Aufbruch im LGL

Höchste Zeit!

d'Lëtzebuerger Land vom 23.03.2018

Schüler, die das Lycée de garçons de Luxembourg (LGL) das erste Mal betreten, nennen es mitunter Harry-Potter-Schule, früher hieß es Industrieschule. Das LGL auf dem Limpertsberg, das kürzlich seinen 125. Geburtstag feierte, ist vielen Luxemburgern und Nicht-Luxemburgern vor allem wegen seiner Architektur ein Begriff, gebaut nach den Plänen von Gustave Serta 1908. Außen mit Backstein-Fassade, innen empfängt ein imposanter Art-Nouveau-Treppenaufgang. Daher die Assoziation an die Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei des Engländers mit der Nickelbrille.

Gezaubert wird in dem klassischen Lyzeum weniger: Zwischen Tradition und Moderne lautet das Schulmotto, Kontinuität wird groß geschrieben. Humanistische Fächer wie Kunst, Musik, Literatur sind wesentliche Pfeiler der Schulidentität. Hier ist man stolz darauf, nicht den letzten Moden nachzueifern: „Die Mode von heute ist die Obsoleszenz von morgen“, steht in einem Grandes lignes, dem aufwändig produzierten Jahrbuch des Lyzeums. Klassisch auf Französisch natürlich.

Digitalisierung ist aber keine Mode mehr, sondern gehört mittlerweile zu den Grundtechniken. Der digitale Fortschritt geht an der Traditionsschule nicht spurlos vorbei: Ab September werden die 3e des LGL am I-Pad-Pro-Projekt teilnehmen, das die Programmkommission Kunst entwickelt hat und an allen sieben Lyzeen mit einer Kunstsektion anlaufen soll. „So bekommen unsere Schüler eine zusätzliche Dimension vermittelt, die in Zukunft aber immer wichtiger wird“, so André Mischaux, Kunstlehrer am LGL und Präsident der nationalen Programmkommission. Momentan laufen die Vorbereitungen. Die Kommission ist dabei, geeignete Applikationen auszusuchen, die sich für alle Schüler verallgemeinern lassen und sich für den Unterricht eignen. „Wir prüfen noch, wie wir das in der Praxis organisieren“, sagt Frank Eyschen, Direktor des LGL. Grundsätzlich sollen Kunstschüler mit Zeichen-Applikationen auf dem I-Pad Pro vertraut gemacht werden, derzeit werden interessierte Kunstlehrer am Weiterbildungsinstitut Ifen in Walferdingen geschult, technisch unterstützt wird das Projekt vom Informatikzentrum CGIE im Erziehungsministerium. Die Teilnahme seitens der Lehrer an dem Projekt ist freiwillig. „Zwang wäre kontraproduktiv“, ist sich Eyschen sicher.

Das I-Pad-Kunstprojekt dürfte, neben dem Projekt Pier, das Chancen und Risiken der neuen Technologien beleuchtet, sozusagen die Avantgarde in Sachen IT im Lyzeum werden. Im Pier werden ältere Schüler zu Fragen von Fake news, Datensicherheit und Privatsphäre geschult und geben dieses Wissen als „Multiplikatoren“ an jüngere Mitschüler weiter. Denn ansonsten läuft die Digitalisierung vergleichsweise langsam an. Direktor Eyschen betont zwar, dass Digital skills auf der Journée pédagogique im Januar im Mittelpunkt standen, Schüler der 7e werden systematisch in die Nutzung von Computern und Software eingeführt. Vergangenes Jahr waren alle Schüler der 2e auf der Computer-Fachmesse Cebit, um, wie Eyschen erzählt, „ihnen mehr zu den neuen Technologien zu vermitteln“. Im Unterricht seien Smartphone- und Laptop-Anwendungen präsent. Manch eine Lehrkraft ermuntert ihre Schülerinnen und Schüler, Recherchen mit dem Smartphone anzugehen.

Wer sich jedoch in den langen gewölbten Gängen mit Schülern unterhält, bekommt ein anderes Bild gezeichnet. „Es herrscht eher ein allgemeines Handyverbot“, klärt eine Schülerin der 3e auf. In vielen Klassensälen dominiere noch der analoge Unterricht, „in den meisten eigentlich“. Ihr Kollege wirft ein: „Im Geschichtsunterricht können wir auch mal Informationen online auf dem Handy nachsuchen.“ Ein Schüler der 2e findet: „Mehr digitale Medien im Unterricht wären super. Ich finde, wir hinken da hinterher.“ Dass die Schule Nachhilfe in Sachen Digitalisierung braucht, ist auch daran zu bemerken, dass sie sich bisher keine Regeln im Umgang mit den neuen Technologien gegeben hat. Ja, Online-Medien sind zunehmend Thema, aber es bleibt weitgehend den Lehrern überlassen, ob und wie sie digitale Technologien in ihren Unterricht einbauen – und die tun sich teilweise schwer.

Das Tempo dürfte – und soll – sich mit dem Projet d’établissement Com’On beschleunigen. Im Mittelpunkt steht die Verbesserung der Kommunikation in alle Richtungen: zwischen Schüler und Lehrer, Lehrer und Eltern, aber auch zwischen den Lehrern selbst. Ausdrücklich Bestandteil ist die Schulplattform Office 365 von Microsoft, die Lehrern und Schülern eine Zusammenarbeit in einer Cloud ermöglicht. Auch das LGL hat die Zeichen der Zeit erkannt.

Ines Kurschat
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