Einst waren kapverdische Gastarbeiter hierzulande nicht willkommen. Der Großherzog unterstrich diese Woche bei einem Staatsbesuch auf dem Archipel die Freundschaft zwischen den beiden Kleinstaaten

Feiern mit Cabral

Im Park von Bonnevoie
Photo: Gilles Kayser
d'Lëtzebuerger Land du 11.07.2025

Rund um den Place du Parc in Bonnevoie wurden Essens- und Getränkestände aufgebaut. Eine Musikgruppe macht gerade den Soundcheck im Kiosk. Gegen drei Uhr nachmittags ist an diesem Samstag, dem 5. Juli, noch nicht allzu viel los. Gefeiert wird die 50-jährige Unabhängigkeit Kap Verdes. Hinter einem Biertisch steht Gilda Monteiro vor dem Logo ihres Kulturvereins São Vicente, das die Farben der luxemburgischen und kapverdischen Flaggen vereint. Sie hat Kap Verde verlassen, um Betriebswirtschaft in Portugal und Lille zu studieren. Anschließend arbeitete sie in Brüssel, heiratete einen Belgier und ließ sich mit ihm in Luxemburg nieder. „Ich würde sagen, mein Weg ist typisch für meine Generation – die Millennials. Wir verlassen unsere Heimatinsel, um in Brasilien, Kuba oder Portugal zu studieren, und heiraten häufig keine Kapverdier“, skizziert sie den Lebensweg vieler ihrer Altersgenossen.

Schätzungen zufolge leben etwa 700 000 Kapverdier im Ausland – vor allem in den USA (260 000) und in Europa, wobei die meisten in Portugal ansässig sind. In Luxemburg leben derzeit rund 2 600 Kapverdier. Berücksichtigt man jedoch auch Menschen mit kapverdischem Migrationshintergrund und nicht nur die Staatsangehörigkeit, dürfte die Zahl laut dem Migrationsforschungszentrum Cefis etwa dreimal so hoch liegen. Auf den Kapverdischen Inseln selbst leben hingegen nur etwa 500 000 Menschen (laut Zensus von 2021). Die Wirtschaft und Gesellschaft Kap Verdes war jahrhundertelang geprägt von der Zuckerrohr- und später Salzproduktion sowie von Viehzucht. Wiederkehrende Dürren und Hungersnöte führten allerdings bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu ersten großen Auswanderungswellen.

Noch 2008 galt das Land als eines der „am wenigsten entwickelten Länder“. Heute zählt der Inselstaat zu den Ländern mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen auf dem afrikanischen Kontinent. Gründe für diesen Aufstieg sind vor allem Überweisungen aus der Diaspora, stabile politische Verhältnisse und der Tourismus – Luxair fliegt die Kapverden mehrmals pro Woche an. Geworben wird mit Kite- und Windsurfing im Atlantik. Der kapverdische Staatspräsident José Maria Pereira Neves, ein Sozialdemokrat, war zuletzt 2023 zu Besuch in Luxemburg, um die bilaterale Zusammenarbeit im Bereich der erneuerbaren Energien und Bildung zu vertiefen. Inzwischen sind mehrere Windparks und Solaranlagen auf den Inseln entstanden.

Am Sonntag schlossen Großherzog Henri, Premierminister Luc Frieden und Kammerpräsident Claude Wiseler ihren offiziellen Besuch in Kap Verde im Rahmen der 50-jährigen Unabhängigkeit ab. Man schwor laut Quotidien auf die „Freundschaft und die engen bilateralen Beziehungen“. Fotos mit kapverdischen Schulkindern schmücken die Facebook-Seite vom CSV-Premier und dem großherzoglichen Hof. Vor 50 Jahren war das noch anders: Luxemburgische Politiker wollten sich nicht mit Kapverdiern ablichten lassen. Das Land meldete 1972 in Rekurs auf eine Mitteilung des Justizministeriums an die Arbeitgeberverbände, dass „Neger und Asiaten als Fremdarbeiter in Luxemburg unerwünscht“ seien. Ihnen würden keine Aufenthaltsgenehmigungen mehr ausgestellt, die zur Arbeitsaufnahme berechtigten (Serge Kollwelter konnte das Schreiben vergangenes Jahr allerdings nicht im Archiv auffinden (forum 438). Das Land nannte das Schreiben „behördlichen Rassismus“. Daraufhin trafen zwei Leserbriefe in der Redaktion ein, die Verständnis für diese Entscheidung äußerten. Es sei falsch, Kapverdier „in die Fremde und in die industrielle Zivilisation zu katapultieren“. Hier würden sie „infolge der Gegebenheiten dauernd vereinsamt auf der untersten Stufe vegetieren“. Man springe „bekanntlich nicht ohne Gefahr in einem Satz aus primitivem Milieu in die hochindustrielle Zukunft, die selbst von den Einheimischen schwer bewältigt wird“.

In einem weiteren Brief hieß es, die Bevölkerung mache sich „seit einiger Zeit viele Sorgen über das immer zahlreichere Auftauchen afrikanischer und asiatischer Menschen“. Luxemburg habe bislang „keine rassistischen Probleme“ gehabt – warum also solle man sie „mit einem Laissez-faire der Unternehmer, denen es egal ist, was die Folgen sein werden, wenn sie nur billige Arbeitskräfte bekommen“, künstlich herbeiführen? Daraufhin antwortete der sozialistische Abgeordnete Michel Delvaux, dass 6 300 Arbeiter mit portugiesischem Pass eingereist seien. Wenn man nun „farbige Arbeiter“ identifizieren wolle, müsse man „rassenbasierte Statistiken“ einführen und damit den Rassismus des 19. Jahrhunderts wieder etablieren. Und empörte sich über die miserablen Umstände, in denen Kapverden wohnen; im Pfaffenthal würden sie auf dem „Boden geparkt und wechseln sich in Betten mit schmutzigen Laken ab“.

Henrique de Burgo wuselt im Park von Bonnevoie von Stand zu Stand, er ist der Präsident der Föderation der kapverdischen Vereine. Wochentags verdient er sein Brot im Journalismus – bei Radio Latina und Contacto. Vor 15 Jahren setzte er sich mit der ersten Generation Kapverden zusammen, um über ihre Ankunft in den 1960er und 1970er-Jahren zu sprechen. Joao da Luz erinnert sich, dass das Lehrpersonal damals minimale Anforderungen stellte, damit Kapverden „so schnell wie möglich im Bauwesen arbeiten“. In Diekirch waren die Mitschüler von Nelson Neves „manchmal grausam“, wie er erzählte, sie beschimpften ihn als „Neger“. Mittlerweile ist Neves ein erfolgreicher Künstler, dessen Ausstellungen von Großherzog Henri besucht werden. Ähnliche Berichte finden sich in einem Revue Text von 2001. Der 1977 in Luxemburg geborene Valerio Lopes erzählt ein Lehrer habe ihm vor der Klasse gesagt, er werde seine bevorstehende Audio-Ingenieur-Ausbildung nicht schaffen. Heute hat er sein Diplom und ist im Filmbereich tätig. Auch Natalie Silva, die in den 80-er-Jahren in Ettelbrück geboren wurde, erinnert sich im Gespräch mit dem Land daran, dass Mitschüler sie rassistisch beschimpften.

2017 schaffte es Natalie Silva in Fels als erste Tochter kapverdischer Einwanderer an die Spitze einer Luxemburger Gemeinde. Die CSV-Politikerin kam durch Gemeindekommissionen in Ettelbrück zur Politik und beschreibt ihre Familie als katholisch. Nach dem Abschluss ihres Studiums der Öffentlichkeitsarbeit in Brüssel, absolvierte sie ein Praktikum im Generalsekretariat der CSV, wo sie seit 2004 angestellt ist. Neben Natalie Silva und dem Künstler Nelson Neves haben sich mittlerweile mehrere Personen aus der kreolischen Gemeinschaft einen Namen gemacht: Der R&B-Sänger Edsun (mit vollständigem Namen Edson Pires Domingos) hat bereits mehrere internationale Konzerttourneen hinter sich. Angèle Da Cruz, deren Eltern aus Kap Verde stammen, ist Botschafterin, und der Basketballtrainer Nelson Delgado wird als „Vereinsikone“ des Etzella Ettelbrück bezeichnet. Im Oktober wird Ana Correia Da Veiga (déi Lénk) als erste Abgeordnete mit kapverdischen Eltern ins Parlament nachrücken. Ebenfalls nicht unbekannt ist Starsky Flor, Mitkoordinator der Piratenpartei.

Im Gespräch mit Menschen mit kapverdischem Migrationshintergrund betonen viele zugleich, dass anerkannt werde, wer tüchtig sei. „Meine Generation erlebt keinen Rassismus – vielleicht, weil wir gut ausgebildet sind“, sagt Gilda Monteiro, die am Samstag mitfeierte. Die Schwestern Juvenia und Francelina Pires, beide im Reinigungssektor tätig, erleben Luxemburg als „accueillant“. „Unser Freundeskreis besteht aus gebürtigen Luxemburgern und Kapverdiern.“ Francelina Pires, die seit zwanzig Jahren in Luxemburg lebt, ist inzwischen mit einem Luxemburger verheiratet. Wer eine einigermaßen „organisierte Person“ sei, könne in Luxemburg gut leben, sagt Fatima Monteiro, die 2003 nach Luxemburg kam, im Contacto.

Auch ältere Kapverdier möchten dies hervorheben. Der 1925 geborene Carlos Silva meinte vor zehn Jahren gegenüber Contacto: „Viele haben ehrlich Arbeit gefunden und sich gut angepasst.“ Ein Mann, der 1972 im Alter von siebzehn Jahren begann, in einer Bäckerei in Schieren zu arbeiten, sagt gegenüber dem Land: „Ab dem Zeitpunkt, an dem du zuverlässig zur Arbeit erscheinst, wirst du als seriös angesehen.“ Er erinnert sich, dass die Luxemburger in Ettelbrück, wo er lebte, damals keinen Unterschied zwischen Portugiesen und Kapverdiern machten – „vielleicht, weil sie gar nicht wussten, wo die Inseln liegen.“ Sein Vater war bei einer Baufirma in Diekirch angestellt. Eine Erhebung des Wirtschaftssoziologen Albano Cordeiro aus dem Jahr 1975 zeigte, dass fast alle Kapverdier im Baugewerbe tätig waren. Nur 2,5 Prozent arbeiteten in Fabriken – etwa bei der Arbed, bei Dupont oder in Elektronikunternehmen. Der Soziologe analysierte überdies, dass Kapverdier bereits in den 1960er-Jahren fast die Hälfte ihres Gehalts für Miete aufbringen mussten. Damals war es zudem schwierig, einen offiziellen Mietvertrag zu erhalten – sei es wegen Vorbehalten der Eigentümer oder weil Nachbarn dies zu verhindern suchten. Ein offizieller Vertrag war jedoch unabdingbar, wenn man seinen Ehepartner oder die Kinder nach Luxemburg nachholen wollte.

Benachteiligungen bestehen dennoch fort. In einer Erhebung des Cefis aus dem Jahr 2017 wurde erneut deutlich, dass der Zugang zu Bildung weiterhin ein zentrales Problem bleibt – unter anderem, weil viele junge Kapverdier/innen erst im Jugendalter nach Luxemburg kommen, ein spezifisches Merkmal dieser Gemeinschaft. Für sie stellt die sprachliche Situation in den Schulen eine nahezu unüberwindbare Hürde dar. Häufig werden sie in „einen kurzen und wenig wertgeschätzten Bildungsweg“ orientiert oder in eine französischsprachige Sekundarschule nach Arlon geschickt. Die Teilnehmer/innen der Cefis-Erhebung zeigten zudem geringe Kenntnisse über das luxemburgische Bildungssystem, was sich unter anderem im Fernbleiben vom Précoce niederschlug.

In Bonnevoie ist ein Porträt eines Mannes mit schwarz-weißer Wollmütze aufgestellt; sein Gesicht prangt auch auf T-Shirts, die zum Verkauf angeboten werden, neben solchen mit einem Che Guevara Konterfei. Es handelt sich um Amílcar Cabral. In den 1950er Jahren führte er die Unabhängigkeitsbewegung an. Der Agrarwissenschaftler und Dichter war zudem Mitgründer der PAIGC (Afrikanische Partei für die Unabhängigkeit Guinea-Bissaus und Kap Verdes). Cabral ist in der kapverdischen Gemeinschaft nach wie vor populär – ein Verein in Luxemburg trägt seinen Namen, und im vergangenen Jahr wurde sein 100. Geburtstag in der Arbeitnehmerkammer gefeiert. Wie viele afrikanische Befreiungsführer seiner Zeit war auch Cabral stark von marxistisch-leninistischen Ideen und sozialistischen Grundsätzen geprägt. „Zwar wird er auch von Mitte-rechts respektiert, aber vor allem linke Wähler schätzen ihn“, erklärt Henrique de Burgo. Erst nach der Nelkenrevolution in Portugal im Jahr 1974 wurde Kap Verde am 5. Juli 1975 unabhängig – ein Datum, das Amílcar Cabral nicht mehr erlebte: Er wurde zwei Jahre zuvor von einem Parteidissidenten ermordet.

Als portugiesische Seefahrer die zehn Kapverdischen Inseln Mitte des 15. Jahrhunderts erstmals ansteuerten, waren sie unbewohnt. Bereits ab 1460 begann Portugal, Handelsposten zu errichten und die Inseln zu besiedeln. Kap Verde entwickelte sich zu einem Zwischenstopp im Atlantikhandel – insbesondere im transatlantischen Sklavenhandel. Da die sogenannte Rassentrennung vergleichsweise weniger restriktiv gehandhabt wurde, kam es zu Beziehungen zwischen versklavten Menschen aus Westafrika – vor allem aus dem heutigen Senegal, Guinea und Mali – und portugiesischen Kolonisten, Händlern und Beamten. Auch auf sprachlicher und kultureller Ebene entstanden synkretistische Formen – etwa das Kapverdische Kreol sowie bestimmte Musik-, Tanz- und Literaturstile. Auch in der römisch-katholisch geprägten Mehrheitsreligion lassen sich westafrikanische Einflüsse in den religiösen Praktiken beobachten.

Diese Formen des Synkretismus wollen viele Kapverdier/innen in Luxemburg hochhalten, indem sie Vereine gründen und Feste veranstalten. Heute sind in Luxemburg 80 kapverdische Vereine registriert, von denen jedoch etwa ein Drittel derzeit inaktiv ist. „So will man auch die Verbindung zu den Heimatdörfern aufrechterhalten – und bei Bedarf Alltagsgegenstände dorthin schicken“, sagt Henrique de Burgo, der Präsident der Föderation der kapverdischen Vereine. Eine ähnliche Beobachtung machte das Cefis im Jahr 2017 in einem Bericht über die kapverdische Gemeinschaft. Zunächst kämen viele mit einem „Rückkehrmythos“ nach Luxemburg, den sie jedoch allmählich gegen einen „Projektmythos“ eintauschten – Projekte, die eine Form der Kooperation mit dem Herkunftsland aufrechterhalten und einen gleichzeitig in Luxemburg verankern. Auch Henrique de Burgos betonte während einer offiziellen Rede am Samstag die enge Verbindung der kapverdischen Diaspora zum Herkunftsland: „Unsere Rücküberweisungen machten je nach Jahr zwischen 10 und 20 Prozent des kapverdischen BIP aus.“ Zugleich forderte er von der Politik in Kap Verde, „diese Anstrengungen stärker anzuerkennen“. Man wolle „kein Cabo Verde für die Menschen auf dem Archipel und ein anderes für die im Ausland lebenden Menschen. Wir wollen ein integrativeres Cabo Verde.“

Stéphanie Majerus
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