Eine Vielzahl von Anlaufstellen in Menschenrechtsfragen erschwert dem Einzelnen die Suche nach wirksamer Hilfe. Es gibt Pläne, das Zusammenspiel künftig neu zu organisieren

Wege-Wirrwarr

d'Lëtzebuerger Land du 21.12.2012

Wer in Luxemburg diskriminiert wird und Hilfe sucht, sollte sich auf eine kleine Odyssee gefasst machen. Die erste Hürde, die sie oder er nehmen muss: Wo rufe ich an? Vielleicht hat er vom Centre pour l’égalité du traitement (CET) gehört. Dort meldet sich bei Anruf eine freundliche Sekretärin. Sie versucht zu ergründen, um was es geht und leitet den Anruf gegebenenfalls weiter.
Wer nun eine auf eine juristische Beratung gehofft hat, muss weitersuchen. Denn obwohl das CET Aufklärungsarbeit leistet und in Diskriminierungsfällen berät, sei es weil man als älterer Mensch eine Arbeit nicht bekommen hat oder weil man wegen seiner sexuellen Orientierung gemobbt wird, oder, oder – eine juristische Fachberatung gibt es dort nicht.
Geht es um eine Behinderung wird man vielleicht weiter verwiesen. Info-Handicap hat einen juristischen Beratungsdienst und kann, je nach Sachlage, einen spezialisierten Anwalt bereitstellen, der mit der Angelegenheit zu Gerichte ziehen kann. Der Verein bietet auch eine, etwas kompliziert zu lesende, Broschüre über die verschiedenen Anlaufstellen. Was aber, wenn es zum um eine Diskriminierung geht, weil man arabischer Abstammung ist und der Vermieter einem die nachweislich noch freie Mietwohnung verweigert?
Eine solche Diskriminierung ist in Luxemburg nach dem Antidiskriminierungsgesetz ebenfalls verboten. Ebenso eine Stellenanzeige von vornherein so auszuschreiben, dass nur ein männlicher oder junger Bewerber in Betracht kommt. Das CET kann – und tut das regelmäßig – beim Arbeitgeber einschreiten und eine faire Ausschreibung anmahnen. Ihn bestrafen und beispielsweise eine Rüge aussprechen, darf es nicht. 173 Fälle hat das CET gezählt, seitdem es im April 2011 mit der systematischen Auswertung von Jobannoncen begann.
Die beschränkte Handlungsmöglichkeit des CET ist nichts neues, sondern wird seit seiner Gründung 2007 kritisiert. Ebenso seine merkwürdige Konstruktion: Der Präsident und sein Kollegium werden auf Vorschlag der Parlamentarier ernannt, aber das Sekretariat und die Direktion finanziert das Fami-
lienministerium. Echte Unabhängigkeit geht anders. Wie politisch die Nominierung ausfallen kann, konnten Beobachter in der Abgeordnetenkammer sehen, als mit den Stimmen der Koalitionsmehrheit der linientreue CSJ-Mann Patrick de Rond gegen den streitbaren Ex-Astipräsident Serge Kollwelter durchgesetzt wurde. Für die Überparteilichkeit des Amtes keine gute Werbung. Aber ein durchsetzungskräftiges Gremium zu schaffen, war wohl auch nicht die politische Absicht.
Ränkespiele gibt es bei der Wahl der/des Kinderbeauftragten, wenn auch nicht so offensichtlich. Statt das Mandat direkt bei der Chamber anzusiedeln, wird die Person vom christlich-sozial geführten Familienministerium bestimmt. Auch das Budget bezahlt das Ministerium. Der Einsatzbereich ist einigermaßen klar: Die Kinderrechtsbeauftragte wacht darüber, dass die von Luxemburg ratifizierte UN-Kinderrechtskonvention eingehalten wird.
Allerdings eben nur einigermaßen: Sowohl die Kinderrechtsbeauftragte wie der Ombudsman, der inzwischen eine Ombudsfrau ist, können Kinderheime inspizieren, um sicherzustellen, dass dort elementare Rechte eingehalten werden. Im Prinzip kann das auch die Menschenrechtskommission. Ein weiteres und an sich das erste Gremium, das 2000 geschaffen wurde, um darüber zu wachen, dass in Luxemburg Menschenrechte eingehalten werden, und das der Regierung beratend zur Seite steht.
Bei so vielen Gremien und Institutionen wundert es einen fast, dass es dennoch Lücken im Schutz gibt: Im Rahmen der Ratifizierung der Behindertenrechtskonvention vor zwei Jahren erhielten Menschenrechtskommission und CET gemeinsam den Auftrag, über die Umsetzung des Aktionsplan zu wachen. Die Ombudsfrau sollte hingegen kontrollieren, dass die persönlichen Rechte von Behinderten wirklich konkret geschützt werden.
Was verwirrend wirkt, ist es auch: Für Außenstehende lässt sich nur mit viel Recherche erkennen, an wen man sich wenden muss, wenn es beispielsweise darum geht, sein Recht auf einen behindertengerechten Arbeitsplatz durchzusetzen. Zumal auch die Abteilung Travailleur handicapé des OGBL eine Beratung anbietet – und seinen Mitgliedern in arbeitsrechtlichen Streitfällen sogar einen Anwalt zur Seite stellt. Der OGBL ist übrigens bislang die einzige Stelle, wo ein Betroffener direkter Ansprechpartner ist: Joël Delvaux sitzt im Rollstuhl.
Wenn es nicht um Arbeitsrechte geht, sondern um den privaten Wohnbereich, ist das nichts für die Arbeitnehmervertretung – und auch nicht für die Ombudsfrau. Die kann und darf nur im öffentlichen Bereich von Verwaltungen aktiv werden.
Nëmme mat eis, eine Behindertenselbsthilfegruppe, hat kürzlich auf diese Lücke in einem Brief aufmerksam gemacht und die zuständigen Minister respektive die Regierung aufgefordert, Abhilfe  zu schaffen. Zumal viele Übergriffe auf Behinderte erfahrungsgemäß nicht auf der Arbeit, sondern im Privatbereich geschehen. Außerdem erinnern die Behindertenvertreter daran, dass die Menschenrechtskommission, entgegen der politischen Zusagen, bis heute noch keine zusätzlichen Mittel zur Verfügung gestellt bekommen hat, um ihre Kontrolle des Aktionsplans wirksam ausüben zu können. Dass es mehr Geld und Personal braucht, um die Aufgabe korrekt wahrnehmen zu können, hatten alle Gremien – von Ombudsfrau bis Menschenrechtskommission und CET – in ihren Stellungnahmen zur Behindertenkonvention ausdrücklich betont.
Die beschränkten Mittel sowie die sich teilweise überlappenden Kompetenzbereiche waren Gegenstand einer Anhörung vor dem parlamentarischen Verfassungsrevisions- und Institutionenausschusses im Mai dieses Jahres. Eingeladen waren die Kinderrechtsbeauftrage, das Zentrum für Gleichbehandlung sowie die Menschenrechtskommission – und zwar vom Kommissionspräsidenten Paul-Henri Meyers (CSV). Ziel des Treffens: die Zusammenarbeit zwischen den Anlaufstellen zu verbessern, im Sinne, wie es im Sitzungsprotokoll des Ausschusses heißt, einer „Rationalisierung“.
Dass diese nicht in einer Kürzung der finanziellen und personellen Mittel resultieren dürfe, warnten damals besorgte Stimmen. Mittlerweile hat die Kinderrechtsbeauftragte rund 350 000 Euro, die Menschenrechtskommission knapp 200 000 Euro zur Verfügung (Personalkosten eingeschlossen), das CET hat mit 80 000 Euro den kleinsten Etat.
Da bieten sich Synergien an, und es gibt sie auch, etwa zwischen der Kinderrechtsbeauftragten und der Ombudsfrau. Weil erstere in ihren Anfangsjahren nicht einmal über einen professionellen Rechtsbeistand verfügte, fragte sie um Rat beim Mediateur. Auch in Verwaltungsfragen, wenn diese Kinderrechte tangierte, arbeitete man eng zusammen. Eine Abstimmung gibt es zudem zwischen Menschenrechtskommission, Kinderrechtsbeauftragten, Datenschutzbeauftragten sowie Ombudsfrau: Sie können an der Sitzung der Menschenrechtskommission teilnehmen. Die neue Ombudsfrau Lydie Err macht das auch regelmäßig.
Die letzte gemeinsame Sitzung in diesem Jahr sollte eigentlich diese Woche sein, aufgrund eines Unfalls aber platzte der Termin. Auf der Tagesordnung stand ein Vorschlag von Lydie Err, das Institutionengefüge im Menschenrechtsbereich neu zu ordnen. Die Idee: Alle Organe, die die Menschenrechte überwachen, sollen direkt an das Parlament gebunden werden – und damit unabhängig von der Regierung sein.
Das dürfte wohl regen Zuspruch finden. Denn auch der neue Kinderrechtsbeauftragte sollte eigentlich von den Abgeordneten gewählt werden. Weil bis dato aber kein neues Gesetz vorliegt, hat Familienministerin Marie-Josée Jacobs (CSV) ein weiteres Mal die Vorauswahl getroffen und diese den Fraktionspräsidenten vorgelegt. Die Wahl fiel auf den Präsidenten des Kindernotrufs, René Schlechter.
Für Kontroversen sorgen könnte der Vorschlag Errs, die Gremien an jeweils eine parlamentarische Kommission zu binden. Das Centre pour l’égalité du traitement hatte in der Vergangenheit mehrfach gefordert, seinen Aktivitätsbericht, ähnlich wie die Kinderrechtsbeauftragte dies im Familienausschuss 2011 tun durfte, im zuständigen Gleichstellungsausschuss vorstellen zu können. Es hofft so, die politische Wirksamkeit zu erhöhen. Ob das gelingt, indem etwa die Menschenrechtskommis-sion einem neu zu schaffenden Menschenrechtsausschuss zuzuordnen, wie Err das vorschlägt, ist nicht sicher. „Da würden dann alle politischen Hinterbänkler sitzen“, so der spöttische Kommentar eines Insiders.
Die Idee der Reorganisation ist damit nicht vom Tisch. Der Abgeordnete Paul-Henri Meyers hatte im Gespräch mit dem Land vor zwei Wochen, als es um die Wahl des neuen Kinderrechtsbeauftragten ging, darauf bestanden, vor einer Änderung des Statuts der Kinderrechtsbeauftragten auch die anderen Organe unter die Lupe zu nehmen. „Das ist ein Ganzes“, sagte er. Auch den Vorschlag einer zentralen Anlaufstelle, einer Maison des droits de l’homme, griff er auf. „Wir haben seit dem Frühjahr nichts mehr davon gehört“, so Nathalie Morgenthaler, Direktionsbeauftragte des CET, die die Idee, so wie die anderen Gremien, grundsätzlich befürwortet. Die Antidiskriminierungsexperten sollen demnächst in den Verfassungsrevisionsausschuss eingeladen werden, heißt es. Ein offizielles Datum steht aber noch nicht fest. Ombudsfrau Lydie Err wird am 17. Januar ihren ersten Tätigkeitsbericht präsentieren – und Land-Informationen zufolge auch auf die Frage der Kompetenzbereiche eingehen. Spätestens dann dürfte die politische Diskussion neu eröffnet sein.

Ines Kurschat
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