Design thinking

Feedback als Methode

d'Lëtzebuerger Land du 13.03.2020

Vor zwei Jahren saßen Kunstschüler des Lycée arts et métiers (LAM) in verschiedenen Postfilialen der Hauptstadt. Wozu? Sie beobachteten das Geschehen im Schalterraum, um herauszufinden, was er funktioniert, wie die Kundschaft sich zurechtfindet – und einen Plan zu entwickeln, wie sich Raum, Aufteilung, Schalter besser gestalten ließen.

Den Auftrag hatten sie von ihrem Lehrer Jan Glas mit auf den Weg bekommen. „Sie sollten beobachten, was funktioniert gut und was nicht.“ Der gebürtige Niederländer und Wahl-Luxemburger ist Produktdesigner und unterrichtet halbtags an der ehemaligen Handwerkerschule in der Kunstsektion.

Die Methode, die die Schüler anwandten, stammt aus der Softwareentwicklung in den USA, revolutioniert seit einiger Zeit die Designerbranche und macht neuerdings auch an Luxemburger Schulen die Runde: Design thinking wird ein bisschen als die neue Wundermethodik von Unternehmen angepriesen, um kundenorientierte Produktions- und Innovationsprozesse zu verbessern, das heißt vor allem: bessere Entscheidungen zu treffen, welche Produkte zu entwickeln sind, und genauer zu antizipieren, wie der Markt sie aufnehmen wird.

Der Ansatz ist mehr als die klassischen Disziplinen wie Formgeben und Gestaltung, wie man sie aus der Designerausbildung sonst kennt. Im Zentrum des Prozesses steht der Kunde. Design thinker schauen durch die Brille des Nutzers auf ein Problem und begeben sich dadurch in die Rolle des Anwenders. Dafür werden Kunden, ihre Wünsche und Bedürfnisse, früh und zwar schon bei der Entwicklung einbezogen. Der Vorteil: So sollen Produkte auf den Markt kommen, für die wirklich Nachfrage besteht. Der Clou dabei ist die ständige Rückkoppelung zwischen der Entwicklerin und dem Nutzer und umgekehrt. So gesehen, ist es die Feedbackkultur auf den Entwicklungsprozess angewendet.

Für das Postprojekt des LAM hieß das, die Jungen und Mädchen versuchten zunächst selbst, das Problem zu erkennen. In Gesprächen mit dem Personal und der Kundschaft vor Ort fragten sie dann nach, welche Verbesserungen diese wünschen. Und in einem dritten Schritt überlegten sie mögliche Lösungen, entwickelten Szenarien quasi als Prototypen, die sie wiederum dem Post-Personal präsentierten und um eine Rückmeldung baten.

Durch die frühe Einbindung der Nutzer, lange bevor das Endprodukt fertig war, konnten sie eine Lösung erstellen, die bei der Post auf viel Zustimmung stieß – obwohl es „nur“ ein Schülerprojekt war. Im echten Leben soll das permanente Feedback die Kundenzufriedenheit erhöhen und das Risiko vermindern helfen, etwas am Markt vorbei zu produzieren. Ganz so neu, wie der Hype darum, ist das Konzept aber nicht: Die Werbe- und Marketingbranche setzt schon lange darauf.

Jan Glas hat die Methode nicht nur am LAM eingeführt, auch die Bildungs-Initiative Up Foundation arbeitet damit und versucht sie, Lehrkräften in Kursen näher zu bringen. Die Stiftung sieht sich selbst als „Bürger*innenplattform für den Austausch und die Förderung rund um das Thema Bildung“. Sie geht zurück auf eine Initiative der ehemaligen Beamtin und Up-Chefin Liz-Kremer-Rauchs und dem Unternehmer Raymond Schadeck. Auch Jan Glas zählt zu den Begründern. Dass viel Unterstützung aus Unternehmerkreisen kommt, ist kein Zufall: Ein Anliegen von DP-Bildungsminister Claude Meisch war und ist es, Wirtschaft und Schule näher an einander heranzuführen. Die Up Foundation hat sich zum zum Ziel gesetzt, Schulen von außen Impulse zu geben, und erhielt dafür eine kräftige Anschubfinanzierung von 500 000 Euro vom Bildungsministerium.

Jan Glas konzentriert sich derweil auf das nächste Projekt: Es soll sich mit der Kreislaufwirtschaft befassen. Sechs Wochen lang sollen Schüler zu dem Thema Nachhaltigkeit forschen und entwickeln. „Noch lieber wäre mir, wenn diese Fähigkeit transversal, also in andere Fächer, aufgenommen würde. Als Kunstlehrer habe ich da mehr Freiraum“, sagt Glas. Ob der Lehrplan seine Methode vorsieht? „Die Freiheit nehme ich mir.“ Sein Lyzeum ist dabei, ein Fablab (Fabrication Laboratory) auf dem Gelände einzurichten, genauer gesagt: Das Fablab von Technoport, bisher angesiedelt in der Kreativ-Halle 1353 in Differdingen zieht auf den Limpertsberg um. Neben den Schülern sollen Betriebe die Maschinen von 3D-Drucker bis Roboter nutzen können. Dann rückt das LAM, das mit Animationszeichnen, Kreativdesign und Programmierung von Videospielen gleich mehrere praxisbezogene Ausbildungen anbietet, noch ein Stück näher an die Arbeitswelt heran.

Ines Kurschat
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