Archiv
Feuilleton / Die kleine Zeitzeugin
Ich liebe den Menschenkrach!
Michèle Thoma
Ausgabe: 22.05.2020
Ich weiß, es war gerad so schön totenstill. Oder eher lebendig still, wie wir andächtig befanden. Was sich da alles rührte in unserer unmittelbaren Umgebung, und uns so sehr berührte. Bescheidenes Gewächs, das uns aus Ritzen und Fugen zunickte auf unseren bescheidenen Wegen, alle möglichen …
Die Ausgeschlachteten
Michèle Thoma
Ausgabe: 15.05.2020
Schlachthof, bäh, wie unappetitlich, schon wieder so was Unappetitliches. Schlachthof, wie klingt denn das, doch nicht mehr zeitgemäß. So krude. So roh.
Nicht lange her – die Viren-Detektiv_innen waren dabei, das neugeborene Virus zu tracken –, dass wir inmitten von Blut- und Pissebächen …
Die Hundertjährige, die nicht aus dem Fenster steigt
Michèle Thoma
Ausgabe: 08.05.2020
Erinnert ihr euch, eben noch, in der guten alten Zeit, waren sie Role Models. Die 99-jährige Fallschirmspringerin, der Methusalem-Marathonläufer, das Topmodel auf dem Catwalk mit den coolen Falten. Die coolen Alten. Eben noch topangesagt, topnachgefragt. Beste Zielgruppe, um um den Globus zu …
An einem schönen Maientag
Michèle Thoma
Ausgabe: 01.05.2020
Ein Lenztag aus dem Bilderbuch, mit Blau und sogar schon ein bisschen Blüh und nicht nur Sprüh vom Traktorbauern. 1. Mai auch noch! Zur Feier des Feiertages holt uns meine Freundin aus dem Nachbardorf mit ihrem kleinen Sohn ab und wir fahren mit dem Auto in die Stadt, etwas ganz Besonderes.
Wir …
Wird jetzt alles anders, werden wir andere?
Michèle Thoma
Ausgabe: 24.04.2020
Ab jetzt sind wir andere, all one! Dreimal
Native-American-Ehrenwort! Nicht mehr so egozentriert, wie sinnlos war doch unser Leben bis jetzt. Es fällt uns wie Schuppen von den Augen, welche Schuppen eigentlich? Jedenfalls kommen wir zur Erkenntnis. Wie hohl und oberflächlich das doch alles war …
The hammer and the dance
Michèle Thoma
Ausgabe: 17.04.2020
Was klingt wie eine Wortschöpfung aus einem hochgradig verzückten Liebesgedicht, wie ein Angebot auf der Homepage eines oder einer lyrisch begabten sadistischen Dienstleister_in, ist, wie viele unter uns mittlerweile wissen, eine Taktik, eine Strategie aus dem vielgefächerten Maßnahmenkatalog. …
Pandämon hat uns im Griff
Michèle Thoma
Ausgabe: 10.04.2020
Hin und wieder, während die Tage ins Land ziehen, die auch noch immer unverschämt länger werden, das Wasser die Mosel herabfließt, und die Sauer, und die Alzette, und die Gander, ich kann sie alle aufzählen, muss grad nirgends dringend hin, in der Apotheke war ich schon. Hin und wieder was ...? …
Fluss mit F.
Michèle Thoma
Ausgabe: 03.04.2020
Stadt. Land. Fluss. Soll mit dem Buchstaben deines Vornamens beginnen. Aha, Mosel. Und? Nichts und. Einfach so.
Zumindest in meiner Peer Group wird eifrig, wie einst mit zehn, Fernande Frankreich Fulda ausgefüllt und bekanntgegeben. Haben die keine anderen Probleme? Zum Beispiel Symptome? Sind …
Mama und Kevin allein zuhaus
Michèle Thoma
Ausgabe: 27.03.2020
In den ersten Tagen, in denen ein Großteil der Menschheit zum Chillen verdonnert wurde, fanden viele vieles erstmal gar nicht so übel. Der Himmel, für den sie plötzlich Zeit fanden, erwies sich als blau, wie frisch aus der Wäscherei, wie Enid Blyton einst in einem „Geheimnis um ...“ so schön …
Die Corona der Schöpfung
Michèle Thoma
Ausgabe: 20.03.2020
Belämmert stehen wir da und sehen aus dem Fenster, es ist alles so schön ruhig. Irgendwie schön. Man kann die Knospen explodieren hören und das Gras wachsen. Ein paar Autos, immerhin, doch auch beruhigend, und Menschen gehen spazieren. Komisch, hier gingen nie Menschen spazieren. Stiegen nur in …
Der Feind ist hier
Michèle Thoma
Ausgabe: 13.03.2020
In Wien wünscht das erzbischöfliche Ordinariat, dass kein Weihwasser mehr ausgegeben wird, Ansteckungsgefahr! Das steht auf einem Schildchen im Weihwasserbecken der Pfarrkirche von Grinzing, wie wohl überall in der Stadt. In den Stephansdom dürfen nur noch motivierte Beter_innen, in Vorarlberg …
Die Unsichtbaren von Lesbos
Michèle Thoma
Ausgabe: 06.03.2020
Auf der Meeresoberfläche steht dieses Schiff, es geht nicht weg, es taucht nicht unter. Es ist schwarz und massiv und massiv unsympathisch. Kriegsschiff?, frage ich den Betreiber des Cafés hoch oben auf der Burg von Molyvos. Hat meine Lieblingswirtin nicht vor drei Jahren den baldigen Krieg mit …
Die Vi-Russen kommen!
Michèle Thoma
Ausgabe: 28.02.2020
Hochrangige Polizisten in Uniform im Nachrichtenstudio, sie schauen der Lage entsprechend ernst, der Feind steht vor dem Tor. Oder ist er schon da? Ja Grüßgott, er ist schon da! Es ist Ausschau gehalten worden über die Tiroler Gipfel hinweg, schon sind zwei kleine Italiener dingfest gemacht …
Platzanweiserin im Cité
Michèle Thoma
Ausgabe: 21.02.2020
Es war der Topjob meines Lebens, meines bisherigen zumindest, wer weiß, was sich noch ergibt. Kino, den halben Tag Kino, bis in die Nacht Kino. Und das mitten in der Stadt, neben der Place d’Armes, mitten in der Mitte, mitten im Leben.
Schlafen bis Mittag und dann ins Kino! Gratis auch noch. Mit …
Flüchtlinge und Deserteure
Michèle Thoma
Ausgabe: 24.01.2020
Woran soll Mensch sich noch halten? Wenn alle desertieren, sich vertschüssen, sich neu orientieren und nichts beim Alten bleibt. Schon gar kein Alter. Wenn alle den Sinn suchen, in sich gehen und anschließend aus den Büros, Ämtern, Palästen ans freie Licht des Tages treten. Gähn, so fad hier.
Ich …
Kasperl, Schlingel, Krokodile
Michèle Thoma
Ausgabe: 17.01.2020
Kaum brach das neue Jahr an, beziehungsweise aus, spien die großen Krokodile Feuer. Das US-Krokodil, auch als Kasperl populär, und jenes im Reich der Mullahs, es züngelte um die halbe Welt. Die gewaltigen Töne, die sie spuckten aus den allzu voll genommenen Mäulern, ähnelten sich dann zunehmend.
…
Schließt die Zoos!
Michèle Thoma
Ausgabe: 10.01.2020
Voyeurismus bei Häftlingen, ein wahrhaft seltsames Freizeitvergnügen! Eingesperrten zuschauen, wie sie kauen, vor sich hinschauen, verdauen. Von einer Pfote auf die andere treten, einmal im Kreis herum gehen und, verzücktes Kreischen im Publikum, Blase oder Darm entleeren; vor allem bei …
Möge es frommen und bekommen!
Michèle Thoma
Ausgabe: 03.01.2020
Vorbei, bye, bye! Zu diesem Anlass lassen wir es krachen oder schauen zu, wie andere es krachen lassen, nicht ohne den Kopf digital zu schütteln und was zu Hunden, Alten, Kleinkindern, Feinstaub zu posten. Männer kommen bei so was nie vor, als wären sie keine schützenswerte Unart. Dabei sind sie …
Die Anmaßung des Peter Handke
Michèle Thoma
Ausgabe: 13.12.2019
Die Nobelpreis-Ansprache Peter Handkes ist keine Rede. Zum großen Teil ist sie eine mit oft unsicherer Stimme vorgetragene Lesung. Muttergeschichten werden erzählt, eine davon mit zitternden Mundwinkeln. Sie führt über die Dörfer und entführt weit, weit darüber hinaus. Die Ansprache ist eine Hymne …
Peter Handke, ein Fall von Liebe
Michèle Thoma
Ausgabe: 06.12.2019
Peter Handke Nobelpreis, freu. Einer von My Generation, einer, der plötzlich so schrieb, dass ich verstand, was er meinte, kein bieder-betuliches Lehrstück und trotz karger Sprache nicht so kahlgeschlagen wie das meiste der neueren deutschsprachigen Literatur, das mich hungrig zurückließ.
In …
Mehr Treffer …