Die kleine Zeitzeugin

Todesstrafe mindestens

d'Lëtzebuerger Land du 14.08.2020

25 000 Euro Strafe! Ansonsten die Summe abarbeiten, und natürlich Eintrag ins Strafregister. Oder das Auto in Beschlag nehmen, was in Luxemburg ja schon Todesstrafe light ist.

Er meint es noch vergleichsweise gut. Weitere Vor- Schläge von Tageblatt-Leser/innen nach einem Artikel zu einer Party im Baambesch sind, abgesehen von Weicheiertipps à la Ausschluss aus der Krankenkasse oder Fußfessel oder dem guten alten Arschtritt, komisch, Peitschenhieb noch nicht im Angebot, Gefängnis, die Einrichtung von Covid-Knaststationen neben Teststationen und der Einsatz der Armee. Es wurde ja nämlich ausgeschweift. In einem Wald! Wo sie sich trafen. Viele! In der Nacht! Oben ohne!

Totentanz im Tanz der Aerosole! Unter ihnen ja auch noch eine, wie der Polizei zugetragen worden war, potenziell viruslasterhafte Person. Ein/e potenziell/er Spreader/in, sogar jemand, der bewusst potenziell spreadete. Ob er bewusst potenziell superspreadete ist bis jetzt nicht überliefert. Ausfindig gemacht wurde potenzielle/r Superspreader/in nicht. Aber all die anderen. Die in einem Sommernachtstraum abhingen, abtanzten, sich vermutlich, es gilt die Unschuldsvermutung, sogar antanzten. Sich vielleicht sogar anquatschten. Anredeten. Den Häschen Angst machten, Coladosen hinterließen, lauter so dummes menschliches Zeug, dass die Bäume die Häupter schüttelten. Oder auch nicht, da stehen die drüber.

Immer wieder diese konspirativen Treffen, an geheimen Orten, wo Menschen, eher junge, kribblige, ihr Unwesen treiben. Man kann denen dieses Treiben nicht austreiben, wieso eigentlich?

Zuerst hat doch alles gut geklappt. Einen langen Lenz waren sie mit Mama und eventuell Papa und nervtötenden Geschwistern eingelocht, die Lehrer/innen suchten sie auf dem Bildschirm heim. Die Vögel randalierten, draußen explodierte alles, die Natur brach aus, sie nicht. Sie blieben daheim, einen Monat lang, noch einen. Wegen Opa, Oma, Solidarität, wegen lauter guten wichtigen Dingen wie man sie in der Ethik lernt. Einen Monat, zwei Monate, sie bekamen Bärte, Brüste, Pickel, niemand wusste wie lang sie mit ihrem Spiegelbild eingesperrt sein würden. Vielleicht das ganze Leben? Vielleicht immer?

Sie würde nie wieder den süßen Jungen aus dem Bus sehen, sie würde graue Haare haben wenn sie wieder in den Bus steigen würde, sowieso hätte der Junge sich umgebracht, aus purer Verzweiflung, oder das Virus hätte ihn umgebracht. Oder, noch schlimmer, er wäre inzwischen verheiratet, vielleicht hätte man ihn mit jemandem aus dem gleichen Haushalt verheiratet, und er wäre glücklicher Vater, wenn sie wieder in den Bus steigen würde.

Sie würden online Menschen werden, die mit anderen Menschen online verkehrten, sie würden sich anstarren auf dem Bildschirm, plötzlich hätten sie Bärte und Brüste, trotzdem fiele keinem nichts mehr ein. Die Tage wurden länger, das Leben dehnte sich. Und die, die nur noch ein ganz kurzes hatten, hatten Angst vor ihnen, deswegen mussten sie sich lebendig begraben. Das war aber alles ok.

Irgendwann wurden sie rausgelassen, um zur Schule oder zur Arbeit zu gehen, aber sie sollten nicht ausgelassen sein. Sie sollten sich gemessenen Schrittes bewegen und in sicherer Distanz voneinander einen kleinen Scherz machen, bei dem sie aber nicht losprusten sollten. In einer Maske, hinter einer geste barrière. Sie sollten sich immer hinter gestes barrière verbarrikadieren. Dann waren sie in Sicherheit, und alle andern auch. Das war ihre Verantwortung.

Das konnte doch nicht so schwer sein, fanden die Alten und Mittelalten. Die waren schon sehr ausgetobt. Die hatten sich schon sehr ausgetobt. Jetzt waren sie beruhigt, und all den Blödsinn brauchten sie nicht mehr. Es war schon lustig gewesen, kein Aids, aber die Pille, und die Drogen, und nachdem man Hippie gewesen war konnte man noch Staatsbeamter werden. Das Haus hatte man von denen davor geerbt, die sich totgerackert hatten, mit Krieg auch noch, und konnte mit seinem Gepacsten einem entspannten, aber doch aktiven Lebensfeierabend entgegensehen. Sich unterwegs in der Welt zuprosten, auch mal Päischtcroisière, warum denn nicht?

Aber sich so aufführen!

Michèle Thoma
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