Die Münchener Sicherheitskonferenz positioniert sich klar – mehr oder weniger

Autokraten unerwünscht

d'Lëtzebuerger Land du 17.02.2023

„Wehrkunde-Tagung“ hieß das inoffizielle Treffen internationaler Politiker und Diplomaten, welches Ewald-Heinrich von Kleist 1963 ins Leben rief. Die Veranstaltung, die heute am 17. Februar beginnt, firmiert inzwischen unter dem Titel „Münchener Sicherheitskonferenz“ und ist gewissermaßen das WEF der internationalen Konflikte. In München treffen sich, privat organisiert, 45 Staatschefs, unzählige Verteidigungsminister, aber auch die Vorsitzenden von Firmen und NGOs zum Plausch über die internationale Friedensordnung. 5 000 Polizisten sorgen für ihre Sicherheit, 19 Demonstrationen wurden angemeldet – zum ersten Mal überhaupt auch eine, die Waffenlieferungen fordert, statt sie verhindern zu wollen. Eingeladene Redner bei der Demo: Die Bundestagsabgeordneten Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen) und Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP).

Die diesjährige Sicherheitskonferenz, kurz MSC, ist eine Demonstration der transatlantischen Verbundenheit: Ein Drittel aller US-Senatoren sind bei der Konferenz vertreten, ebenso der französische Präsident Emmanuel Macron, das polnische Staatsoberhaupt Andrzej Duda und Bundeskanzler Olaf Scholz. Für Luxemburg ist Verteidigungsminister Francois Bausch (Grüne) mit von der Partie: Er wird sich hauptsächlich zu bilateralen Gesprächen mit deutschen Politikern wie Cem Özdemir und Alexander Dobrindt treffen, aber auch an einer von Google organisierten Diskussionsrunde zum Thema Digitale Sicherheit teilnehmen. Auch Michael Schöllhorn, der CEO von Airbus, steht in seinem Terminkalender. Bausch ist offenbar bestrebt, Luxemburg stärker in die Gesprächsrunden zur internationalen Sicherheit einzubinden: Vergangenen Dezember trat er bereits als Gast bei der „MSC on Tour“ in Hamburg auf, einem Ableger der Sicherheitskonferenz, der den Bürgerdialog initiieren soll. Und in zwei Monaten, am 25. April, ist er Gastgeber der LAWS-Konferenz in Esch-sur-Alzette – das Akronym steht für Luxembourg Autonomous Weapons Systems, also Militärdrohnen.

Diejenigen Staaten, deren Drohnen in den vergangenen Monaten für viel Kopfzerbrechen sorgten, sind in München indes nicht vertreten: Russland und der Iran. Und nun kann man sich natürlich fragen, wie sinnvoll eine informelle Konferenz für Diplomatie ist, bei der die größten „Störfaktoren“ der Sicherheitspolitik nicht mit am Tisch sitzen. Christophe Heusgen, Leiter der Konferenz und einstiger Berater von Angela Merkel, möchte den Vertretern der beiden Länder „kein Forum für Propaganda bieten“. Die Sicherheitskonferenz verstehe sich nicht als neutral, sie sei eine Organisation, „die in diesem internationalen Räderwerk für eine regelbasierte Politik“ stehe. Eine Haltung, die durchaus für Kritik sorgt: „Genau jetzt, wo wir Diplomatie und Gespräche bräuchten, trifft man so eine Entscheidung“, zitiert der evangelische Pressedienst epd die Friedensaktivistin Maria Feckl. Feckl ist Mitveranstalterin der Münchener Friedenskonferenz, der parallel stattfindenden Gegenveranstaltung zur MSC. Staatschefs und CEOs sucht man hier vergebens, aber immerhin Greenpeace, ver.di und die Letzte Generation sind vertreten.

Bei der großen Konferenz ist man allerdings dabei, ein Feindbild zu entwerfen, welches den wenig schmeichelhaften Titel „Autoritärer Revisionismus“ verliehen bekommen hat – so bezeichnet der am Montag veröffentlichte Munich Security Report, das Diskussionspapier der MSC, die Tendenzen, welche die internationale Stabilität aushöhlen. Russlands Krieg gegen die Ukraine sei „nur der unverhohlenste Angriff autoritärer Mächte auf die liberale, regelbasierte Ordnung“. Autokratien seien auf vielfältige Weise daran beteiligt, „die bisherige Ordnung und ihre Regeln zu untergraben und zu verändern“. Was auf der Konferenz wohl zu klären sein wird: Mit welchen Autokratien, die nachweislich den demokratischen Rechtsstaat sabotieren, darf man trotzdem zusammenarbeiten? Vielleicht Katar, welches in großem Stil versucht, EU-Parlamentarier zu bestechen? Oder Aserbaidschan, das von der EU nun als „stabiler Partner“ bezeichnet wurde, weil es an Russlands Stelle Gas liefern darf – und die neue Anerkennung gleich dazu nutzte, seinen Nachbarn Armenien zu überfallen und die autonome Republik Artsakh, früher bekannt als Berg-Karabach, zu belagern? Dort spielt sich gerade eine humanitäre Krise ab, welche Christoph Heusgen indes nicht davon abhielt, den aserbaidschanischen Autokraten Ilham Aliyev einzuladen.

Aber der Kaukasus ist weit entfernt, die Ukraine ist nahe und steht dementsprechend natürlich auch im Fokus der Konferenz. Der Security Report hebt die „außergewöhnliche Resilienz und Entschlossenheit des ukrainischen Volkes“ hervor, der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba ist mit einer Delegation vor Ort und die leeren Stühle der russischen Gesandtschaft werden von russischen Oppositionellen besetzt: Garri Kasparow und Julija Nawalnaja dürfen ihre Vorstellungen über ein Russland einbringen, welches sich des Diktators im Kreml entledigt hat. „Breaking the Vicious Circle: Mapping views on exit strategies for post-Putin Russia“ heißt die Veranstaltung – ein Dinner, an dem auch François Bausch teilnehmen wird.

Tom Haas
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