Statistische Vergleiche

Kleines Land, große Zahlen

d'Lëtzebuerger Land vom 31.01.2014

Internationale statistische Vergleiche stehen auf der Tagesordnung. Abgesehen davon, dass oft Äpfel mit Birnen verglichen werden und Konzepte, Definitionen und Methoden der statistischen Erhebung oft ganz andere sind, stellt sich die Frage, ob man absolute oder relative Zahlen berücksichtigen soll. Nehmen wir die Bevölkerungsentwicklung. Am 1. Januar 2012 zählte unser Land 524 900 Einwohner; zwölf Monate später waren es 537 000, also 12 100 mehr. Ganze 12 100? Die würden in einem Flächenland wie Frankreich überhaupt nicht auffallen. Drückt man das Wachstum dagegen in Prozentzahlen aus – plus 2,3 Prozent – werden wir zum europäischen Spitzenreiter. Dieselbe Rate hätte übrigens bei unserem französischen Nachbarn (aktuell 65,8 Mio Einwohner) zu einem Zuwachs von mehr als 1 500 000 Einwohnern geführt.

2014 ist Europawahljahr. Immer wieder wird auf die große „Ungerechtigkeit” hingewiesen, die anscheinend darin besteht, dass die Zahl der Wähler die – statistisch gesehen – von einem einzigen Parlamentarier vertreten werden, von Land zu Land sehr unterschiedlich ist. In Deutschland, dem Staat, der mit 99 EU-Parlamentariern die meisten Abgeordneten zählt, kommt auf eine Million Bürger im Schnitt 1,2 Abgeordneter. In Luxemburg (sechs Volksverteter), sind es dagegen stolze 11,2. Besser gesagt, es wären 11,2, da unser Land keine Million Einwohner zählt.

Beispiel Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM). Hier hängt Luxemburg mit 0,2504 Prozent Kapitalanteil mit drin, das macht immerhin 1,7528 Milliarden Euro aus. Deutschland (27,1464 Prozent) steht für über 190 Milliarden Euro gerade. Trägt man aber den tatsächlich anfallenden Kosten Rechnung, zahlten die Luxemburger 2012 pro Kopf 40 Prozent mehr als die Deutschen und sogar 50 Prozent mehr als die Franzosen und die Belgier.

Anderes Thema: die Flüchlings- und Asylantenströme. Die Zahl der Antragsteller hatte sich bei uns zwischen 2009 (505 Personen) und 2011 (2 171) beziehungsweise 2012 (2 057) mehr als vervierfacht. Nehmen wir einmal an, Luxemburg würde 2 000 syrische Flüchtlinge aufnehmen; das wären dann 3 725 pro Million Einwohner. Umgerechnet auf deutsche Verhältnisse müssten dort dann 300 000 Syrer Unterschlupf finden. Wem seine Aufgabe wohl leichter fallen würde? Wie gerecht oder ungerecht ist das alles?

Letztes Beispiel: Die Bevölkerung der Stadt Luxemburg wächst und wächst. Zum 1. Januar wurden 103 900 Einwohner gezählt, 33 000 Luxemburger (32 Prozent), 70 900 Ausländer (68 Prozent). Schaut man sich die Zahlen im Detail an, stellt man fest, dass es logischerweise wieder die Einwanderung ist, die die Dynamik mit sich bringt. Interessanterweise haben die Franzosen (15 440) die Portugiesen (14 248) als wichtigste ausländische Bevölkerungsgruppe abgelöst. Aufschlussreich ist auch ein Blick auf die Stadtviertelebene. Hier erfährt man, dass in mehr als der Hälfte der Viertel unsere portugiesischen Mitbürger die größte Ausländergruppe darstellen, auf Kirchberg aber nur an siebter, in Belair an sechster, auf Limpertsberg und in der Oberstadt an fünfter Stelle fungieren. Ob das wohl etwas mit den Immobilienpreisen zu tun hat? Aber auch hier heißt es aufpassen, wenn man nicht in die „Statistikfalle” tappen will: 2013 hat sich die Zahl syrischer Einwohner um sage und schreibe 87,5 Prozent vergrößert. Hilfe, die Syrer kommen? Keineswegs. Am 1. Januar 2013 waren sie zu acht, ein Jahr später zu 15. Da ist doch glatt eine ganze Familie dazugestoßen. Vielleicht waren es auch zwei.

Claude Gengler
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