EU-Verfassung

Verfassungsfreunde

d'Lëtzebuerger Land vom 01.02.2007

Es gibt in Contern die Amis du basketball, in Luxemburg die Amis de l’Iran, in Diekirch die Amis de l’orgue und in Ettelbrück die Amis du chien de police. Ein wenig nach Freizeitverein klang auch der Titel der Versammlung, zu der die spanische und die luxemburgische Regierung am Freitag in Madrid geladen hatten, als „amis de la Constitution“.

Aber der Einsatz war weit ernster: es ging um die Gefechtsaufstellung für die in den kommenden Monaten bevorstehende Schlacht um den europäischen Verfassungsvertrag. An den Reaktionen auf das Madrider Treffen gibt es nichts zu deuten: Mancherorts gab es Lob, nirgends stieß es auf Begeisterung. Und niemand weiß, ob in einigen Monaten noch irgendein Hahn nach den Freunden der Verfassung krähen wird. Aber aus der Sicht der Gastgeber war die Party trotzdem ein Erfolg. Nicht weil  irgendetwas dort beschlossen worden wäre, sondern weil sie überhaupt stattfand und alle vorbeigeschaut hatten, welche die Verfassung ratifizierten oder es tun wollen.

Denn wie riskant das Unternehmen war, hatten schon die Manöver im Vorfeld gezeigt: Selbst die Anstifter der Truppensammlung schickten nur Unteroffiziere. Der sonst für das Europäische und große Siege aller Art zuständige, als Held von Dublin gefeierte General, hielt sich vorsichtig in Reserve. Eine für Ende Februar anberaumte Truppenschau wurde bereits wieder abgeblasen, um den Gegner nicht unnütz zu provozieren.

Der deutsche Ratsvorsitz hat eher diskrete Sondierungen bei den einzelnen Mitgliedsstaaten begonnen, um gleich nach den Präsidentschaftswahlen in Frankreich einen Zeitplan ausarbeiten zu können, wie im Laufe des nächsten Jahres irgendetwas, das nicht Verfassung heißt, ratifiziert werden kann. Vor diesem Hintergrund wirkte die spanisch-luxemburgische Offensive beinahe überstürzt. Weil sie, statt auf diskrete Diplomatie zurückzugreifen, als öffentliche Kundgebung stattfand, mit der Druck auf die französischen Wähler oder zumindest auf die französischen Präsidentschaftskandidaten ausgeübt wurde. Und weil sie den Versuch des deutschen Ratsvorsitzes, erst einmal im Stillen nach Kompromissen zu suchen und zu vermitteln, nicht unterstützte, wie der delegierte Minister Nicolas Schmit vor 14 Tagen im Land behauptete, sondern durch das öffentliche Festigen der Fronten zwischen Verfassungsfreunden und Verfassungsfeinden durchkreuzte.

Doch die Panikreaktion, mit der Luxemburg sogar das Vetorecht anderer Mitgliedsstaaten in Frage stellt, ist verständlich. Denn hinter ihr steckte die Furcht, dass der Verfassungsvertrag in den kommenden Monaten so lange widerstandslos amputiert wird, bis er selbst den chauvinistischsten und liberalsten Verfassungsgegnern mundgerecht erscheint. Deshalb zeigten jene in Madrid ängstlich Flagge, die ein Gegengewicht zur Forderung nach einem Minimalabkommen und zur möglicherweise übertriebenen Kompromissbereitschaft des Ratsvorsitzes darstellen wollen. Auch wenn die eine oder andere Streichung im Vertrag selbst manchen Verfassungsfreunden nicht ungelegen käme.

Aber das einzige reelle Druckmittel der Verfassungsfreunde ist die rechtzeitig von Premier Jean-Claude Juncker wieder ins Gespräch gebrachte Drohung mit einem „Europa der zwei Geschwindigkeiten“. Und da muss Luxemburg um jeden Preis Vollgas geben, notfalls bis nach Madrid.

Romain Hilgert
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