300 Menschen wollten sich vergangenes Wochenende in der Natur amüsieren. Wie es für ein Rave üblich ist, wurde er weder angemeldet noch genehmigt. Das gehört zu solchen Partys dazu, auch wenn sie in Luxemburg keine Tradition haben, wie in sonst fast jedem anderen europäischen Land. Hier wünscht man sich für solche Anlässe, ähnlich wie bei den störenden Bettlern, mehr zuverlässige und schnell handelnde Polizeipräsenz. Marco Koeune, Bürgermeister der Stausee-Gemeinde, versuchte sich im RTL-Radio am Dienstagmorgen in Wortspielen: „Wir sagen schon länger, dass wir mehr Patrouillen an den Stränden des Sees benötigen, auch um solchen Veranstaltungen den Bass zu bieten.“
Es gilt, den Rechtsstaat zu respektieren und einigermaßen harmonisch zusammenzuleben. Zum Leben gehören auch Tanzkultur und junge Menschen, die gerne feiern gehen und nicht um 20 nach Acht beim Tatort einnicken. Ihnen bietet Luxemburg wenig Unterhaltung, vor allem, wenn es um lange Nächte mit alternativer Musik geht. Die Szene ist winzig. Fans müssen nach Köln oder Brüssel fahren, wenn sie qualitativ hochwertige Elektro- oder Technomusik bis ins Morgengrauen hören wollen. Freiräume, wie sie im Nachtleben und im Tanz seit den 80-er-Jahren und der Erfindung des Acid House entstehen, gibt es draußen kaum. Wenn solche Events den Weg hierhin wagen, schlägt ihnen der handfeste Provinzialismus entgegen. In diesem Fall waren es vor allem Belgier und Holländer, die angereist waren. Die Botschaft ist klar: Bitte bleibt hinter der Grenze mit eurer Musik.
Dass Marco Koeune einigen Anwohner/innen aus der Seele spricht, veranschaulicht die weitere Berichterstattung. Eine „Bankrotterklärung“ der Polizei sei es gewesen, dass die Party nicht schon früher abgebrochen wurde. Tatsächlich hat die Polizei bis am Sonntagnachmittag gewartet, bis sie eingegriffen hat. Es sei eine „gewisse Aggressivität“ von den Feiernden ausgegangen, sagt Koeune. Das Gegenteil sagt der Mann, der am Sonntagmorgen hingefahren ist und dem Wort erzählt hat, die meisten Menschen dort seien „sehr nett“ gewesen und hätten „erweiterte Pupillen“ gehabt, die Frauen seien zum Teil „sehr gewagt gekleidet“ gewesen.
Ein Lehrstück in Populismus war auch die Art und Weise, wie von Gefahren gesprochen wurde. „Es ist nichts passiert, sagen nun alle, aber es hätte definitiv etwas passieren können. Wir dürfen die Gefahren nicht unterschätzen“, sagte Jeff Gangler, Präsident des Naturpark Öewersauer. Um welche Gefahren es sich handelt, wird nicht weiter erläutert. Der Bauschelter Berg, wo der Rave stattfand, befindet sich in der Zone 3 und ist somit Teil der entfernten Schutzzone des Stausees. Die Auflagen sind hier weniger streng als direkt am See, Genehmigungen braucht es trotzdem. Eine weisere Wahl wäre mit Sicherheit eine Wiese völlig außerhalb der Schutzzone gewesen. In der Debatte nach dem Rave ging es jedoch gar nicht primär um Naturschutz, sondern um Lärmbelästigung. Naturschutz muss auch nicht gegen Nachtleben ausgespielt werden. Nach dem Prinzip leave no trace werden weltweit Festivals im Respekt vor der Natur gefeiert.
In Gesellschaft zu leben heißt, möglichst allen gerecht zu werden. Das funktioniert nicht, also werden Kompromisse gemacht. Das bedeutet zum Beispiel, dass Menschen ein Mal im Jahr die Störung der Nachtruhe aushalten können, weil sie es in den Kontext setzen können: Wir bewohnen ein äußerst friedliches und ruhiges Land. Andere dürfen auch mal Spaß haben, selbst wenn es in dem Moment nicht hundertprozentig mit dem eigenen Lebensstil harmoniert.
Der Mangel an Flexibilität ist hierzulande salonfähig. Maach, dass d’Kierch am Duerf bleift. Nicht nur die Stausee-Gemeinde, auch der Besitzer der Wiese hat geklagt. Nicht, weil er Schaden erlitten hätte; die Wiese ist lediglich etwas zertreten worden. Er klagt, weil er nicht um Genehmigung gefragt wurde. Auf dem Limpertsberg sind die Bewohner/innen jedes Jahr gebeten, drei Wochen die institutionalisierte Lärmkulisse der Schueberfouer auszuhalten. Denn das ist Folkore, das hat Tradition.