Die kleine Zeitzeugin

Alle sind aus dem Gartenhäuschen!

d'Lëtzebuerger Land vom 04.10.2019

Immer wieder beruhigend, die News aus dem Land, in dem Bier und Benzin fließen, und natürlich der gewaltige Verkehrsstrom, Ex-Insassin wird so weh und warm ums Herz. Wie heimelig die heimischen Schlagzeilen doch sind!

Kein Terror, kein Amok, keine rechten Randalierer. Arme Kinder und arme Junkies sind grad nicht Thema, sie sind ja auch nur Randerscheinungen. Kein böser Populist weit und breit, höchstens auf Facebook, und da wird er traulich mit seinem Vornamen beschimpft. Gelbe Westen waren nur mal zu Besuch. Braune

Westen werden selten gesichtet. Und die Grünen sind die stärksten in Europa, wie sie den österreichischen Grünen, die in ihrem Sieger_innentaumel nach den Wahlen letzten Sonntag diesen Rang für sich beanspruchten, ausrichteten.

Und dann stolpert einer von ihnen, ein richtig wichtiger, über ein Gartenzwerghaus. Und über ein paar Bäume, die es nicht mal mehr gibt. Über ein paar freundliche Handreichungen. Er hat die Erde bewegt, anscheinend tut man so was nicht, dabei bewegt sie sich dauernd. Wer denkt Schlechtes bei so was? Wer denkt so pingelig, so erbsen-, so baumzählerisch? Wer denkt Schlechtes beim Erben, das ist schwer genug, das kann jedem passieren, dafür kann man nichts.

Verantwortungsträger_innen und Entscheider_innen haben so viel im Kopf, dass sie nicht alles im Kopf haben können. Ein paar Schrittlein über die Rechtsgrenze, oder sind es Meter? Das Recht ist aber auch so unflexibel.

Es fängt alles so gartenhäuslich an, ein Zaun wird erneuert, ein Wäldchen wird gerodet, ein sehr kleines. Die Dimensionen sind ja auch eher klein hier. Abgesehen von den Autos. Es handelt sich bei dem, was jetzt auffliegt, nicht um einen Palast aus lauter Gold à la Erdogan oder Saddam Hussein oder wie von einem ukrainischen Potentaten. Das Gartenzwerghäuschen steht allerdings auf einem Prinzenberg, und was hat die Müllerstochter damit zu tun? Hat sie sich wie eine grüne Fee vor die Idylle gestellt, die auf den ersten Klick allerdings ein bisschen rostig ist, ein bisschen vergilbt? Eher Betonbox als lauschige Laube, wahrscheinlich würde kein Gartenzwerg hier freiwillig einziehen. Hat sie den Gartenzwerghausbesitzer vor den Naturschützern beschützt? Aber die Müllerstochter will partout keine Affäre mit dem Gartenhaus auf dem Prinzenberg haben. Es wird immer geheimnisvoller und rätselhafter, dann taucht auch noch ein Eselsstall auf. Den wollen manche der Müllerstochter auch noch in die Schuhe schieben.

Und dann wird herumgewühlt und alle sind sehr aufgewühlt. Auch die Linke äugt streng und gerecht auf das Vergehen, was nicht nur ein Versehen ist, nur ein Kommunist findet milde, mildernde Worte.

Ein paar Bäume wurden gefällt und dann der Bürgermeister. Klar, sehr schlecht bei einem Grünen, der Sage nach sind die ja Schutzpatrone der Bäume. Obschon so viele Baumleichen ihren Weg und die Straßen des Landes pflastern, hält sich diese Sage hartnäckig. Heilige dürfen aber bekanntlich nicht menschlich sein, jedenfalls nicht allzu. Und Grüne schon gar nicht, die erbarmungslosen Gutmenschkontrolleur_innen hocken ihnen immer im Genick, die Grünen haben immer einen Misstrauensvorschuss. Immer müssen sie beweisen, wie edel sie sind, und wenn sie es dann sind, fehlt ihnen wieder der menschliche Mief. Korrekt statt korrupt, für was halten die sich? Bei anderen Dicken weiß man, wo man dran ist, das sind normale Menschen, die sich normal benehmen.

Der Bürgermeister will nicht mehr Bürgermeister sein, nicht mal mehr Abgeordneter, bestraft werden will er auch noch. Obschon sie so gar nicht verrucht klingt, wer will schon eine Affäre mit einem Gartenhaus haben?, nimmt diese immer gewaltigere Ausmaße an. Krieg den Hütten! Eine Palastrevolution wird knapp vermieden, und beinahe hätte die Regierung eine Krise gekriegt. Aber dann kommen junge Menschen, die noch grün hinter den Ohren sind und lächeln freundlich.

Und irgendwann werden die Journalist_innen den Prinzenberg, der kein Galgenberg ist, verlassen. Weil, es ist ein bisschen fad da. Ein nicht ausgestorbener Schmetterling segelt über die Baumstümpfe, über die bewegte Erde wächst Gras. Und alles wird grün.

Michèle Thoma
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