Scheidungsreform

Angekommen

d'Lëtzebuerger Land vom 13.05.2016

17 Jahre, nachdem das Verfassungsgericht die alte Sorgerechtsregelung, die Mütter systematisch bevorteilt hat, für verfassungswidrig erklärt hatte, stellte Justizminister Félix Braz (Déi Gréng) am Mittwoch rechtliche Leitlinien vor, die Scheidungen künftig beschleunigen und befrieden soll. Die Scheidung wegen Fehlverhaltens wird, außer bei Gewaltanwendung, abgeschafft. Künftig gibt es nur die einvernehmliche Trennung und die Scheidung per Zerrüttungsprinzip.

Parallel kommt das geteilte Sorgerecht, das heißt, beide Partner teilen sich die Verantwortung fürs gemeinsame Kind. Nur im Ausnahmefall, bei Vernachlässigung, Gewalt oder Missbrauch, kann ein Richter einem Elternteil das alleinige Sorgerecht zusprechen. Dafür wird das Amt des Familiengerichts neu geschaffen, das jene Kompetenzen bündeln soll, die derzeit auf vier Instanzen (Zivil-, Jugend-, Vormundschafts- und Friedensgericht) verteilt sind. Ein Ansprechpartner sowie klare Fristen sollen Verfahren deutlich verkürzen und helfen, Urteile besser aufeinander abzustimmen.

Willkommen im 21. Jahrhundert, will man da rufen. Die Änderungen werden weitreichende Konsequenzen für viele Erwachsene und Kinder hierzulande haben. Richtige Freude will dennoch nicht aufkommen. Zu lange schon schleppt sich diese überfällige Reform hin. Immer wieder hatten parteipolitische Differenzen dafür gesorgt, dass sie ein ums andere Mal verschoben wurde. Die Leidtragenden waren die Betroffenen, darunter Väter, die bei Sorgerechtsstreitigkeiten oftmals schlechter wegkamen. Und vor allem Kinder.

Entstaubt wird auch die Unterhaltsregelung: Zahlungen an den geschiedenen Partner zum Lebensunterhalt werden so begrenzt, dass sie die Dauer der Ehe nicht überschreiten. Auch das Wohnrecht im gemeinsamen Domizil für das hauptsächlich betreuende Elternteil wird insofern angepasst, als es nur bei Kindern bis maximal zwölf Jahren geltend gemacht werden kann und, unabhängig vom Alter des Kindes, auf zwei Jahre begrenzt wird. Diese Regelung mag auf den ersten Blick riskant wirken und nicht unbedingt im Kindesinteresse, zumal wenn mehrere Kinder in einem Haushalt leben, für die im Falle einer Scheidung auf dem knappen Wohnungsmarkt eine neue Unterkunft gesucht werden muss. Da können zwei Jahre plötzlich kurz sein. Bislang sind es noch immer mehrheitlich Frauen, die die Hauptlast der Kinderbetreuung tragen, trotz deutlich gestiegener Frauenerwerbstätigkeit.

Vor allem Frauen dürften auch die Pensionsregelung mit gemischten Gefühlen sehen: Geschiedene, die während der Ehe gar nicht oder Teilzeit gearbeitet haben, erhalten das Recht, sich nachträglich Rentenversicherungszeiten zu kaufen, gegebenenfalls vom gemeinsamen Vermögen. Da kommen, so rechnete Sozialversicherungsminister Romain Schneider (LSAP) auf der Pressekonferenz vor, schnell fünfstellige Beträge zusammen. Kein Pappenstiel, erst recht nicht, wenn nichts Erspartes da ist, das aufgeteilt werden und zum Kauf der Versicherungszeiten genutzt werden kann.

Die Rentenungerechtigkeit zwischen Männern, die meist eine höhere Rente erhalten, und Frauen wird die neue Regelung daher nicht beheben, sondern bestenfalls abmildern können. Besser wäre es gewesen, konsequent auf die Individualbesteuerung und auf individuelle Rentenansprüche zu setzen und Ehepaare, bei denen ein Partner zuhause bleibt oder einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht, von Anfang an dazu zu verpflichten, für diesen hinreichende Beiträge in die Rentenkasse einzuzahlen. So würde jeder von Anfang an eigene Rentenansprüche aufbauen. Dann aber verlöre die Ehe wohl ihren letzten Reiz. Und so weit wollten DP, LSAP und Déi Gréng mit ihrer Modernisierung augenscheinlich dann doch nicht gehen.

Ines Kurschat
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