teils abgeschaltet wurden, lief es also noch recht gut in der Luxemburger Stahlherstellung. Erst in den Zahlen des vierten Trimesters werden sich die Produktionsstopps wirklich bemerkbar machen. Dass nun in der Verwaltung 400 Arbeitsstellen abgebaut werden sollen, kommt ein wenig überraschend und doch wieder nicht. 

Überraschend ist es, weil man auf Unternehmensseite noch bis vor kurzem sehr darauf bedacht war, hervorzuheben, wie viele neue Stellen seit der Fusion in der Verwaltung am Hauptsitz geschaffen wurden. Und dass dieser Aufwärtstrend sich fortsetzten dürfte. Nicht zuletzt wurde dies hervorgestrichen, um von eventuellen anstehenden Arbeitsplatzreduzierungen in der Produktion abzulenken. Denn im Oktober war Vorstandsmitglied Michel Wurth noch von einer Arbeitsplatzreduzierung von rund 200 Stellen innerhalb der nächsten drei Jahre ausgegangen – in den Stahlwerken (d‘Land, 10.10.2008). Nicht ganz so überraschend ist die Ankündigung, weil bei der Vorstellung der Resultate des drittens Quartals Anfang November schon Sparmaßnahmen angekündigt worden waren. Die management gains sollten von vier auf fünf Milliarden Dollar innerhalb der nächsten fünf Jahre gesteigert werden, angesichts der Krise beeilt man sich nun mit dem Sparen. 

Dass davon Luxemburg nicht verschont bleiben würde, musste jedem klar sein. Vielleicht deshalb verhalten sich die Luxemburger Gewerkschaften erstaunlich ruhig. Denn als beispielsweise die Luxair Arbeitsplätze abbaute und die Angestellten mit Abfindungspaketen lockte, war die Aufregung groß. Oder aber sie sind zurückhaltend, weil sie ihren derzeitigen Verhandlungspartnern nicht in den Rücken fallen wollen. Zusammen mit der Konzernführung versuchen sie gerade die Regierung davon zu überzeugen, dass die Finanzierung der cellule de reclassement auch in den nächsten zwei bis drei Jahren aus dem Beschäftigungsfonds fließen soll. Immerhin zeigten sich weder OGBL noch LCGB mit den französischen und belgischen Gewerkschaftskollegen solidarisch, als diese vor zwei Wochen in Regen und Kälte vor dem Sitz von ArcelorMittal gegen die Produktionsstopps protestierten. 

Damals warnten die französischen Gewerkschaften, diese Strategie könnte auch nach hinten losgehen, da man riskiere Marktanteile zu verlieren, falls die Abnehmer unbedingt gezwungen werden sollten, die Lagerbestände abzubauen. Ob die innige Liebe zwischen Konzern und Gewerkschaften auch dann nicht zerbricht, wenn sich Lakshmi Mittal, Verwaltungsratvorsitzender, CEO und größter Teilhaber Anfang 2009 wieder eine Milliardendividende auszahlen wird? Ob sie dann auf Unterstützung seitens der Regierung hoffen können? Angesichts der wenig glorreichen Budgetsituation im nächsten Jahr wird sich diese, zumindest heimlich, auf ihren Anteil der Dividenden freuen.

Michèle Sinner
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