CSV

Der Anwärter

d'Lëtzebuerger Land vom 17.07.2008

Das Sommerfest seiner Partei nutzte Premier Jean-Claude Juncker am Mittwochabend in Hesperingen, um noch schnell vor der Urlaubs­pause den Parteimitgliedern und den Pressevertretern feierlich seine Rückkehr in die nationale Politik zu melden. Bis zum Referendum in Irland über den Vertrag von Lissabon hatten sich bereits alle auf eine CSV und einen Wahlkampf ohne Juncker vorbereitet, und er selbst vermittelte den Eindruck, zwischen zwei internatonalen Tagungen etwas geistesabwesend zu regieren.

Doch nach allerlei Vorstellungsbesuchen in Begleitung seines desig­nierten Nachfolgers Luc Frieden bei den Mächtigen dieser Welt wurde der Kandidat für den ständigen Vorsitz des Europäischen Rats nun gegen seinen Willen und wenigstens für mehrere Monate hierzulande aufgehalten. Also musste er für seine beunruhigte Partei und seine verunsicherten Wählern mit dem nötigen Pathos klarstellen, dass er erst einmal Anwärter auf seine eigene Nachfolge bleibt und somit noch einmal als christlich-sozialer Spitzenkandidat in den Wahlkampf zieht.

Und um gleich zu zeigen, wer das Sa­gen hat, griff er nach dem Gral des Luxemburger Sozialstaats und schlug vor, verlangte oder kündigte an – bei einem CSV-Premier ist das nie so eindeutig –, dass die automatische Indexanpassung auch nach den Wah­len und dem Ende des Tripartitegesetzes 2010 so lan­ge außer Kraft gesetzt bleiben soll, wie die Inflationsrate nicht unter zwei Prozent fällt. Wobei nicht ganz klar ist, ob die Indextranchen aufgeschoben, wie im derzeitigen Tripartitegesetz, oder kur­­zerhand gestrichen werden sollen.

Jedenfalls hat der Premier damit erneut seine Meinung korrigiert. Denn zuerst hieß es, dass die Sozialpartner 2010 über den Index befinden sollten, dann, dass die automatische Anpassung wieder eingeführt werde, wenn es das wirtschaftliche Umfeld erlaube.Die Parteimitglieder im Hespe­ringer Bürgerzentrum mögen es überrascht zur Kenntnis genommen haben, wie sie zentrale Punkte ihres Wahlprogramms unverhofft von der Rednertribüne herab diktiert bekommen. Dies dürfte um so mehr der Fall gewesen sein, als ein ähnlicher Versuch bei der sozialistischen Konkurrenz im März gescheitert war und ein Kongress die Parteiführung mit der Forderung überstimmt hatte, die automatische Indexanpassung nach den Wahlen ohne Wenn und Aber wieder einzuführen.

Der Grenzwert von weniger als zwei Prozent Inflation aus dem Mund von „Mister Euro“ überrascht wenig, da er der Vorgabe der Euro­päischen Zentralbank entspricht. Aber Tatsache ist auch, dass die Jahresinfla­tionsrate in diesem Jahrzehnt noch nie unter zwei Prozent lag, ohne dass bis 2006 die Notwendigkeit bestanden hätte, die automatische Anpassung der Gehälter und Renten um 2,5 Prozent außer Kraft zu setzen.

Natürlich ist Junckers umgehend vom Handwerkerverband gelobter Vorschlag eines Schönwetter-Index auch eine Alternative zum von den Unternehmerverbänden vorgeschla­genen Niedrigverdiener-Index, der allgemeinen Anpassung bis zur Hö­he des eineinhalben Mindestlohns. Das entbehrt nicht der Ironie, da Juncker nicht die UEL, sondern die CSV als „Partei der kleinen Leute“ lobte. Aber mittelständische Luxemburger Unternehmen mit niedrigen Löhnen und große internationale Firmen mit höheren Gehältern sparen unterschiedlich bei den beiden Lösungen.

Romain Hilgert
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