Juncker kritisiert Papst und Großherzog

Roma locuta est

d'Lëtzebuerger Land du 05.02.2009

Auch wenn er im Laufe der Jahre weniger dogmatisch geworden zu sein scheint, wird Erzbischof Fer­nand Franck nicht nachgesagt, ein Licht der Aufklärung und der reli­giösen Erneuerung zu sein. Anders als viele ausländische Kollegen hatte er anderthalb Wochen eisern da­zu geschwiegen, dass Papst Benedikt XVI. vier mit Exkommunizierung bestrafte lefebvrianische Bischöfe der rechtsradikalen Piusbruderschaft wie­der in den Schoß der katholischen Kirche aufgenommen hat, darunter den britischen Nega­tionisten Richard Williamson.

Weil er sich offenbar um alles kümmern muss, sprang deshalb der Premier und CSV-Spitzenkandidat Jean-Claude Juncker am Mittwoch an Stelle des Erzbischofs ein und gab über RTL die Richtung vor: Für Juncker sei „es nicht nachvollziehbar, dass man einen Bischof wieder in die Reihen der Kirche aufnimmt, der den Holocaust leugnet. [...] Unabhängig von möglichen Dysfunk­tionen in der Verwaltung dieser Angelegenheit, ist es absolut notwendig [...], dass glasklar gemacht wird, dass die katholische Kirche die Theorien dieses Herrn nicht teilt.“

In einer sehr ultramontanen Tradi­tion der katholischen Kirche in Luxemburg scheint für Juncker die Zeit reif für einen Schuss Gallikanismus oder Febronianismus. Das hatte er schon vor zwei Monaten im Namen der Regierung vor dem Parlament deutlich machte. Damals, am Tag als die Kammer in zweiter Lesung über die Legalisierung der Euthanasie debattieren sollte, hatte der Papst den Luxemburger Gesandten beim Vatikan ins Gebet genommen und ihm seine „très vive préoccupation“ über den Gesetzesvorschlag ausgedrückt: „Les responsables politiques, dont le devoir grave est de servir le bien de l’homme, tout comme les médecins et les familles, doivent se rappeler que ‘la décision délibérée de priver un être hu­main innocent de sa vie est toujours mauvaise du point de vue moral et ne peut jamais être licite’.“

Dieser Versuch, Druck auf die katholischen Abgeordneten auszuüben und die Rolle des Großherzogs zu stärken, der die Entscheidung des Parlaments missachten wollte, stellte für die Regierung eine Einmischung eines fremden Staatsoberhaupts in die inneren Angelegenheiten des Landes dar. Premier Jean-Claude Juncker verurteilte sie scharf und desavouierte damit unausgesprochen auch den Großherzog, der sich ratsuchend an den Chef des Vatikans, als Staatsoberhaupt an ein fremdes Staatsoberhaupt, gewandt hatte.

So stellt Junckers Kritik am Papst die­se Woche nicht nur eine Hilfestellung für die am Vortag aktiv gewordene deutsche Bundeskanzlerin dar, sondern auch eine kleine Revanche für die päpstliche Einmischung vom 18. Dezember. Und einen unüberhörbaren Weckruf für Erzbischof Fernand Franck. Denn Franck hatte offenbar noch gehofft, dass die kurze Erklärung des Katholikenrats von vergangener Woche ausreichen würde, um seine ratlosen Kirchgänger zu beruhigen. Der Katholikenrat, der vor sechs Jahren gegründet worden war, um den Laien ein Mitspracherecht in der Kirche einzuräumen „a pris connaissance des propos scandaleux de la négation des crimes commis envers le peuple juif par l’évêque traditionaliste Richard Williamson appartenant à la Fraternité Sacerdotale Saint-Pie X. La réintégration des évêques intégristes devient dans ce contexte une charge insoutenable pour l’unité de l’Église dans son esprit d’ouverture construit sur les ensei-gnements de Vatican II.“ Die Erklärung des Katholikenrats hatte für den Erzbischof offenbar den Vorteil, dass sie zwar die Meinung einer Einrichtung der Erzdiözese widerspiegel­te, aber nicht den Klerus und die Kirchenhierarchie zu einer Kritik am Kirchenoberhaupt in Rom verpflichtete.

Für die Gläubigen, die sich vom Katholikenrat vertreten fühlen, geht es aber nicht nur um die Rehabilitierung eines Negationisten durch einen Papst, der in der Hitlerjugend war. Sie sehen in der Wiederaufnahme der in der Piusbruderschaft zusammengeschlossenen Lefebvrianer einen weiteren Versuch von Papst Be­nedikt XVI., die Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils der Sechzigerjahre zurückzurollen. Anlass zu dieser Sorge gab ihnen bereits vor zwei Jahren die Wiederzulassung des vom Zweiten Vatikanischen Konzils verbotenen tridentinischen Messritus aus dem 16. Jahrhundert. Solche Messen werden hierzulande nach einem Versuch in Hollerich an allen Sonn- und Festtagen in der Kapelle Unsere Liebe Frau Heil der Kranken in der Rue des Maraîchers auf dem Kirchberg abgehalten.

Jedenfalls schien die Erklärung des Premiers am Mittwoch Wunder gewirkt zu haben. Denn noch am selben Tag ließ Erzbischof Frank, der bis dahin jede Stellungnahme abgelehnt hatte, eine Erklärung verbreiten, in der er bezeichnenderweise dem Bekenntnis zum Zweiten Vatikanischen Konzil mehr Platz einräumt als der Verurteilung des Negationismus. Doch „dass die Aufhebung der Exkommunikation der vier konservativen Bischöfe mit den unsäglichen Äußerungen eines Einzelnen, nämlich Richard Williamsons, zusammenfallen, ist eine tragische und zutiefst bedauerliche Verknüpfung, die man meiner Einschätzung nach bei den zuständigen vatikanischen Stellen hät­te voraussehen können. Das Faktum, den Holocaust zu leugnen, löst bei jedem normal denkenden Menschen Schrecken und Empörung aus. […] Was Bischof Williamson gesagt hat, ist furchtbar und unverantwortlich.“Das Zögern des Erzbischofs war um so ungeschickter, als auch innenpolitisch für ihn viel auf dem Spiel steht. Die Niederlage der Kirchenhierarchie und ihrer mächtigen Tageszeitung in der Euthanasiedebatte zeigen, wie gering ihr politischer Einfluss geworden ist. Und je größer die öffentlichen Zweifel an der moralischen Autorität des Erzbischofs werden, um so schwieriger wird es für die CSV in den nächsten Monaten und Jahren, den katholischen Religionsunterricht gegen seine Integration in einen allgemeinen Werteunterricht zu verteidigen.

Romain Hilgert
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