Gentechnik

Kommt das Label?

d'Lëtzebuerger Land du 18.11.2011

Es sei „höchste Zeit“, meinen die 30 Mitgliedsorganisationen der Initiative Luxembourg sans OGM, von der Bauerenallianz über Greenpeace und den OGBL bis hin zum Verbraucherschutzverband ULC. Höchste Zeit, dass Luxemburg ein Label zur Kennzeichnung von Lebensmitteln erhält, für deren Herstellung keine gentechnisch veränderten Organismen (GVO) eingesetzt wurden. Dass der Verbraucher „wählen kann“, sei „das Mindeste“, erklärte Maurice Losch, der Greenpeace-Vertreter, der die Initiative zugleich koordiniert, am Montag.

Ein solches Label hätte nichts zu tun mit den Verboten, die die Regierung aufrecht erhält, hierzulande genmodifizierten Mais oder Kartoffeln anzubauen. Vielmehr geht es darum, dass auch in Luxemburg viele Tausend Lebensmittel schon heute vermutlich nicht GVO-frei sind, weil zu ihrer Herstellung Futtermittel genutzt wurden, die zum Beispiel genmodifizierte Soja enthalten. Die bislang einzigen erklärtermaßen GVO-freien Produkte auf dem heimischen Markt sind Bio-Waren.

Aber weil laut den einschlägigen Umfragen von TNS-Ilres oder Eurobarometer bei der heimischen Bevölkerung keine Biotech-Errungenschaft so unbeliebt ist wie Genfood, wird im Agrarkapitel des Regierungsabkommens „le soutien de toute démarche en faveur des zones sans organismes génétiquement modifié“ versprochen und über ein Label Sans OGM auch für Nicht-Bio-Ware schon ab Anfang 2010 an einem Runden Tisch diskutiert. Prinzipiell gibt es über ein solches Label für Fleisch- und Milchprodukte seit rund einem Jahr einen Konsens – nicht nur innerhalb der Sans-OGM-Initiative, sondern auch mit den großen Bauernverbänden, den drei Futtermittelimporteuren, dem Handel, Verarbeitern, wie etwa der Molkerei Luxlait, und Landwirtschaftsminister Romain Schneider (LSAP).

Schneider hat einen Vorentwurf für eine Verordnung, die ein solches Label schaffen soll, auch schon ausarbeiten lassen. Zurzeit liege das Papier zur Begutachtung im Gesundheitsministerium, das für Lebensmittelkontrollen zuständig ist, sagt Schneider dem Land. Die zwischen beiden Ministerien abgestimmte Fassung werde anschließend am Runden Tisch besprochen, und was dort vereinbart wird, werde dem Regierungsrat vorgelegt. „Dass wir das Label schon in ein paar Wochen haben“, hält der Landwirtschaftsminister allerdings für „utopisch“.

Dass die Sans-OGM-Initiative so auf das Label drängt, hängt jedoch nicht nur damit zusammen, dass es in Deutschland schon eines mit landesweiter Gültigkeit gibt und in Frankreich nächstes Jahr eines eingeführt werden soll – und Luxemburger Ware ohne Label „da ein falsches Bild abgeben“ könnte, wie Maurice Losch findet. Dass die Initiative sich „gerade jetzt“ das Label wünscht, liegt daran, dass derzeit auf den Welt-Futtermittelmärkten die längerfristigen Bestellungen getätigt werden und GVO-freies Sojakraftfutter beispielsweise bis zum Frühjahr zwei bis drei Mal preiswerter zu haben ist als danach. Gäbe es schon Klarheit über das Label, brächte das Bauern eine gewisse Planungssicherheit.

Denn die Mehrkosten für GVO-freie Produktion waren stets ein Stein des Anstoßes am GVO-Rundtisch gewesen. Auf 2,5 Millionen Euro schätzt das Landwirtschaftsministerium den surcoût für den GVO-freien Futtermittelimport für die gesamte konventionelle Landwirtschaft des Landes. Hinzu kämen Kosten für die Umstellung der Betriebe auf GVO-frei, für Extra-Kontrollen und Vermarktungskampagnen. Ob die Landwirte diese Kosten tragen würden oder inwiefern sie an den Verbraucher weitergegeben werden sollen, ist noch unklar. Aber je mehr kurzfristige Kostenbedenken sich stellen, desto brüchiger könnte der schwache Konsens werden. Und Fragen nach staatlicher Unterstützung begegnet Romain Schneider mit Vorsicht: „Ob der Staat bei Kontrollen und Vermarktungskampagnen helfen kann, prüfen wir.“ Den GVO-freien Import zu subventionieren, könnte dagegen eine unerlaubte staatliche Beihilfe sein. Maurice Losch beruhigt, dass ein Liter GVO-freie Milch im Endpreis „nur einen Cent teurer“ würde, um die Import-Mehrkosten zu decken. Bleibt abzuwarten, zu welchem Kalkül die Geprächspartner am Runden Tisch gelangen. Denn am sinnvollsten im kleinen Land wäre sicherlich, wenn GVO-frei als Marke von allen benutzt würde. 

Peter Feist
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