Films made in Luxembourg @ Berlinale

Einfach nur flach

d'Lëtzebuerger Land du 22.02.2019

Thelma & Louise. Ein Klassiker. Ridley Scott inszenierte diese Ikone des feministischen Kinos im Jahr 1991. Challie Khouri steuerte seinerzeit das Drehbuch bei, Hans Zimmer die Musik. Susan Sarandon als besonnene Louise und Genna Davis als chaotische Thelma zeigten sich in bester Spiellaune mit Harvey Keitel und Brad Pitt als Nebendarsteller in einem farbenfrohen Film Noir, in dem die Frauen sein und machen durften, wie und was sie wollten. Gerade auch am Ende – gen Abgrund. Ein Film über Selbstbestimmung bis in den Tod. Das Werk gehört zum Kanon der wichtigsten Filme, die man einfach gesehen haben muss, um Meilensteine in der cineastischen Historie zu verinnerlichen.

Flatland. Ein Ärgernis. Die südafrikanische Regisseurin Jenna Bass überträgt den Plot von Thelma & Louise ins Kleine oder Große Karroo, einer südafrikanischen Wüstenlandschaft, und lässt drei Frauen durch die Handlung blödeln oder unfreiwillig komisch sein. Plump und platt werden Zitate aus dem Ridley-Scott-Film hintereinander montiert, so dass sich die Frage aufdrängt, ob das nun ein Remake, ein Sequel, ein Spin-Off oder gar eine Parodie des Klassikers ist. Man weiß es auch nach knapp zwei Stunden Filmlaufzeit nicht. Denn die Antwort bleibt der Film in jeder einzelnen Szene schuldig. Gerade dann, wenn die Regisseurin liefert und Bekanntes und Erwartbares an Handlung und Drehmomenten aus dem Neunzigerjahre-Werk in ihrem Streifen verwurstet. Manche Szene wirken, als seien sie aus dem Drehbuch von Challie Khouri abgeschrieben worden. Im Fortgang des Films ertappt man sich als Zuschauer dabei, die Handlung treffsicher vorhersagen zu können – und das Ende zu erahnen. Dass dieses dann ein wenig anders kommt, selbst das überrascht nicht wirklich, denn es wird äußerst lustlos inszeniert.

Zusammengefasst: Zwei Frauen fliehen durch das südafrikanische Hinterland, während ihnen eine Polizistin auf den Fersen ist, die einen Mordfall aufklären will. Böse weiße, dumme, männliche Polizisten wollen das Duo auf der Flucht dingfest machen. Mit eigenen Mitteln. Ausführlicher: Die hübsche und frisch verheiratete Natalie, die in der Hochzeitsnacht von ihrem tumben Mann Bakkies vergewaltigt wird, flieht aus der Ehe, erschießt dabei den bigotten und heuchlerischen Priester, schwingt sich aufs Pferd und galoppiert zu ihrer hochschwangeren Freundin Poppie ins Karoo, das Flatland. Dieses sei so flach, heißt es, dass man seine Zukunft schon von weitem sieht. Poppie sieht ihre Chance gekommen, der eigenen Langeweile zu entfliehen. Sie will zum Vater ihres Kindes, einem draufgängerischen, platonisch untreuen Trucker. Natürlich auf dem Rücken des Pferdes, weil das gerade da ist. Die farbige Polizistin Beauty Cuba ermittelt in dem Mordfall um den Pfarrer und nimmt die Fährte der beiden Reiterinnen auf, muss sich gleichzeitig um ihre große Liebe kümmern, einen Knastbruder, der freiwillig den Mord am Pastor gestanden hat, um wieder hinter Gitter zu kommen.

Ein Horse-Road-Movie, das – wie der Titel schon sagt – unheimlich flach ist. Um dem Werk dennoch Tiefe zu geben, bemühten sich die Programmverantwortlichen der Berlinale in Erklärungen und verwiesen darauf, dass der Film sich der „weiblichen Selbstermächtigung“ widme und das „gespaltene Land“ Südafrika thematisiere. Letzteres in der Tat. Selbst die farbigen Protagonisten sprechen Afrikaans, die Sprache der Apartheid, was von einem weißen, pensionierten Kollegen der Polizistin gönnerhaft goutiert wird. Ja, da ist er, der alte, weiße Mann, Vertreter der Rassentrennung, der auf seine schmierige, gönnerhafte Horst-Lichter-Art den depperten, weißen, jungen Sohn vor Ermittlungspannen und persönlichen Verfehlungen bewahren möchte. Da hätte der Film sein Thema haben und aus dem Vollen schöpfen, hätte darstellen können, was in der ersten Generation nach Ende der Apartheid gelang, und vor allen Dingen, was nicht gelang. Wenn man sich dazu eines Filmklassikers bedient, ist vieles verziehen. Nicht aber in Flatland. Dort geschieht alles derart plakativ und platt, dass man sich ungläubig die Augen reiben mag: War da was?

Die hehren Ansprüche verebben in Flatland ohnehin schnell oder werden in einer seltsamen Ironie ertränkt. Die weibliche Selbstermächtigung etwa endet immer nach nur wenigen Augenblicken. Sei es, dass eine Thelma & Louise-Gedächtnisszene eingebaut werden musste, oder sei es, dass die Hauptfigur nicht einmal den Mut aufbringt, den weißen Ex-Kollegen in ihrer eigenen Sprache anzusprechen. Beauty Cuba, gerne im rosa Plüschjogginganzug und mit Strass besetzter Sonnenbrille unterwegs, findet keine eigene Sprache und wird so schnell zur Comicfigur, völlig demaskiert dann in der Szene, als ein Fernfahrer (ja, da war doch was) ihr die Perücke vom Kopf reißt. Überhaupt hat die Beauty eben auch noch ihr eigenes Ding am Laufen und befreit ihren mordverdächtigen Lover mit Unterstützung des debilen weißen Polizisten. Doch der Liebhaber möchte gar nicht aus dem Gefängnis rauskommen, weil er nicht mit der Freiheit klarkommt – was immer schlecht ist in einem pferdlichen Roadmovie.

Verwirrtheit zieht sich durch den ganzen Film. Regisseurin Jena Bass wechselt die Genres wie andere Filmschaffende die Beleuchtung. Sie quetscht und zerrt die Ridley-Scott-Vorlage gerne und direkt in die Formate Daily Soap, Western, Comic, Mädchen-Pferdefilm, Herzschmerzkino, um am Ende überhaupt kein Stilmittel zu finden. Wenn die Macher der Berlinale-Sektion schon Gesellschaftskritik bemühten, um für Flatland die Präsenz auf den Internationalen Filmfestspielen und dann noch den Status als Eröffnungsfilm der Sektion zu rechtfertigen, sollten die Ansprüche eher erfüllt denn konstruiert werden. Ansonsten hätte es auch ein wenigstens unterhaltender Film getan.

Orchestriert ist Flatlands auf seine drei Schlussakkorde, in denen die drei Protagonistinnen getrennte Wege gehen – in ihre selbstgemalten Sonnenuntergänge, mehr oder weniger schillernd und farbenprächtig. Natalie darf schließlich im Auto dem Film entkommen. Schlaglochfrei und ohne Kurven. Poppie schenkt Leben. Und Beauty schaut belämmert einem fortfahrenden Vehikel hinterher. In Erinnerung bleibt vor allen Dingen der Soundtrack des Films. Wenigstens etwas.

Flatland von Jena Bass, mit Faith Baloyi, Nicole Fortuin und Izel Bezuidenhout, ist eine südafrikanisch-deutsch-luxemburgische (Deal) Koproduktion und feiert am 13. März beim Luxembourg City Film Festival seine luxemburgische Premiere; luxfilmfest.lu.

Martin Theobald
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